Deutsche Tornados: Statt Rügen nun Afghanistan?

Bundesregierung will politischen Entscheid für den Weg in den grossen Krieg

von Karl Müller, Deutschland

Deutsche Tornados suchten Anfang 2006 tote Schwäne auf der Insel Rügen. Zumindest wurde das behauptet. Geglaubt hat es kaum einer. Was die Tornados über der Insel Rügen wirklich suchten, ist bis heute ungeklärt. Aber ganz offensichtlich ging es um politische Ziele.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Deutsche Bundestag am 1. Februar am späten Abend mit den Stimmen aller Fraktionen ausser der Linkspartei beschlossen, den USA weiterhin uneingeschränkte Überflug- und Nutzungsrechte in Deutschland zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juni 2005 ausführlich begründet, warum deutsche Unterstützungsleistungen bei völkerrechtswidrigen Kriegen in Form von Überflug- und Transitrechten selbst völkerrechtswidrig sind. Die Mehrheit des Bundestages hat sich offensichtlich darüber hinweggesetzt und der «Bündnissolidarität» Vorrang vor dem Recht eingeräumt, obwohl auch die Abgeordneten wissen, dass die USA, so salopp verharmlosend der CSU-Abgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg in der Debatte, «gelegentlich» auf Mittel zurückgriffen, «die unserem Rechtsverständnis fremd sind».

Deutsche Piloten auf dem Weg zum Internationalen Strafgerichtshof

Das deutsche Kleben an der «Bündnissolidarität» und insbesondere an der Kriegspolitik der US-Regierung – ohne Rücksicht auf das Völkerrecht und die Menschenrechte – wird auch beim Beschluss der Bundesregierung vom 7. Februar, deutsche Tornado-Flugzeuge nach Afghanistan zu schicken, deutlich. Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium Willy Wimmer (CDU) hat auch hier auf die Rechtslage hingewiesen. Auf den Hinweis von Spiegel Online, Wimmer habe kürzlich erklärt, «durch Weitergabe von Tornado-Bildern für Angriffe, bei denen Unschuldige sterben, seien deutsche Piloten direkt auf dem Weg zum Internationalen Strafgerichtshof», sagte dieser: «Die unterschiedslose Kriegsführung, wie sie die Angelsachsen praktizieren, ist ein eklatanter Verstoss gegen das Kriegsvölkerrecht. Das wissen alle Beteiligten, vor allem in der Bundeswehr, die sich damit beschäftigen. Die Weitergabe von Daten für Operationen, bei denen Zivilisten getötet werden, wäre strafrechtlich als Beihilfe zu bewerten.» (Interview mit Spiegel Online vom 7. Februar)
Dass das Völkerrecht in der Politik der Kriegsmächte wenig zählt, hatte sich schon in der Bundestagsdebatte vom 8. November 2001 über einen deutschen Kriegseinsatz in Afghanistan gezeigt, in der die damalige rot-grüne Bundesregierung entscheidende Weichen für die deutsche Kriegsbeteiligung stellte.

Konsequenzen der «uneingeschränkten Solidarität»

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte damals: «Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ‹Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bereitschaft der Bundesregierung, den Bekundungen der uneingeschränkten Solidarität mit den Vereinigten Staaten konkrete Massnahmen des Beistands folgen zu lassen. Dazu zählen politische und wirtschaftliche Unterstützung sowie die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.› Dies hat dieses Hohe Haus am 19. September dieses Jahres mit grosser Mehrheit beschlossen. Es geht jetzt darum, die Konsequenzen aus diesem Beschluss des Deutschen Bundestages zu ziehen.»
Als ob die Welt aus den Höhlen Afghanistans heraus gefährdet worden wäre.

Der Busenfreund der CIA Joseph Fischer: «Niemand führt Krieg gegen Afghanistan»

In derselben Debatte sekundierte in abgeschmackter Wortverdrehung Schröders Aussenminister Joseph Fischer. Zuerst sagte er: «Krieg ist widerwärtig. Es gibt keinen klinisch sauberen Krieg. Zum Wesen des Krieges gehört es vor allen Dingen, dass es auch unschuldige Opfer gibt. Oft werden, wie wir wissen, die Ungerechten zuletzt getroffen; es werden viele Gerechte getroffen.» Und dann sagte er sogar noch: «Niemand, meine Damen und Herren, führt Krieg gegen Afghanistan.» Aber dann: Das Land werde nur bombardiert, beschossen usw., «um Gewalt zu vermeiden».
Schon 1792 hatte der französische Jakobiner Marat formuliert: «Niemand verabscheut Blutvergiessen mehr als ich; aber um zu verhindern, dass das Blut in Strömen fliesst, dringe ich in Euch, einige Tropfen zu vergiessen.» Die Geschichtsbücher berichten, wieviel Blut danach vergossen wurde.
Nun sollen deutsche Tornados dabei helfen, «nicht nur das militärische Personal, sondern auch die afghanische Bevölkerung» zu «schützen». «Afghanistan wird sicherer durch diesen Einsatz», sagte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung nach dem Regierungsbeschluss.
In Tat und Wahrheit werden die von den Tornados gemachten Bilder für die Kriegsführung genutzt. Wofür denn sonst?

