«Globales Schafe Scheren»
Ein Buch wider die Zukunftskriminalität der gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik
Im folgenden drucken wir Auszüge aus der Einführung und dem ersten Kapitel dieses lesenswerten Buches von Heinrich Wohlmeyer. Diese gewähren einen Einblick in seine scharfe Analyse der gegenwärtig herrschenden «Marktmacht» und ihrer historischen Entstehung. Darüber hinaus lassen sie seinen sozial engagierten Denkansatz zu einem Weg aus der Krise erkennen.
Die nachfolgenden Situationsbeschreibungen und Analysen zeigen ein scheinbar machtloses Ausgeliefert-Sein an menschen- und naturzerstörenden Entwicklungen. Wir werden von den Akteuren des Hauptstromes geschoren wie wehrlose Schafe und benehmen uns auch wie solche.
Schafe haben bekanntlich zwei hervorstechende Eigenschaften:
a) Sie schauen sich um und dann folgen sie dem Leittier bzw. der Herde.
b) Überwältigt, stellen sie im Unterschied zu anderen Tieren jede Gegenwehr ein und dulden still, was mit ihnen geschieht. Daher kommt auch der aus der Erfahrung eines Hirtenvolkes stammende Vergleich bezüglich des still duldenden Christus: «Wie ein Schaf, das vor seinem Scherer verstummt.»
Bereits vor 20 Jahren hat mir der Ökonometriker Manfred Deistler angeboten, mit ihm ein Buch zu schreiben. Ich war damals noch Generaldirektor der Österreichischen Agrarindustrie sowie der Oberösterreichischen Stärke- und Chemischen Industrie AG und trug als «atypischer Manager» die Volkstitel «Dezentraldirektor» und «Proletenmanager». Letzteres deshalb, weil ich gegen die Konzentration der Marktmacht in den Händen einiger weniger Konzerne auftrat. Mein Zukunftsmodell war die intelligente Dezentralisierung und Vernetzung. Transnationale Partnerschaften und dauerhafte Partnerschaften mit den Mitarbeitern sollten die Mergers & Acquisitions ersetzen. […]
Der befristet eingesetzte «Krisenmanager» müsste all das veranlassen, von dem man weiss, dass es im Interesse des Gemeinwohles dringend geschehen sollte, das aber aus Hauptstrom- Hörigkeit, Feigheit, Partikularinteressen, Korruptheit, Faulheit und Systemblindheit sowie wegen Nötigung von aussen anstehen gelassen wird. Dazu gehörten insbesondere die Neuregelung der sozial und ökologisch nach unten drückenden Spielregeln auf den internationalen Finanzmärkten und im Welthandel sowie die auch eingangseitige Sanierung der Budgets durch eine «strategische Steuerreform». Darauf aufbauend müsste ein angemessener internationaler Finanzausgleich nach dem Vorbild der nationalen Ausgleiche erfolgen. Auch die längerfristige Sicherung der Versorgung mit Lebensmitteln sei ein unverzichtbarer Teil einer zukunftsfähigen Gesellschaftsgestaltung, weil die Welt einer absoluten – nicht mehr nur verteilungsbedingten – Knappheit entgegen geht. Das derzeitige kurzsichtige «Wegrationalisieren» der Bauern sei im Angesicht der Welternährungsstatistiken jedenfalls «zukunftskriminell». Nur durch eine grundlegende Kurskorrektur könne eine friedensfähige Welt gesichert werden. Diese wird jedoch von den Begünstigten des gegenwärtigen Systems mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert und mittels akademischer Rechtfertigungsideologien verteidigt. […] (S. 15–17)
Das globale Geschehen – die Megatrends
