Schwarzer Freitag
Mit Rentenentscheidung, Tornadoeinsatz und EU-Gipfel erfolgten gleich drei Zuspitzungen auf einmal
Ein Kommentar von Martin Müller-Mertens
Schwarzer Freitag wäre wohl der treffende Ausdruck für die Ereignisse des 9. März 2007. In Berlin bestimmte der Bundestag eine weitere Zuspitzung der neoliberalen Verwertungslogik, die Rente mit 67, und schickte weitere deutsche Truppenverbände in den US-amerikanischen Hegemonialkrieg. In Brüssel einigten sich die EU-Staaten auf sog. Verbesserungen im Klimaschutz. Von einem Abfall am Frankfurter Wertpapiermarkt hat man derweil nichts mitbekommen: weshalb auch, die Wünsche wurden erfüllt.
Die drei Ereignisse stehen zwar in keinem unmittelbaren Zusammenhang, sind jedoch Teil ein und der selben Ideologie. Die Spaltung in die Gruppe der in Lohnarbeit Gehaltenen und jenen, denen man diesen Status verweigert, ist in der veröffentlichten Meinung allgemeine Position und in beachtlichen Teilen der Gesellschaft durchgesetzt. Nun ist der Rentner als solches an der Reihe, stigmatisiert zu werden. Nicht so sehr wegen der formalen zwei Jahre, die er ohnehin vielfach als „Kunde“ der Arbeitsagenturen verbringen wird.
In der Logik war Rente jedoch bisher Ruhestand in der letzten Lebensphase, jetzt wird sie wesentlich deutlicher zum Gnadenakt nach einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren. Anspruch auf Altersversorgung hat, wer sich entsprechend lange verwerten ließ. Das entspricht der kapitalistischen Vorstellung von Arbeitsgesellschaft und läßt Raum für weiteren Verschärfungen. Weshalb etwa sollen Jahre der Arbeitslosigkeit noch als Beitragsjahre gelten? Die Herabsetzung der Rentenbeiträge für Hartz-Betroffene im vergangenen Jahr zeigt, daß solche Überlegungen durchaus bereits existieren.
Parallel dazu wird der Krieg ausgeweitet. Auch hier sind es weniger die konkreten Tornados am afghanischen Himmel, als mehr die mitgereichte Begründung, welche das Salz in der Suppe der Neokolonialisten darstellt. Die Aktion sei kein Kriegseinsatz, weil es um den Schutz ausländischer Soldaten gehe, hieß es u.a. in der Begründung unserer Koalitionäre. Natürlich sind ausländische Soldaten in Afghanistan in Gefahr. Das ist so, wenn man ein Land überfällt und dort auf Widerstand trifft. Mit der Begründung werden jedoch Ursache und Folge vollständig vergessen und die Aggression zur Begründung für spätere Entsatzforderungen gemacht. Auch im Iran würden ausländische Soldaten in Gefahr sein, im Irak sind sie es schon.
Bleiben die Klimavorhaben. Der „qualitative Durchbruch“, wie Frau Merkel es auszudrücken beliebte. Er soll ohnehin nur geeignet sein, die Katastrophe zu verlangsamen und einige Mitgliedsstaaten haben bereits angekündigt, die getroffenen Vereinbarungen wohl nicht einzuhalten. Darin zeigt sich ihr Defizit in demokratisch-politischer Kultur. Wo diese ausgeprägt ist, werden Vereinbarungen einfach gebrochen, man redet aber nicht darüber. Wie bei Kyoto; wie wohl in absehbarer Zeit bei dem, was sich Atomausstieg nennt. Offiziell schwadroniert man von völlig unzureichenden 20 Prozent Einsparung, liefert die Begründung für den späteren Bruch – die USA und Asien – gleich mit. Begleitet wird dies von Forderungen a la Urlaubsfliegerverbot, die lediglich die Debatte in der pauschalreisefixierten Gesellschaft emotionalisieren, anstatt über Skandale wie die kostenlosen Verschmutzungszertifikate an die Konzerne zu diskutieren.
So geschehen an einem Werktag. Das Kapital kann zufrieden sein: es hat erfolgreich lobbyiert.
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