Deutsche Tornados für die «Frühjahrs offensive» – die Tet-Offensive – der Nato

In der Woche des deutschen Regierungsbeschlusses war zu lesen, dass die Isaf-Truppen in Afghanistan eine «Frühjahrsoffensive» starten wollen. Dieses Jahr leitet zum ersten Mal ein US-General die Isaf-Truppen. US-General McNeill hat Kriegserfahrungen im Irak gesammelt, und er wird in Afghanistan entsprechend weiterfahren. Geschichtsbewusste Deutsche erinnern sich schon seit längerem an den «Endsieg» der deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg. Die USA selbst werden ihre Truppen in Afghanistan in den kommenden Wochen um 3200 Soldaten aufstocken. Die Tagung der Nato-Verteidigungsminister am 8. Februar im spanischen Sevilla hat alle Nato-Staaten aufgefordert, dem «Vorbild» der USA zu folgen; denn es gibt Widerstand bei einigen europäischen Nato-Staaten. Zu den Deutschen allerdings sagte US-Verteidigungsminister Robert Gates: «Sie machen einen guten Job, und wir begrüssen ihre Zusage von 6 Tornados.»
Der Bundestagsabgeordnete Wimmer ist der Überzeugung, rein militärisch betrachtet sei ein deutscher Beitrag zur Aufklärung mittels der Tornado-Flugzeuge überhaupt nicht notwendig. Die US-Amerikaner verfügten über ausreichende Aufklärungsmittel. Und er sagt: «Hier wird ein Spiel mit gezinkten Karten getrieben. Es ist doch auffällig, dass nur wir Deutschen die Aufforderung erhalten haben, diese Flugzeuge zur Verfügung zu stellen.»

20 oder 30 oder 40 Jahre Krieg

Das heisst aber: Der Tornado-Einsatz ist vor allem ein politischer Einsatz. Er hat nicht in erster Linie etwas mit Afghanistan und der Situation dort zu tun. Es geht auch nicht um den «Sieg» – sonst würden die US-Truppen in Pakistan nicht tatenlos zusehen, wie unter ihren Augen Taliban rekrutiert werden.
Es geht um die Salamitaktik, Deutschland Schritt für Schritt mehr in den Weltkrieg hineinzuziehen. In einen Krieg gegen alles Recht, für den der amerikanische Vizepräsident Dick Cheney in einem Interview mit dem US-Sender Fox-News vom 14. Januar 20 oder 30 oder 40 Jahre veranschlagt hat (vgl. Zeit-Fragen, Nr. 5 vom 5. Februar). Das sind nicht nur Worte. Der Militärhaushalt der USA soll im kommenden Jahr um 11 Prozent auf Ausgaben in Höhe von 481 Milliarden Dollar steigen. Für dieses Jahr hat der US-Präsident 100 Milliarden Dollar allein für die Kriege im Irak und in Afghanistan gefordert. Im kommenden Jahr sollen es 145 Milliarden Dollar sein. Je nach Kriegsverlauf, so Regierungsvertreter, könnten die Kosten auch deutlich höher liegen. (Bei den Krankenversicherungen, insbesondere für Rentner und Behinderte, sollen indes 66 Milliarden Dollar gestrichen werden.)