Ich habe die nachstehende Zusammenstellung «Die Welt, in der wir Leben» als eine Unterlage für den EU-Gipfel im Juni 2001 in Göteborg verfasst und bei einer Vorbereitungstagung in Helsinki im Wege der Europäischen Umwelträte (EEAC) vorgetragen. Sie wurde dann auch Teil des Berichtes Nr. 38/2001 «Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in Österreich», den ich mit einigen aktuellen Anmerkungen ergänzt habe. Sie basiert neben der eigenen Wahrnehmung und den laufenden Meldungen in den Zeitungen vor allem aber auf den Jahresberichten der Welthandelorganisation (WTO) und den Publikationen der sie geistig flankierenden Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), den jährlichen Weltentwicklungsberichten (WDR) der Weltbank (WB) und den Jahresberichten (HDR – Human Development Reports) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) sowie auf den Jahresberichten und Spezialpublikationen des Worldwatch Institutes in Washington, den Zwei-Jahresberichten der deutschen Stiftung für Entwicklung und Frieden in Bonn, «Globale Trends», sowie den Jahresberichten des Faktor 10-Clubs in Carnoules (F). […]
Wenn man also an den Zeichen der Zeit nicht vorbeizusehen versucht, dann stehen sie leider auf Sturm. Eine Symptomkur jagt die andere, aber die eigentlichen Ursachen werden nicht angetastet. Ein Beispiel hierfür sind die Reaktionen über die jüngste PISA-Studie bezüglich der Qualität des Bildungswesens: Die Psychagogin Christa Meves hat uns bereits vor mehr als 25 Jahren in einem Vortrag in der Österreichischen Industriellenvereinigung klar vorausgesagt, dass mit der Zerstörung der bergenden Familiennester und dem Wegfall des Erlernens der Grundtugenden des Zusammenlebens im kleinen Kreis unsichere, ewig ungestillte, nicht konzentrations- und durchtragefähige sowie nicht stabil partnerschaftsfähige Menschen zur unerträglichen sozialen Last und zum Zusammenbruch des gegenwärtigen Gesellschaftsvertrages führen werden. Dazu kommen ökonomische Rahmenregelungen, deren notwendige Änderung auch schon in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts thematisiert wurden (zum Beispiel strategische Steuerreform), die aber aus Partikularegoismus, Feigheit, falschen Loyalitäten und Unwissenheit (sowie aus dem Syndrom von allen vieren) unangetastet blieben. Der «effizient» organisierte Wettlauf der individuellen und globalen Selbstzerstörung läuft daher ungehindert weiter.
Die Welt, in der wir leben
Jede Therapie setzt eine nüchterne Diagnose voraus. Aus diesem Grund sollen die identifizierbaren Megatrends kurzgefasst vorangestellt werden.
Globalisierung und Verselbständigung der Finanzmärkte
Der erste globalisierte Bereich und zentrale Motor der Globalisierung sind die Finanzmärkte. Die Geldwirtschaft erkämpfte eine weltweite Liberalisierung und konnte dadurch und zusammen mit der Entwicklung der Elektronik und Informatik (globale Netzwerke) die erste echte Globalisierung erreichen. Dadurch kommt es nicht nur zu erheblichen transnationalen Geldakkumulationen, sondern auch zur Ausübung von massiven Sachzwängen auf die Realwirtschaft. Durch den Zinseszins wachsen die Kapitalien laufend an, und immer grössere Kapitalmengen drängen einerseits zu immer grösseren (auf die lokalen sozialen und ökologischen Verhältnisse kaum Rücksicht nehmenden) Investitionen und andererseits auf den von der Realökonomie weitgehend abgehobenen Geldmarkt, insbesondere auf den sogenannten Derivatemarkt. Dieser Trend läuft dem Konzept der angepassten Technologie und der dezentralen, kleinräumigen Wirtschaftsgestaltung diametral entgegen und damit dem Prinzip des Einpassens und Anpassens.
