Hochhuth: ‘Filbinger war ein sadistischer Nazi’
Freiburg / Berlin - Die Trauerrede, die der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) anlässlich der Beisetzung seines früheren Amtsvorgängers Hans Filbinger (CDU) gehalten hat, ist vielerorts auf Kritik gestoßen. Rund 700 Menschen nahmen am gestrigen Mittwoch an der Trauerfeier für den ehemaligen Ministerpräsidenten teil, darunter Filbingers Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten Lothar Späth und Erwin Teufel sowie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble.
Am vorvergangenen Sonntag war Filbinger im Alter von 93 Jahren in Freiburg gestorben. Zwischen 1966 und 1978 hatte er als Regierungschef dem Lande Baden-Württembergs gedient. 1978 war Filbinger zurückgetreten, als bekannt wurde, dass er am Ende des Zweiten Weltkriegs als Marinerichter an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten beteiligt gewesen sein soll.
Ministerpräsident Oettinger verteidigte Filbinger in seiner gestrigen Trauerrede, indem er meinte, auch die Kritiker Filbingers müssten sehen, dass sich der vormalige Ministerpräsident den Zwängen des NS-Regimes habe beugen müssen. In Wahrheit sei Filbinger ein Regimegegner gewesen, es gäbe „kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte.“
Weiter meinte Oettinger: „Er hatte nicht die Entscheidungsmacht und die Entscheidungsfreiheit, die seine Kritiker ihm unterstellen.“
Beim Zentralrat der Juden stieß die Rede Oettingers auf scharfe Kritik. „Angesichts des erstarkenden Rechtsextremismus auch in der Mitte der Gesellschaft“ sei die Rede „völlig überflüssig und kontraproduktiv“ erklärte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer. Auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, kommentierte die Rede gegenüber der dpa: „Ich finde die Äußerungen grauenhaft und sie transportieren auch die falsche Botschaft, sie bemänteln die doch vorhandene Schuld eines Mannes wie Hans Filbinger.“ Weiter meinte Graumann: „Er hat es bis zum Schluss nicht eingesehen und offenbar sieht es sein Nach-Nach-Nachfolger auch nicht ein“.
Auch der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der 1978 Filbingers Vergangenheit als Marinerichter in der NS-Zeit an die Öffentlichkeit gebracht hatte, bezeichnete die Aussagen Oettingers als „unverfrorene Erfindung“. Unter Bezugnahme auf das Buch über das Schicksal des Matrosen Walter Gröger erklärte Hochhuth, Filbinger habe diesen „persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft ermordet“. Dazu habe den ehemaligen Ministerpräsidenten nichts genötigt „als die Tatsache, dass er ein sadistischer Nazi war.“
Kritik äußerte auch der baden-württembergische Grünen-Parteichef Daniel Mouratidis: „Mir ist völlig unverständlich, dass Oettinger die deutsche Geschichte verklärt, wenn er einen Helfer des NS-Regimes als Gegner der Nazis bezeichnet.“
Ferner erklärte die innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Ulla Jelpke, Filbinger habe nie dazulernen wollen. „Buchstäblich bis zuletzt“ sei er dem NS-Regime treu geblieben. „Dass einer wie Filbinger in der Bundesrepublik derart hohe Ämter besetzen konnte, ist ein Schandfleck für dieses Land“, so Jelpke. Die Teilnahme von Bundesinnenminister Schäuble an der Trauerfeier sei „völlig unangebracht“ gewesen.
5 Kommentare zu 'Hochhuth: ‘Filbinger war ein sadistischer Nazi’'
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am 14. Apr. 2007
Filbinger war sowohl Nazi als vor allem auch Karrierist. Karrierist war er aber wohl noch mehr als Nazi. Diese Eigenschaft, die eigene Ideologie immer an den zeitgeistigen Autoritäten zu orientieren, ist typisch für den deutschen Untertanengeist. Heute drückt sich dieser in einem ziemlich inhaltslosen, aber dafür schon fast zur Religion erhobenen Kampf gegen rechts aus.Wer heute Widerstand gegen die Irrungen der Zeit, nämlich Extremkapitalismus und multikulturelle Egalisierungsideologie, leisten will, kommt um die Wahl der NPD kaum herum. Die heutigen Karrieristen laufen den Verirrungen der heutigen Zeit genauso gleichgeschaltet nach wie seinerzeit Filbinger dem Nationalsozialismus.
am 14. Apr. 2007
“kommt um die Wahl der NPD kaum herum”
wow, krasse scheiße, alter! Das Argument ist schlüssig XD
am 15. Apr. 2007
Zumindest konnte ich hier im Artikel “Er war Öl im Getriebe” (SZ vom 14./15. April 2007) von Robert Probst folgende Richtigstellung lesen:
“Die Darstellung des Schriftstellers Rolf Hochhuth in der Süddeutschen Zeitung vom 13. April („Der Lügner“), Filbinger habe Gröger in britischer Gefangenschaft ermorden lassen, ist dagegen falsch. Die bekannte Aussage Hochhuths aus dem Jahr 1978 , Filbinger habe „sogar noch in britischer Gefangenschaft einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt“, bezieht sich auf den Fall Petzold. Für eine Stellungnahme war Hochhuth am Freitag nicht zu erreichen.”
am 15. Apr. 2007
@Kurbjuhn
Feuer mit Öl bekämpfen?
Bock zum Gärtner machen?
Falls du mal einen Logik-Kurs besucht hast - hohl`dir dein Geld zurück, die haben dich beschissen.
nmt
am 15. Apr. 2007
@Reber
Auf wen sich Robert Probst, von der inzwischen auch stramm neoliberalen SZ, mit dieser Aussage bezieht ist im Artikel nicht angegeben. Vermutlich auf Günther Gillessen oder Franz Neubauer.
Beide sind Stückchen, die in der selben braunen Sosse herumschwimmen wie Filbinger und Oettinger.
nmt