Knast für Klartext
Von Rüdiger Göbel
Zur Person: Christian Klar 2001 im Gespräch mit dem Journalisten Günter Gaus
Foto: rbb
Die Empörung über kapitalismuskritische Äußerungen des früheren RAF-Mitglieds Christian Klar ist groß und parteiübergreifend. Zahlreiche Spitzenpolitiker lehnten am Dienstag eine Begnadigung des prominenten linken Gefangenen strikt ab – allein, sie haben darüber nicht zu befinden, das obliegt Bundespräsident Horst Köhler. Auf Bewährung entlassen werden könnte Klar sonst frühestens im Jahr 2009 – nach 26jähriger Haft.
Hintergrund der politischen Hysterie ist ein Grußwort des inhaftierten Sozialisten, das Mitte Januar auf der von junge Welt veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin verlesen wurde. Darin hatte Klar eine »Niederlage der Pläne des Kapitals« als wünschenswert bezeichnet und die EU als »imperiales Bündnis« kritisiert. Das ARD-Magazin Report Mainz hatte der von junge Welt bereits zweimal dokumentierten Erklärung am Montag abend zu bundesweiter Beachtung verholfen.
CSU-Generalsekretär Markus Söder erklärte, die Äußerungen Klars zeigten, »daß so ein Mann nie auf freien Fuß kommen darf«. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) beratschlagte Bundespräsident Köhler, dem Gnadengesuch nicht stattzugeben. Der aggressive Ton und die ideologische Verbohrtheit von Klars Grußbotschaft machten »deutlich, daß es sich um einen unverbesserlichen terroristischen Verbrecher handelt«, wetterte Beckstein in Bild. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) konstatierte, der 54jährige Klar sei zu einer deutlichen selbstkritischen Einsicht weder bereit noch fähig und verdiene daher keine Begnadigung.
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) wertete Klars Text als »Revolutionskauderwelsch«, das »wie eine verwirrte ATTAC-Stimme« klinge. Entscheidend für die Begnadigung sei aber die Frage, ob Klar weiter für den bewaffneten Kampf eintrete. Das lasse sich aus der Erklärung nicht schließen. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz schließlich warnte seine Politikerkollegen davor, auf die Entscheidung Köhlers Einfluß nehmen zu wollen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sorgte sich um eben diesen: «Ich möchte nicht in der Haut des Bundespräsidenten stecken.« Schließlich müsse der vor Hinterbliebenen und Opfern rechtfertigen, warum er Gnade vor Recht ergehen lassen wolle. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, betonte, Klar sei für seine Taten verurteilt worden, nicht für seine »altverstaubten« Positionen. Die Innenexpertin der Linksfraktion, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, sprach sich ähnlich wertend für eine Begnadigung aus: »Christian Klar sollte die Möglichkeit bekommen, sich seine Weltanschauung wieder durch Anschauung der Welt zu bilden.«
In der JVA Bruchsal, wo Klar einsitzt, fand am Dienstag eine sogenannte Vollzugsplankonferenz statt. Dabei erörterten Gefängnisdirektor und -bedienstete einen Plan für Lockerungen im Hinblick auf den möglichen Entlassungstermin nach Verbüßung der Mindesthaftzeit im Januar 2009. Dies sei gesetzlich vorgeschrieben, erklärte der stellvertretender Anstaltsleiter Klaus Dagenbach gegenüber junge Welt. Die »eigentlich harmlose politische Äußerung« Klars spiele hierbei keine Rolle. Wenn das Konzept steht, wird es an das Justizministerium in Stuttgart weitergegeben und dort geprüft – von Politikern.
Vor denen kriecht Klar nicht zu Kreuze. Er ist Sozialist geblieben und will als solcher aus dem Gefängnis – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Geht es nach der politischen Klasse in diesem Lande, muß Klar weiter sitzen – eben weil er Sozialist geblieben ist. Sollte sich der Bundespräsident von dem medialen Getöse und politischen Schlachtenlärm beeindrucken lassen und das Gnadengesuch ablehnen, wäre offensichtlich: Der einstige RAF-Mann sitzt als politischer Gefangener.
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