Die meisten nationalen Finanzinstitute sind zu klein, um auf diesem Parkett zu reüssieren. Die Folge sind das Eingehen von Partnerschaften mit grossen «Players» oder die Übernahme durch diese. Beides bedeutet Fremdbestimmtheit durch Entscheidungsträger, denen nationale Loyalitäten sowie die lokale ökologische, soziale und ökonomische Rückkoppelung fehlen. Zusätzlich werden noch im Fall des Schlagendwerdens überfordernde Risiken aufgebürdet. Wie sehr sich die Weltwirtschaft von der Realwirtschaft abhebt, kann daraus ersehen werden, dass die Handelsvolumina etwa doppelt so gross sind wie die Werte der produzierten Güter, und die Finanztransfers wieder etwa zwölf- bis fünfzehnmal so hoch sind wie der aufgeblähte Handel. […]
Auseinanderklaffen der sozialen Schere
Die Kluft zwischen den ärmsten und reichsten Staaten hat sich, gemessen am durchschnittlichen BSP/Kopf, in den letzten drei Dezennien von 1:30 auf über 1:60 erweitert. Aber auch innerhalb der Staaten erweitert sich der Unterschied zwischen Arm und Reich laufend. Letzteres ist zum Teil auf die Dynamik der Kapitalvermehrung durch den Zinseszins und die Steuervorteile, vor allem aber auf das Nachhinken des Anteiles der Einkommen der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt zurückzuführen. Die alte Forderung des Rheinischen Kapitalismus (Ludwig Erhard 1897–1977), dass die Produktivitätsfortschritte den Masseneinkommen zugute kommen sollten, um damit breiten Wohlstand und Massenkaufkraft zu bewirken, greift nicht mehr.» […]
«Notleidend-Werden» der Budgets der Nationalstaaten und der internationalen Organisationen
Die doppelte Dynamik – nämlich, dass sich die Reichen weitgehend der Besteuerung entziehen können und die Masseneinkommen eine sinkende Tendenz aufweisen, die noch durch Arbeitslosigkeit verstärkt wird – führt zu einem zweifachen Verlust der gegenwärtigen Steuergrundlagen des Staates, weil diese weitgehend auf Personensteuern aufgebaut sind. Die dadurch unfinanzierbar werdenden nationalen Budgets führen auch zu Kürzungen der Beiträge an internationale Organisationen, so dass auch deren am Gemeinwohl orientierter Spielraum eingeengt wird.
Zunehmender Verlust der Legitimation der nationalen Politiker
Die vorstehend skizzierten Trends führen auch zu politischer Instabilität, weil die Staatsbürger in ihrer Mehrheit die lokalen Politiker für Verschlechterungen ihrer Situation verantwortlich machen, obwohl diese von den Sachzwängen der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung getrieben werden und sie in der Regel kaum mehr beeinflussen können. Die Enttäuschten neigen dazu, sich radikalen Bewegungen anzuschliessen, die grundsätzliche Änderungen versprechen. Damit zeigen sich aber Tendenzen, die an die politische Entwicklung in den dreissiger Jahren des 20. Jh. gemahnen. Es sollten neben den vorstehend logisch ineinandergreifenden bzw. einander bedingenden Megatrends noch folgende bedacht werden:
Die örtliche Hypermobilität
Die vorherrschende moderne neoliberale Ansicht, dass die Arbeitskraft beliebig beweglich sein und in ihrer Anpassungsgeschwindigkeit dem rasend beweglich gewordenen Kapital folgen müsse, führt zu Erosion und oft zu Auflösung der lokalen Solidargemeinschaften, die ein Minimum an Stabilität der Akteure und Beziehungen ermöglichen bzw. erfordern. Dies hat auch negative Auswirkungen auf den Sozialisierungsprozess der Kinder und Jugendlichen, der – wie schon erwähnt – das Einüben von sozialen Verhaltensmustern im überschaubaren Bereich voraussetzt.