Ehrenmale für Soldaten statt Mahnmale gegen den Krieg

Der Zufall will es, dass in derselben Woche, in der die Bundesregierung den Tornado-Einsatzbeschluss fasste und das US-Kommando vom Krieg für den «Sieg» in Afghanistan sprach, der deutsche Verteidigungsminister ein «Ehrenmal» für tote Bundeswehrsoldaten forderte. Woran dachte der Verteidigungsminister dabei? An die seit der Gründung der Bundeswehr umgekommenen deutschen Soldaten? Oder an die kommenden Toten? 20 oder 30 oder 40 Jahre sind eine sehr lange Zeit. Europa hat seine Erfahrung mit 30jährigen Kriegen. Und auch mit missbrauchten Ehrenmalen für gefallene Soldaten. «Süss und ehrenvoll» soll es einmal gewesen sein, für das Vaterland zu sterben.
Es hat in der Bundesrepublik eine Zeit gegeben, in der verantwortliche Politiker Ehren male für alle Opfer der Kriege errichten wollten. Noch gibt es die Mahnmale der beiden Weltkriege. Aber wer redet heute noch davon?
Zwei unabhängig voneinander durchgeführte aktuelle Umfragen der Forschungsinstitute Emnid und Forsa sind zu dem Ergebnis gekommen, dass fast 80 Prozent der deutschen Bevölkerung den Einsatz von Tornados in Afghanistan ablehnen. Wie machtbesessen und korrupt sind Parlamentarier, dass sie den Willen der Bevölkerung ignorieren? Ist nur noch die Linksfraktion solid?

Bedenken von 2001 haben sich bestätigt

Am 11. November 2001 hatten 8 Abgeordnete der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine abweichende Meinung zur damaligen rot-grünen Regierung formuliert:
«Der Krieg in Afghanistan dient nach unserer Ansicht nicht der zielgerichteten Bekämpfung terroristischer Strukturen und trifft in besonderem Masse die Zivilbevölkerung. Eine direkte oder indirekte Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in Afghanistan lehnen wir aus folgenden Gründen ab:
• Der Krieg in Afghanistan kann das Problem des internationalen Terrorismus nicht lösen;
• er ist unverhältnismässig, da er über die richtige Verfolgung einer gefährlichen Verbrecherbande weit hinausgeht und ein ganzes Land zum Ziel eines Krieges macht;
• der Krieg verwüstet ein ohnehin nach zwanzig Kriegsjahren weitgehend zerstörtes Land weiter und verschärft so die verzweifelte humanitäre Lage an den Rand einer Katastrophe;
• das Kriegsziel sowie die militärische und politische Strategie zu seiner Erreichung sind unklar;
• der Krieg soll auch dem Sturz der Taliban dienen – ohne dass es allerdings eine realistische politische Konzeption für eine Post-Taliban-Lösung gäbe;
• er verschärft die Gefahr einer regionalen Eskalation, eröffnet zum Beispiel das Risiko, das fragile Pakistan in den Staatszerfall und Bürgerkrieg zu treiben;
• ein längeres Andauern des Krieges droht dem Kalkül der Terroristen in die Hände zu spielen, indem er einen Konflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt in Kauf nimmt und die säkularen Eliten der islamischen Welt in Gefahr bringt;
• er verschärft die Gefahr, durch die Schaffung von Märtyrern und zivilen Opfern die Terroristen politisch zu stärken und ihnen mittelfristig mehr Unterstützung zuzuführen.
Zusammengenommen: Der Krieg gegen Afghanistan ist politisch falsch, dient nicht der zielgerichteten Bekämpfung des Terrorismus, ist humanitär verantwortungslos und schafft neue politische Probleme. Es handelt sich um ein Abenteuer, an dem sich niemand, auch nicht die Bundesrepublik, beteiligen sollte. Eine Unterstützung dieses Krieges durch deutsche Soldaten ist deshalb nicht zu verantworten und muss unterbleiben.»


Deutschland muss auf den Boden des Völkerrechts zurückkehren

Diese Stellungnahme ist mehr als 5 Jahre alt. Aber sie ist auch heute noch aktuell. Welche Abgeordneten der anderen Parteien haben heute das Standvermögen, zur Wahrheit zu stehen? Bei den bevorstehenden Debatten und Entscheidungen im Deutschen Bundestag müssen sich alle Volksvertreter der Frage stellen, welche weiteren Weichen sie stellen wollen. Eine Umkehr vom verheerenden Kriegskurs ist auch jetzt noch möglich. Eine Umkehr wäre ein Segen für Deutschland und für die Welt.
Und die fast 80 Prozent der Bevölkerung, die gegen einen Einsatz deutscher Tornados in Afghanistan sind? Sie müssen sich deut licher bemerkbar machen als nur durch Umfrageergebnisse. Nur so kann und wird sich auch bei der Mehrzahl der Volksvertreter etwas verändern. Wer dafür kein Ohr hat, gehört nicht ins Parlament.

