Ein neuer Krieg der USA
Knut Mellenthin
Die äthiopische Regierung hat am Samstag der Union der Islamischen Gerichte (UIC), die den größten Teil Somalias kontrolliert, den Krieg erklärt. Vorausgegangen waren schon seit vergangenem Dienstag schwere Kämpfe rund um die südsomalische Provinzstadt Baidoa. Dort residiert die mit Äthiopien verbündete »Übergangsregierung« (TFG).
Sie wurde im Oktober 2004 auf einer Konferenz in Kenia gebildet und stellte eine Koalition der damals einflußreichsten Klanführer dar. Die TFG war jedoch war von Anfang an zerstritten und hat nie mehr als die Umgebung von Baidoa beherrscht. Sie wird allerdings von der UNO und von der Afrikanischen Union als legitim anerkannt.
Anfang Juni setzte sich in der Hauptstadt Mogadischu die UIC gegen eine Koalition von Kriegsherren durch, die vom US-Geheimdienst CIA finanziert und beraten worden waren. Am 20. Juni besuchte General John Abizaid, Chef des US-Kommando-Bereichs Mitte, zu dem Nordostafrika gehört, die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba. Seit diesem Zeitpunkt begann Äthiopien, Tausende Soldaten nach Somalia zu schicken. Sie wurden überwiegend in der Umgebung von Baidoa stationiert. Schon vor der offiziellen Kriegserklärung befanden sich nach niedrigen Schätzungen 10000 äthiopische Soldaten in Somalia; die UIC sprach sogar von 30000. Addis Abeba hatte jedoch bis zur Kriegserklärung behauptet, es unterhalte im Nachbarland nur einige hundert Ausbilder.
Äthiopien ist seit langem der Hauptverbündete der USA in der Region. Seit 2002 hat das von christlichen Politikern autoritär regierte Land, dessen Bevölkerung zur Hälfte moslemisch ist, im Zuge des »Kriegs gegen den Terror« verstärkt amerikanische Militärhilfe bekommen.
Die äthiopischen Truppen haben in den ersten zwei Tagen ihrer Offensive mehrere Städte rund um Baidoa eingenommen. Der Botschafter der TFG in Addis Abeba behauptete am Dienstag, die Äthiopier seien nur noch 70 Kilometer von Mogadischu entfernt und könnten die Hauptstadt binnen 48 Stunden einnehmen.
Militärtechnisch ist Äthiopien – ein Staat mit 75 Millionen Einwohnern; Somalia hat zwölf Millionen – der UIC weit überlegen. Diese besitzt weder eine Luftwaffe noch Panzer und vermutlich auch nur wenig mobile Artillerie. Die offene Aggression des bei den meisten Somalis verhaßten Nachbarlandes wird jedoch aller Voraussicht nach selbst bisherige Gegner des islamischen Fundamentalismus der UIC zu einem nationalen Verteidigungskampf zusammenführen. Die äthiopische Armee wird das Land nicht besetzt halten können.
Das weiß auch die US-Regierung, die dem Regime in Addis Abeba bei einem neuerlichen Besuch von General Abizaid am 4. Dezember vermutlich grünes Licht für die Aggression gegeben hat. Das Ziel Washingtons könnte darin bestehen, eine internationale Militärintervention zu legitimieren. Der UNO-Sicherheitsrat hat am 6. Dezember bereits – gegen den Protest der UIC – der Entsendung einer afrikanischen »Friedenstruppe« nach Somalia zugestimmt. Bisher war davon ausgegangen worden, daß es bis zu deren Bereitstellung mindestens ein halbes Jahr dauern würde. Die Verschärfung der Lage durch die offene äthiopische Aggression könnte nun den Sicherheitsrat veranlassen, das Verfahren zu beschleunigen oder selbst in die Hand zu nehmen.
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