Vor allem aber führt dieser unangepasste Anspruch zusammen mit der beruflichen Hypermobilität zum Verlust von Urgeborgenheiten und damit zu Angst als Pandemie (siehe unten). In der Nachkriegszeit war die diesbezügliche wirtschaftspolitische Maxime genau umgekehrt: Durch geeignete Regionalpolitik, Finanzausgleich und Zurverfügungstellung von Infrastruktur wollte man die Arbeit zu den Menschen bringen. Es war dies eine bewusste Politik der Dezentralisierung, die auch aus der Erfahrung gewachsen war, dass der Wiederaufbau nach den gewaltigen Zerstörungen und dem Zusammenbrechen der Fernversorgungen zu Ende des Zweiten Weltkrieges weitgehend nur über die selbstorganisierenden lokalen Versorgungssysteme beginnen konnte und von diesen getragen wurde.
Die berufliche Hypermobilität
Hans Zeier hat schon frühzeitig auf die dem Menschen inhärente Anpassungsgeschwindigkeit aufmerksam gemacht. Ihre Überforderung kann zu schweren psychischen Instabilitäten bis zur Flucht in virtuelle Welten (Manie) führen. Zur Überforderung der menschlichen Anpassungsgeschwindigkeit kommen noch die Angst um den Arbeitsplatz und die Nichtvorhersehbarkeit der sozialen Stellung sowie Gegebenheiten im Alter.
Die Antwort auf eine solche Angst ist oft die Flucht in die Scheingeborgenheit von Nationalismen fundamentalistischer Gruppen und Sekten. Im Extremfall kann dies zur Entwicklung parastaatlicher «Selbsthilfeorganisationen» führen. Die hohen sozialen Kosten dieser Fluchtmuster werden in der Regel nicht bedacht. […]
Überwälzen von Risiken
Das Abheben der Märkte von den lokalen ökologischen und sozialen Gegebenheiten sowie das Eingespanntsein in nicht mehr hinterfragte anonyme Strukturen führen zu einer frappanten Blindheit der Politik gegenüber steigenden Risiken. Die Auswirkungen der fossil basierten Durchsatzökonomie auf das Weltklima (Treibhauseffekt) sind so gut dokumentiert, dass radikales Reagieren erwartet werden müsste. Statt dessen beziehen sich die meisten Akteure auf die vorgegebenen Sachzwänge und bleiben bei ihren bisherigen Verhaltensmustern.
Ähnliches kann bei der Anwendung risikoreicher Techniken beobachtet werden. Die Staaten geben sich sogar dazu her, die Haftungen zu begrenzen, um so diesen Techniken zum Durchbruch zu verhelfen. Dies gilt für die Haftung bei Atomschäden, bei Schäden durch die Luft- und Schiffahrt und bei Schäden durch den Zusammenbruch von «Data-Highways», wie dem Internet.
Bei der Gentechnik wird die Förderung auf die Veränderungsforschung konzentriert und die Risikoforschung meist «eingespart». Dadurch werden Risiken ausgeblendet.
Bei einer normalen Betriebshaftpflicht würden diese Techniken vorsichtiger gestaltet und angewendet werden, Techniken mit höchst gefährlichen Haupt- und Nebenprodukten würden bei voller Haftpflicht erst gar nicht eingesetzt. Ein dramatisches Beispiel ist das Plutonium, von dem bereits 1 mg einen Menschen zu töten vermag. Global existiert bereits die rund 20 000fache Menge, die nötig wäre, um die gesamte Menschheit zu töten. Plutonium wirkt als chemisches Gift. Die Verseuchung der Wasserversorgung einer Grossstadt ist mit einer kleinen Menge von 1 oder 2 kg erzielbar. […]
Die destabilisierenden Beherrschungsstrategien der USA
Betrachtet man die letzten 200 Jahre der US-Geschichte mit der Brille der Nüchternheit, dann haben die USA nach den Unabhängigkeitskriegen nur Eroberungs- und Geldeintreibungskriege geführt. Die Eroberungskriege reichen von der Ausrottung der Indianer über die Eroberung von New Mexiko bis zur Kontrolle des Panama-Kanals. Der wohl folgenschwerste Eintreibungskrieg war der Erste Weltkrieg. Wie W. F. Engdahl in seiner Recherche, «A Century of War: Anglo-American Oil Politics and the New World Order» schlüssig darlegt, ging es im Ersten Weltkrieg bereits ums Erdöl. Die Deutschen hatten mit der Bagdad-Bahn den Zugang zu den neu entdeckten Ölfeldern von Mossul und Kirkuk und konnten ausserdem den Suezkanal umgehen. In England läuteten die Alarmglocken, als die deutschen Ingenieure die Höhen von Anatolien überwunden hatten und die mesopotamische Ebene vor ihnen lag.
