US-Regime versucht Venezuela zu destabilisieren
Was ist in Lateinamerika los?
Karl Weiss
Die offiziöse US-Organisation “Freedom Houseâ€, die bereits eine unrühmliche Rolle beim Ablösen der US-kritischen Regierungen von Serbien und der Ukraine gespielt hat, ist in Venezuela aktiv. Unter Führung von Peter Ackermann, einem Spezialisten in Destabilisierungs-Strategien, sponsort man mit Millionenbeträgen Chávez-kritische Aktivitäten und Personen. Auch die Organisation „Center for Applied Non-Violent Action and Strategies“ (Canvas), die bereits in Georgien und der Ukraine Massenaufmärsche organisiert hat, ist in Venezuela aktiv.
Ebenso werden bestimmte venezuelanische Journalisten mit fetten Studienaufenthalten in den USA zu beeinflussen versucht. Siehe im Einzelnen dazu hier http://www.venezuelanalysis.com/news.php?newsno=2309
Der Pressesprecher der US-Botschaft in Venezuela erklärte, man sei stolz auf diese Programme.
Nach Angaben der US- und venezuelanischen Journalistin Eva Golinger sehen Flugblätter, die von „Freedom House“ gesponsort wurden, extrem ähnlich aus wie solche, die in Serbien, der Ukraine und in Georgien verwendet wurden. Diese Flugblätter riefen zu einer Massendemonstration am 26. Mai 2207 auf, als die Auseinanderstzungen um den Fernsehsender RCTV zum Höhepunkt kamen.
Wie wir hier alle gemerkt haben, wurde gleichzeitig unter Führung von US-Presseagenturen eine internationale Hetzkampagne gegen die Regierung Hugo Cháves vom Zaum gebrochen, weil sie die Sendeerlaubnis des reaktionären Hetzsenders nicht verlängert hat.
Offensichtlich gibt es einen Zusammenhang mit einem deutlich verst6andlichen Aufruf eines Kommentaristen dieses Senders, den Präsidenten zu ermorden. Dies sollte offenbar die erwartete Reaktion hervorrufen, die Lizenz nicht zu verlängern, was dann „Freedom House“ und „Canvas“ mit Massendemonstrationen in eine Art von Volksaufstand verwandeln wollten, der offenbar an jenem Wochenende beginnen sollte.
Dass diese Taktik nicht aufgegangen ist, liegt wohl hauptsächlich daran, dass es in Venezuela nicht eine korrupte Regierung von ehemaligen KP-Apparatschicks abzulösen gilt, sondern die extrem populäre Regierung Hugo Chávez, die bereits in wiederholten Abstimmungen und Wahlen mit erdrückenden Mehrheiten gewonnen hat. Die Wiederwahl vor kurzem hatte fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das kann kein Präsident oder Premier in den hochgelobten westlichen Demokratien vorweisen.
Während in Georgien, Serbien und der Ukraine lediglich in der Bevölkerung bereits verhasste Politiker abgewählt werden mussten, deren üble Geschäfte und Verwicklung in Korruption Legende war, haben es bis heute noch nicht einmal die wutschnaubenden venezuelanischen Medien gewagt, Cháves auch nur einer Unregelmässigkeit ernsthaft anzuklagen. Genau gesagt, gibt es immer wieder Behauptungen, aber nicht einmal wurde eine Anklage vor Gericht gebracht.
Alle lateinamerikanischen Länder mit Ausnahme Kubas wurden und werden von einer skrupellosen und korrupten Oberschicht beherrscht, einer Oligarchie, meistens nur aus einigen zig, einigen Hundert oder bis zu tausend stinkreichen Familien bestehend, die alle wichtigen Positionen auf sich vereinigen oder mit Personen ihres Vertrauens besetzt haben. Dazu gehören die hohen Ämter der Exekutive und des Militärs ebenso wie die wesentlichen Ämter in der Justiz und auch in der Gesetzgebung. Ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel von zwei, drei oder vier Parteien, die im wesentlichen alle Ämter unter sich aufteilen, wird mit wechselnden Personen und Mehrheiten gedreht, so dass auf den ersten Blick ein scheinbar demokratisches Karussel von Machtwechseln erscheint. In Wirklichkeit haben die Wähler nie mehr als die Wahl, welches Mitglied oder welchen Vertreter der Oligarchie sie bevorzugen.
Charakteristisch an diesen Systemen ist, dass alle Massenmedien ebenfalls in den Händen der Oligarchie sind. Ebenso ist charakteristisch, dass die Mitglieder der Oligarchie in den USA studieren oder ihren MBA machen, dass sie selbst als hohe Militärs oder Personen ihres Vertrauens im US-amerikanischen Fort Benning „ausgebildet“ werden, dass man an der Fifth Avenue oder einer anderen schicken Adresse in den USA eine Zweitwohnung hat, dass man Teile seiner Zeit in den USA zubringt und auch sonst in jeder Beziehung seine enge Verbundenheit mit der einzigen Supermacht zum Ausdruck bringt.
Diese Oligarchie ist grundsätzlich eine Oligarchie von US-Gnaden. Die jeweilige US-Regierung gesteht ihnen zu, sich unvorstellbar zu bereichern und verlangt dafür die absolute Unterordnung unter die US-Interessen. Muckt einmal jemand auf oder beginnt in einem Land die Oligarchie die Kontrolle zu verlieren, lassen die US-Regierungen einen Militärputsch stattfinden und herrschen dann mit harter Hand eine Zeit per Diktatur.
