Zeit für Widerworte

Rubrik: ARTIKEL 25 - Völkerrecht von admin am 21. Feb. 2007

von Lucas Zeise

Falsche Politik kann man nicht dadurch ändern, dass man ihr zustimmt. An diese extrem schlichte Erkenntnis muss man leider die Bundesregierung erinnern.
Sie folgt der jeweiligen Politik Washingtons, zögert dabei manchmal dem Schein nach, gibt aber dann öffentlich seufzend nach und verstrickt sich so in das Desaster US-amerikanischer Außenpolitik.

Diese zögernde Unterordnung unter die außenpolitischen Vorgaben Washingtons ist eine der ganz wenigen Konstanten deutscher Politik. Nur Gerhard Schröders Nein zum Angriff der USA auf den Irak schien eine Ausnahme von dieser Regel. Inzwischen wissen wir, dass die Ablehnung der rot-grünen Regierung weniger entschieden war als dargestellt und Deutschland sich auf vielen Ebenen am Krieg beteiligte.

Die Gelegenheit, die Gefolgschaft zu kündigen, ist günstig. Am vergangenen Freitag haben in den USA die Demokraten zum ersten Mal seit Beginn des Irakkriegs eine Resolution durchs Repräsentantenhaus gebracht, die sich gegen die Entsendung weiterer Truppen wendet. Im Senat wurde eine ähnliche Resolution nur durch einen Verfahrenstrick verhindert. Die Opposition formiert sich in den USA. Es wird damit auch für ausländische Regierungen einfacher, sich vom Kurs der Bush-Regierung explizit abzusetzen. Umgekehrt kann die offene Kritik befreundeter Staaten die längst fällige Kehrtwende in der amerikanischen Außenpolitik beschleunigen.


Kommissionsergebnisse beiseite gewischt

George W. Bush hat noch fast zwei volle Amtsjahre als Präsident vor sich. Dass er - zum Schaden der Welt - an seiner Politik keine Abstriche zu machen gedenkt, hat er bewiesen. Die wahrlich nicht revolutionären Vorschläge der von Bush selbst eingesetzten Baker-Hamilton-Kommission wurden beiseitegewischt. Statt die Truppen zu reduzieren und eine Strategie zum Verlassen des Irak zu erarbeiten, beschloss die US-Regierung, mehr Soldaten und Gerät zu schicken und eine neue Offensive zu starten. Der vorsichtigen Empfehlung der Kommission, mit dem Iran und Syrien Gespräche aufzunehmen, folgte stattdessen verstärkte Feindpropaganda gegen beide Staaten. Iranische Staatsbürger wurden im Irak von US-Truppen gekidnappt. Dem Iran wird Einmischung in irakische Angelegenheiten von dem Staat vorgeworfen, der den Irak seit 2003 militärisch besetzt hält.

Der Empfehlung der Baker-Kommission, im Palästina-Konflikt konstruktiver auf Schaffung eines palästinensischen Staates hinzuwirken, folgten Aktivitäten, die die Zwistigkeiten im Lager der Palästinenser verstärkten, sowie zuletzt Versuche, die in Mekka beschlossene Einheitsregierung zwischen Fatah und Hamas zu hintertreiben. Zum Bild gehört auch, dass die Bush-Regierung sich nicht scheut, neue Fronten zu eröffnen. Sie ermunterte die äthiopische Regierung mit Worten und Waffenlieferungen dazu, in das Nachbarland Somalia einzumarschieren und die dortige Regierung zu verjagen, deren Verbrechen darin bestand, sich als islamisch zu bezeichnen.


Mängel in Russland entwerten Putins Kritik nicht

Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, dass die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Sicherheitskonferenz in München auf breite Zustimmung stieß. Putin stellte fest, dass der Anspruch der USA auf Vorherrschaft die wichtigste Ursache ist für die Zunahme regionaler Kriege, für übermäßige Gewalt in den internationalen Beziehungen, für die Erosion der Prinzipien des Völkerrechts, für die damit steigende Unsicherheit und für die forcierte Aufrüstung mittlerer und kleinerer Staaten.

Der russische Präsident belegte das vorwiegend mit Beispielen aus dem Verhalten von USA und Nato gegenüber Russland. So wies er darauf hin, dass die Nato im Gegensatz zu früheren Versprechungen ihre Grenze von der Oder aus weit nach Osten ausgedehnt hat. Die geplanten Raketenabwehrsysteme in Tschechien und Polen sind für Russland eine Provokation, fast noch mehr aber die Ausreden der US-Regierung für das Vorhaben, das sich angeblich gegen - nicht existente - Mittelstreckenraketen des Iran oder Nordkoreas richten soll.

Welchen Grad der Zustimmung Putins Analyse allgemein findet, lässt sich selbst an den kritischen Kommentaren ablesen. Sie stellen nicht die These von Amerikas Drang nach Vorherrschaft und dessen üble Folgen infrage, sondern weisen auf viele Mängel in Russland hin. Da liegt vieles im Argen. Aber das entwertet Putins Kritik an der unipolaren Welt nicht.

Zeit wird knapp

Die unipolare Welt, den einseitig von Washington dominierten Globus, gibt es schon heute nicht wirklich. Angesichts wachsender ökonomischer Stärke Chinas und Indiens ist unwahrscheinlich, dass die Geschichte in diese Richtung läuft. Die zunehmende Aggressivität der US-Außenpolitik erklärt sich auch damit, dass den Akteuren dieser Politik und ihren neokonservativen Stichwortgebern schwant, dass die Zeit sehr knapp wird, während der die Vorherrschaft überhaupt zu erreichen ist.

Ein Krieg oder, wie die Kriegsstrategen in Washington sagen würden, ein präventiver Schlag gegen den Iran ist nicht ausgeschlossen. Um ihn vorzubereiten oder um die Stimmung zur Tolerierung eines solchen Kriegsaktes vorzubereiten, dazu dient das immer wieder gespielte Diplomatentheater über das Atomprogramm dieses Staates. Man muss kein Freund der religiösen Führung des Iran oder des den Völkermord an den Juden leugnenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sein, um festzustellen, dass der Iran das internationale Recht auf seiner Seite hat, wenn er sein Atomprogramm durchzieht. Will man das Land davon abhalten, eine eigene Atombombe zu bauen, wird man Frieden anbieten müssen.

Man darf den Iran nicht mit Krieg bedrohen, sondern muss ihm Garantien gegen Aggressionen geben. Das eröffnet ein breites Betätigungsfeld für die Bundesregierung. Sie sollte sich nicht nur wie bisher unter der Hand Zusicherungen von Washington geben lassen, es werde schon keinen Krieg geben, sie sollte aktiv Sicherheit für den Iran fordern. Kriegsgefahr geht im Nahen Osten primär von den USA aus. Der falschen Politik dieses großen Verbündeten gilt es zu widersprechen.

Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der FTD.

Quelle

Kommentar hinterlassen:

Du must angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.