TORNADOS NACH AFGHANISTAN?Drei Viertel der Bundesbürger sind dagegen
Horst-Eberhard Richter
Vor dem Irak-Krieg gingen am 15. Februar 2003 Millionen auf die Straße, weil sie den Krieg ablehnten. Umfragen bestätigten den Mehrheitswillen gegen den Krieg. Dass Kanzler Schröder dem Votum der Bevölkerung folgte und von den Deutschen mit seiner Wiederwahl belohnt wurde, verübelte ihm seinerzeit die Opposition, als wäre es unschicklich gewesen, dem Volk statt Bush zu folgen.
Nun ist eine ähnliche Situation entstanden. Erneut wollen die Amerikaner einen deutschen Militäreinsatz, nämlich mit Tornados und Soldaten im Süden Afghanistans. Wieder signalisiert das Volk Ablehnung. Bereits im Oktober 2006 wünschten sich fast drei Viertel eine Reduzierung militärischer Auslandseinsätze. Im November wurde es ganz klar: 72 Prozent sprachen sich laut FORSA entschieden gegen einen militärischen Beistand für die NATO in Südafghanistan aus. Alle Beteuerungen von Regierungsseite, die den geplanten Einsatz von deutschen Tornados als bloße unkriegerische Aufklärungshilfe zu relativieren suchten, überzeugten nicht. Im Gegenteil: Anfang Februar sind es nunmehr sogar 77 Prozent der Deutschen, die nicht wollen, dass unsere Regierung die NATO-Bitte um Tornado-Hilfe im afghanischen Süden erfüllt.
Aber bisher hat die Kanzlerin mit keinem Wort erkennen lassen, dass sie die eindeutige Volksmeinung ernst zu nehmen gewillt sei. Das überrascht nicht, wenn man sich daran erinnert, dass sie noch unmittelbar vor dem Irak-Krieg Stimmung für Bush mit der öffentlichen Erklärung gemacht hatte, die Saddam Hussein unterstellten, aber nirgends entdeckten verbotenen Waffen seien real vorhanden. Ohne Zweifel ist die von Merkel und Verteidigungsminister Jung fest eingeplante Tornado-Entsendung als wegweisender Schritt zur kriegerischen Einbindung Deutschlands gemeint. Condoleezza Rice hat gerade eine NATO-Offensive in dem umkämpften Gebiet angekündigt, wofür die Deutschen offensichtlich Ziele für Bomben und Raketen erkunden sollen.
Was ist es, das die Bürger und Bürgerinnen hierzulande mit einer - übrigens parteiübergreifenden - großen Mehrheit gegen die vorgesehene Preisgabe des bewährten Prinzips militärischer Zurückhaltung aufbringt? Ist es feige Drückebergerei? Ist es Egoismus, die anderen im Regen stehen zu lassen? Ist es fehlender Sinn für gebotene Solidarität? - So stellen es die Scharfmacher gern dar. Indessen sprechen gewichtige Anhaltspunkte für eine ganz andere Deutung. Nämlich für die Nachwirkung der unausgelöschten Erinnerung an den zerstörerischen militärischen Allmachtswahn der eigenen Geschichte. Es ist ein tief eingebrannter Argwohn gegen die Einbildung, mit überlegener kriegerischer Gewalt nicht nur Widerstand unterdrücken, sondern ein friedliches Zusammenleben erzwingen zu können. Der Irak-Krieg hat es doch gerade wieder bewiesen: Zerstörerische Bomben und zerstörerischer terroristischer Hass geraten immer wieder automatisch in eine sich selbst verstärkende Komplizenschaft. Nun, da diese Lehre auch in breiten Kreisen der USA erkannt wird, sieht die Mehrheit der Deutschen erst recht keinen Anlass, sich einer von außen aufgedrängten Remilitarisierung der Politik zu fügen.
Aber was ist, wenn eine Kanzlerin einem amerikanischen Präsidenten, der für seine kriegerische Kreuzzugspolitik sogar im eigenen Land keine Mehrheit mehr hinter sich hat, dennoch unbedingt zu Willen sein will? Sie wird Unruhe stiften, wenn sie die Ernsthaftigkeit der Antikriegsstimmung der Deutschen unterschätzt und die relative, von der Verfassung verordnete Ohnmacht der Basis missbraucht. Wäre die überfällige Einführung eines plebiszitären Elements in der Verfassung schon Realität - wie in der Schweiz - stünde der Entscheid des Bürgerwillens und damit die Politik gegen den Tornado-Einsatz keinen Augenblick mehr in Frage. Aber auch so sollte die Kanzlerin - angesichts einer Ablehnung des Tornado-Einsatzes unter den CDU- Anhängern von 68 Prozent - den eindeutigen Mehrheitswillen der Menschen im Lande beherzigen.
Professor Horst-Eberhard Richter ist Ehrenvorsitzender der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW).
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