Ein Krieg wurde als notwendig erachtet
Dieser wurde über Serbien und den via eines Beistandspaktes Serbien-Russland angekoppelten Mechanismus der geheimen «Tripelentente» zwischen England, Frankreich und Russland an mehreren Fronten ausgelöst. Grossbritannien hatte im Ersten Weltkrieg im Vorderen Orient eine Million (!) Elitesoldaten eingesetzt, um das Osmanische Reich dort aufzurollen und ans Öl heranzukommen. Der als Beherrschungsgebiet erfundene «Irak» wurde dann auch englisches Protektorat. Die Engländer unterschätzten allerdings die Kriegskosten und den Kriegsverlauf. Sie mussten von den USA massiv Geld borgen, sowie Waffen und Rohstoffe kaufen. Als die USA fürchteten, dass der Krieg und damit das verborgte Geld verlorengehen könnten, traten sie auch formell in den Krieg ein und entschieden diesen.
Bei den Friedensverhandlungen in Paris-Versailles sassen in Wirklichkeit die kurzsichtig agierenden Vertreter der Morgan Bank am Verhandlungstisch. Sie kalkulierten die Höhe der Reparationen und die Zahlungsbedingungen. Die Morgan Bank hatte während des Krieges das Kredit- und Liefermonopol für die Versorgung der Alliierten. Staats- und Bankinteressen verschwammen. Dies ist leider bislang so geblieben, wobei die Bankinteressen durch die massiven Erdöl- und Waffenindustrieinteressen erweitert wurden.
Diese Ausbeutungspolitik legte den Grund für den Aufstieg des Politmonsters Hitler, der zwar Arbeit und Freiheit vom Hunger, aber dafür im Zweiten Weltkrieg Tod und Zerstörung brachte. Hitler wurde sogar in seiner Krisenphase von englischen und US-Bankenkreisen unterstützt, weil man dachte, dass ein Diktator die Schulden effektiver eintreiben würde. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dank des «Kalten Krieges» ging man, Gott sei Dank, einen anderen Weg (Marshall-Plan, UNRRA, ERP). Die USA konnten hierdurch nachhaltig Freunde gewinnen.
Leider konnte sich die oben aufgezeigte, kurzsichtige US-Politik fortsetzen, weil bisher Kriegsauswirkungen im Heimatland nicht erlitten werden mussten, und daher die Bevölkerung nicht massiven Widerstand leistete.
Die Story geht daher weiter: Sowohl im Iran, als auch im Irak und in Afghanistan haben die Kurzzeitstrategen diese Länder in den antiamerikanischen und antijüdischen Fundamentalismus getrieben, wobei England als nunmehriger «Juniorpartner» immer die Hand mit im Spiel hatte.
Als Persien unter dem patriotischen Premier Dr. Mohammed Mossadegh nach dem Ende der Besetzung des Landes durch England, Russland und auch die USA, und nach der Verweigerung eines gerechten Anteiles an den Erdöleinkünften, die Erölindustrie verstaatlichte, wurde Mossadegh in einer konzertierten Aktion 1953 gestürzt und eine Diktatur des willigen Schahs Mohammed Reza Pahlewi eingeführt. Als dieser die Erwartungen nicht mehr erfüllte, wurde er zugunsten der Mullahs fallen gelassen. Die Folgen bis zur Extremradikalisierung erleben wir nunmehr.