Deutsche Tornados im Dienste einer Aufrechterhaltung der Dollarherrschaft: Geht es um Afghanistan oder um den Begleitservice bei einem Atomschlag gegen den Iran?

von Eike Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachsen, Hannover

Die Golfregion kann mit Recht als «Tankstelle der Welt» bezeichnet werden.
In ihr schlummert nicht nur ein Grossteil der weltweiten Ölreserven, sie produziert zudem weltweit am meisten Öl. Ihre relativ geringe Produktions- und Konsumleistung ermöglicht einen entsprechenden Export dieses ökonomisch zentralen Rohstoffs. Das bedeutet: Wer immer die Golfregion beherrscht, kann den Angebotshahn für Öl steuern und damit entsprechende «Weltmacht» begründen.
Öl ist nicht nur lebensnotwendiger Ener gielieferant, sondern auch einer der Hauptschlüssel des Dollarsystems geworden. Mit der Ölfrage verbindet sich deshalb auch die Situation des US-Dollars und damit das Schicksal der «einzigen Weltmacht, USA» (Zbigniew Brzezinski).
Einerseits benötigen die USA den Zugang zum Öl aus der Golfregion. Ihre eigene Produktion deckt den eigenen Bedarf nicht. Bedeutender ist heute jedoch, dass die Golfregion als Hauptförderregion unerlässlich für die Monopolbildung für Öl durch die beiden Hochfinanzgruppen ist. Mit dem «Golföl» wird das Weltangebot gesteuert (Opec). Bei ungefähr abschätzbarer Nachfrage kann bei Einigkeit künstlich ein Überangebot oder eine Verknappung erzeugt werden. Derartige kurzfristige «Steuerungen» reichen aus, um die Welt an neue «Preisniveaus» zu gewöhnen. Eine Einigkeit könnte sich daraus ergeben, dass die meisten Ölproduzenten in der Golfregion als «Joint Ventures», Tochter-, Treuhand-, Partner- oder Schwestergesellschaften mit den beiden Hochfinanzgruppen eng verbunden sind.
Es liegt nahe, dass das Ölkartell wohl kein Interesse daran hat, sich neben Russ land mit einem weiteren Öllieferanten einigen zu müssen. Dies müssten sie jedoch , wenn der Iran seine Ölreserven erschliesst oder sogar mit Atomtechnik zu einem unabhängigen potentiellen «Störenfried» im Ölmarkt werden könnte.
Ähnlich wichtig wie der Rohstoff Öl selbst ist dessen Funktion als Nachfragesteuerungselement für US-Dollars im Ausland. Weil Öl nur für Dollars über die Weltmärkte zu beziehen war, schlug sich der Ölpreis auch in der Währungsnachfrage nach Dollars nieder, sorgte also für kontinuierliche Dollarnachfrage. Dies gab den Eigentümern der Ölmultis und ihrer FED (Federal Reserve) umfangreiche Möglichkeiten zur Wechselkurssteuerung. Öl wurde damit zu einem der Hauptschlüssel der Wechselkurse und zur Begründung für US-Dollar-Währungsreserven der Notenbanken.
Diesen Mechanismus fing der Irak unter Saddam Hussein an zu stören, indem er nicht mehr Dollars, sondern Euros oder Gold für Öl forderte. Selbst das nach der «ersten Befreiung» des Irak 1991 aufgelegte Programm «oil for food» wurde durch «Schwarzverkäufe» der Regierung gegen Euros unterlaufen. Derartige Regelverletzungen sind aber nach der militärischen «Befreiung des Irak» nicht mehr zu fürchten. Allerdings sind die Probleme des Dollars noch erheblicher geworden, weil statt des Irak nun grosse Mächte wie Russland, der Iran und Venezuela beständigere Alternativen zum Dollar für ihr Öl bevorzugen. Diese Staaten sind militärisch nicht so einfach vom Gegenteil zu überzeugen. Sollten die USA nicht mehr in der Lage sein, den US-Dollar als exklusive Rohstoffwährung in der Welt durchzusetzen, benötigen auch die Zentralbanken nicht mehr ausschliesslich Dollarreserven. […]
Es wundert kaum, dass die der anglo-amerikanischen Hochfinanz besonders verbundene Bundeskanzlerin Merkel eine zunehmende Unabhängigkeit Deutschlands durch Rohstoffversorgung aus Russland im Sinne der Siegermächte zu hemmen versucht. Es liegt keine andere Erklärung für die Entzweiung in den Beziehungen zu Russland näher. Auch wenn dies nicht im Sinne der Bürger ist, bekommt sie zumindest die Zustimmung der anglo-amerikanischen Medien für diesen Rückführungsversuch in die Dollarabhängigkeit.

Quelle: Wirtschaft aktuell. Hintergrund informationen über Politik, Wirtschaft und Finanzen vom 10.12.2006

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