Kreativität als Herrschaftsideologie
Neoliberale Klassentheorie. Teil 1: Richard Florida oder die Offensive der schöpferischen Erneuerer
Eine Erfolgsstrategie des historischen Faschismus bestand in der geschickten Vereinnahmung linker Begriffe. Die konservative Idee des Ständestaats wurde von den rechten Ideologen als »revolutionär«, der mörderische Führer-Nationalismus der Nazis als »sozialistisch« verbrämt. In Zeiten des wissensbasierten High-Tech-Kapitalismus geht es den intellektuellen Kopflangern der Herrschenden weniger um die Einübung von Unterordnungsbereitschaft von Kollektiven denn um den Appell an die Eigeninitiative der Individuen. Zentrale Fahnenwörter der 68er Bewegung verklären die rücksichtslose Konkurrenzgesellschaft als beste aller möglichen Welten.
Die neoliberale Ideologie bezieht einen Großteil ihrer Ãœberzeugungskraft aus der herrschaftsgenehmen Umpolung von Begriffen und Schlagworten wie »Selbstbestimmung«, »Autonomie« oder »Spontaneität«, mit deren Hilfe antiautoritäre Linke einst die emanzipatorische Bewegung hatten beflügeln wollen. Als »Netzwerk« beschrieben, erhält das Projekt ungehemmter Ausbeutung heute eine unerwartet fortschrittliche Aura. Mit dem schillernden Begriff der »Kreativität« werben Exlinke und Grüne für die restlose Zerstörung des Sozialstaates. Einer ihrer wichtigsten Stichwortgeber ist der US-Ökonom Richard Florida, der mit seiner Theorie der »kreativen Klasse« weltweit Erfolge feiert. Sein scheinbar unaufhaltsamer Aufstieg belegt, daß auch die marxistische Klassenterminologie nicht dagegen gefeit ist, in ein neoliberales Kampf instrument verwandelt zu werden. Das Wirtschaftsmagazin Brandeins feiert in seiner aktuellen Schwerpunktnummer ›Ideenwirtschaft‹ unverfroren die permanente »kreative Zerstörung« (Brandeins, H. 5, Mai 2007, S. 60) als wichtigste Errungenschaft der restlos nach marktwirtschaftlichen Konkurrenzprinzipien strukturierten Gesellschaft und fordert in diesem asozialen Sinne »die Umkehrung aller Verhältnisse, wie wir sie kennen«. (mehr…)
Teil 2: Avantgarde des SozialraubsÂ
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