Im Irak unterstützte man Saddam Hussein, obwohl man wusste, wie er herrschte. Man hetzte sogar den Irak und den Iran mit gezinkten Informationen gegeneinander und liess am Persischen Golf in einem achtjährigen Krieg mehr als eine Million Menschen verbluten. Das Kalkül schien aufzugehen: Die beiden Ölländer schwächten einander, brauchten Waffen und mussten Öl liefern, um bezahlen zu können. Schliesslich hielt sich aber Saddam Hussein analog zu Hitler nicht mehr an die Spielregeln und wurde zum «Erzfeind». Die Strategie des Mehrfachverdienens der US-Eliten durch Zerstören, Beherrschen und sich den Wiederaufbau mit Öl bezahlen lassen, geht aber offenbar nicht auf.
In Afghanistan spielte sich ähnliches ab. Die USA unterstützten und schulten die Talibans gegen die Russen und erwarteten einen geschützten Pipelinebau zulasten Russlands. Die Talibans entglitten ihnen aber ebenfalls und sind nun gleichfalls «Erzfeind».
Man fragt sich, wieso eine Nation sich derart in einseitige Wirtschaftsinteressen verstricken kann, dass sie wie der Vogel auf der Leimrute an ihren Öl- und Waffeninteressen klebt. [...]
Wie perfekt ausgeformt die Beherrschungsstrategie der USA ist, versucht die [oben]stehende Grafik zusammenzufassen.
Solange der Dollar Weltleitwährung ist, verwendet und gehortet wird, kann die Geldmenge praktisch beliebig ausgedehnt werden. Dadurch kann «auf Luft» eingekauft und krieggeführt werden. Die diesbezügliche tägliche Menge der Geldschaffung wird auf 1,3 Mrd. Dollar pro Tag geschätzt. Das gesamte umlaufende US-Defizit dürfte bereits mehr als 3000 Mrd. Dollar betragen.
Zur Beherrschungsstrategie sei noch hinzugefügt, dass es geradezu ungeheuerlich ist, wie unverfroren man auf dem Gebiet des Privat- und Völkerrechtes vorgeht. Im Privatrecht masst man sich universelle Jurisdiktion an. US-Gerichte ziehen ohne zwischenstaatliche Rechtsgrundlage alles an sich und entscheiden im Interesse ihrer Klientel. Die geballte Staatsmacht exekutiert dies mit wirtschaftlichen und militärischen Sanktionen, wobei in der Regel die Drohung genügt, um die Gegner in die Knie zu zwingen. Der Mangel an zwischenstaatlichen Verträgen wird glatt ignoriert. Die Pax Americana ist das Recht des Stärkeren. Letzteres kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Gewinner eines Prozesses keinen Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten hat. Dadurch ist es möglich, rechtliche Nötigung zu üben, indem man jemanden ohne Grund klagt und ihm bedeutet, dass er wohl einen mehrjährigen Prozess nicht werde durchhalten können. Das Ende ist ein abgenötigter Vergleich. Als Ansporn kommt hinzu, dass die Anwälte im Unterschied zu Europa gegen Erfolgshonorar arbeiten dürfen. Da die Richter noch dazu gewählt werden, neigen sie zum Arrangement mit den Mächtigen.
ISBN 10 3-85167-183-X
Zur Person: Heinrich Wohlmeyer, geboren 1936 in Niederösterreich, Jurist und Agrarwissenschaftler, studierte in Wien, London und in den USA. Er war erfolgreich in der Industrie und der Regionalentwicklung tätig und wurde als einer der wenigen Manager mit der goldenen Arbeiterkammermedaille ausgezeichnet. Wohlmeyer war unter anderem Generaldirektor der österreichischen Agrarindustrie, Lektor an der technischen Universität Wien, Honorarprofessor für Ressourcenökonomie und Umweltmanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er gilt im Bereich von Landwirtschaft und Ökologie als einer der führenden Experten Österreichs.
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