Bröckelnde Neubauten
In den USA platzt die Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt. Der Crash bedroht Banken, Börsen und die auf Pump begründete Konjunktur
Tomasz Konicz
Die Wall Street erlebt derzeit den zweiten Krisenschub in diesem Jahr. Am Dienstag brachen die Aktienkurse erneut auf breiter Front ein – am Mittwoch folgten die Börsen weltweit. Ursache: Die Spekulationsblase auf dem US-Immobilienmarkt läßt nicht nur heftig Luft ab, sondern droht sogar mit lautem Knall zu platzen. Auch unter den Schwergewichten des US-Finanzkapitals gibt es erste Opfer. Mit New Century Financial wurde am Dienstag vergangener Woche der zweitgrößte Hypothekenanbieter im sogenannten Subprime-Bereich vom Handel an der New Yorker Börse ausgeschlossen. Seit Jahresbeginn war dessen Kurs um 95 Prozent eingebrochen.
Phantasiepreise
New Century hatte sich auf die Vergabe von Hypotheken an Häuslebauer mit schlechter Bonität spezialisiert. Die Bank war damit Teil jener gigantischen Konsumbeschleunigungsmaschine, die die US-Volkswirtschaft zum größten Risikofaktor des globalen kapitalistischen Reproduktionssystems macht. Das Prinzip war so einfach wie irre: Immobilien wurden landesweit zu Phantasiepreisen bewertet. Diese stiegen in der langen Boomphase achtmal schneller als die Einkommen. Auf diese »Werte« gaben Banken bereitwillig Hypothekendarlehen. Die Hausbesitzer verjubelten das Geld – nicht ohne die Kredite vorher noch umzuschulden, damit sie in den Genuß günstigerer Zinsraten kamen.
Allein das Volumen der Hypothekendarlehen ist abenteuerlich: 13 Billionen US-Dollar Schulden liegenauf den Grundstücken und Häusern der Vereinigten Staaten. Fast 90 Prozent der Immobilien sind belastet durch diese Art der Geldvermehrung auf Phantasiebasis. So belief sich das Volumen der nur aus Umschuldungen der Hypothekenkredite generierten Geldmenge seit 1999 auf unglaubliche 2,6 Billionen Dollar.
Das Ganze ist ein riesiges Schneeballsystem: Immobilienblase und Konsumentenkredite »kurbelten« die US-Wirtschaft an. »Wachstumsraten« von drei bis vier Prozent jährlich waren Standard. Das stabilisierte zwar den potentiell größten Wackelkanditaten der Weltwährungssystems, den US-Dollar, machte ihn allerdings auch abhängiger vom Verhalten derjenigen, die das US-Wirtschaftswunder mit Waren und Dienstleistungen kreditierten. Das sind vor allem China, Japan und auch Deutschland. Deren Exporte waren das Futter für den Konsummoloch Nordamerika. Unter dem Strich wurden in den USA wenig Werte geschaffen, dafür umso mehr Schulden angehäuft – ausgewiesen durch gewaltige Defizite in Handels- und Leistungsbilanz.
Doch seit September 2006 fallen die Immobilienpreise. Lawinenartig nahmen Zwangsvollstreckungen zu und ließen die Träume vieler Hausbesitzer platzen. Logischerweise platzten damit auch die »Geschäftsideen« zahlreicher Hypothekenanbieter. Immer mehr davon gerieten in finanzielle Schieflage. 32 kleinere und mittlere Banken, wie ResMae oder Fremont General sind schon pleite gegangen. Neben New Century gelten über 20 weitere Finanzdienstleister im Subprime-Sektor als vom Konkurs bedroht.
Doch mit der Krise von New Century hat sich das Einsturztempo des »Lügengebäudes« US-Wirtschaft beschleunigt (die Subprime-Kredite werden umgangssprachlich als »liar’s loan«, als »Lügendarlehen« bezeichnet). Zu den Gläubigern der Bank zählt die Creme des Finanzkapitals wie Morgan Stanley, Bank of America, Goldman Sachs und UBS. Am Dienstag meldete mit Accredited Home Lenders Holding ein weiterer Hypothekenanbieter Liquiditätsprobleme. Dessen Aktienkurs brach daraufhin um über 60 Prozent ein.
Rette sich, wer kann
Subprime-Kredite machen nach unterschiedlichen Statistiken aktuell zwischen 30 und 44 Prozent aller neuabgeschlossenen Hypothekendarlehen in den USA aus. Über 13 Prozent der Hypothekennehmer sind im Zahlungsverzug. Solange die spekulative Preissteigerung auf dem Immobilienmarkt intakt war, funktionierten diese riskante Finanzierungssystem. Doch jetzt droht das Szenario »Rette sich, wer kann«. Goldman Sachs schätzt, daß in diesem Jahr 200000 Häuser weniger gebaut werden als 2006 – ein Rückgang um 20 Prozent. Viele private Spekulanten – als »Flipper« bezeichnete Mitglieder der US-Mittelschicht – werden ihre Immobilien nun verstärkt auf den Markt werfen, die sie in der Hoffnung auf steigende Immobilienpreise noch gehalten hatten. Nach Schätzungen des Finanzdienstleisters CreditSight könnten 500000 zusätzliche Häuser zum Verkauf stehen; auf dem Markt wartenschon über vier Millionen auf einen neuen Besitzer. Für dieses Jahr wird zudem eine Zunahme der Zwangsvollstreckungen auf 1,5 Millionen prognostiziert. »Ich will nicht allzu kompliziert klingen, aber 2007 wird beschissen werden. Alle zwölf Monate des Jahres«, so der Ausblick von Donald J. Tomitz, Vorstandsvorsitzender des größten US-Hausbauers D.R. Horton.
Die anschwellende Krise wird die Welt erschüttern, welchen Weg sie auch immer nehmen mag: China und Japan sitzen auf Billionen von Dollar, hauptsächlich in Form von US-Staatsanleihen – der Ernte ihrer Exportübeschüsse. Was werden sie tun, wenn der Greenback dramatisch abwertet? Desgleichen die Wirtschaften der »Exportweltmeister«. Die gesamte globale Überproduktion, bisher von den USA einem Schwarzen Loch gleich aufgesogen (US-Handelsbilanzdefizit: 764 Milliarden Dollar) wird wegbrechen und den »Werkbänken der Welt« in China, Japan, Indien und auch Deutschland geht der Hauptkunde verloren.
2 Kommentare zu 'Bröckelnde Neubauten'
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am 18. Jul. 2007
Die original Artikel von Tomasz Konicz findet man unter http://www.konicz.info. Gruss TK
am 18. Jul. 2007
@ Konicz
vielen Dank für den freundlichen Hinweis!!!
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