Manchmal musste man auch selbst eingreifen wie in den Fällen Grenada und Panama oder musste eine längerdauernde Kampagne mit militärischen und anderen Mitteln führen, um wieder die „richtigen“ Leute an die Macht zu bringen, wie in Nikaragua.
In den letzten Jahren jedoch hat sich das Bild in Lateinamerika geändert. Es haben sich alle Anzeichen einer revolutionären Gärung eingestellt. Das heisst, es gibt noch keine revolutionären Aufstände, aber immer mehr Aktivitäten aus dem Volk heraus, die den sanften Schlaf der Oligarchie und die selbstverständliche Oberherrschaft des „grossen Bruders aus dem Norden“ zu stören drohen.
Besonders deutlich werden diese Aktivitäten in Venezuela, wo sich immer mehr Cooperativen bilden und auch Zugang zu Waffen bekommen, um sich gegen die Grossgrundbesitzer wehren zu können und in Bolivien, wo bereits zwei Präsidenten gestürzt wurden und mit der Wahl von Evo Morales zum ersten Mal ein Präsident mit Indio-Abstammung in Lateinamerika gewählt wurde. Den Minenarbeitern in Bolivien ist der Reformeifer von Morales aber noch zu wenig.
Ein anderes Beispiel sind die Bürgerinitiativen in Equador gegen die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt durch die Ölkonzerne. Auch der „Argentinazzo“ im Dezember 2001 in Argentinien war eines dieser Anzeichen. Der Präsident musste aus dem Land flüchten und es wurden Neuwahlen angesetzt. Auch in Mexiko gibt es mächtige oppositionelle Bewegungen, die sogar schon so etwas wie kleine „befreite Gebiete“ geschaffen hatten.
Doch die Reaktion ist wach geworden und hat, Land für Land, eine Gegenstrategie entwickelt. Meistens beruht sie auf sozialdemokratischen Parteien, die man aufkommen lässt oder sogar an die Macht kommen, wenn es angebracht erscheint. Dabei nennen sich diese Parteien nie sozialdemokratisch (in Brasilien hat sogar eine der reaktionären Oligarchie-Parteien den Namen „sozialdemokratisch“ okkupiert), aber die Inhalte sind es.
Wir können ja in Europa ein Lied von der Sozialdemokratie singen. Sie ist es, die bisher imer noch die Revolution verhindert hat – und dies nicht nur in Deutschland 1918.
So sind inzwischen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern sozialdemokratische Parteien mit im Detail unterschiedlicher Ausrichtung, aber generell dem bekannten Programm, an der Macht. In Brasilien mit Lula, in Argentinien mit Kirchner, in Chile mit Bachelet, in Uruguay mit Vásquez, in Nicaragua mit dem ‚geläuterten’ Ortega und in Equador mit Correa.
In Peru und Mexiko wurden durch die Oligarchie in Zusammenarbeit mit US-Agenten durch massive Wahlfälschungen noch einmal die Wahl sozialdemokratischer Kandidaten verhindert.
Diese sozialdemokratischen Politiker fahren im wesentlichen einen deutlich von den USA unabhängigeren Kurs als es die üblichen Parteien der Oligarchien getan haben. Zugleich versuchen die Oligarchien, diese Parteien und Persönlichkeiten mit viel, viel Geld und den Möglichkeiten der Korruption in ihren eigenen Dunstkreis zu ziehen, soweit sie nicht längst dort sind, wie z.B. Brasiliens Lula.
War im Jahr 2003 noch unterschriebene und feststehende Tatsache, dass ab 1. Januar 2005 eine Freihandelszone über alle amerikanischen Länder hinweg unter Führung der USA, die sogenannte ALCA in Kraft tritt und nur noch die Details des Vertrages geklärt werden mussten, so hatte sich bis zum vorhergesehenen Termin bereits alles geändert. Die neuen Präsidenten verlangten von der US-Regierung Zugeständnisse bezüglich des abgeschotteten und subventionierten US-Agrar-Marktes, was diese ablehnt und nicht im Traum daran denkt zuzugestehen.
So wurde bis heute nichts aus der ALCA und die US-Regierung versucht stattdessen mit individuellen Verträgen mit den Ländern, eins nach dem anderen, den gleichen Effekt zu erzielen: Den bevorzugten und vollen Zugang von US-Firmen zu den Märkten, billligen Arbeitskräften, Rohstoffen, privatisierten Firmen öffentlicher Dienstleistungen und zu den Börsen und Devisenmärkten ohne Restriktionen.
Demgegenüber sind die Präsidenten Boliviens und Venezuelas nicht als sozialdemokratisch zu bezeichnen, jedenfalls nicht im Sinne der heutigen Sozialdemokratie. Sie hängen der Ansicht an, wie sie etwa auch ‚Die Linke’ in Deutschland vertritt, es sei möglich, innerhalb des Kapitalismus ein humanes System zu etablieren. Chávez spricht offen vom „Sozialismus“. Allerdings kann Sozialismus eben nicht von oben erklärt werden, sondern benötigt unausweichlich die Aktion von unten, von den Arbeitern und dem Volk.
Darum ist es leicht einzusehen, warum die USA vor allem in Venezuela aktiv wird. Offenbar glaubt man, mit den gleichen Mitteln wie in Osteuropa auch in Südamerika farbige oder Obst-„Revolutionen“ inszenieren zu können. Natürlich bekommt man auch mit dem Einsatz von Dollarmillionen auch Leute zusammen, aber am Ende muss man eben doch darauf vertrauen, dass noch weit mehr zu solchen Aufmärschen zum Sturz von Regierungen kommen, als direkt mit grünen Scheinen dazu gebracht wurden.
Das aber klappt eben in Venezuela nicht so wie in Osteuropa. Zu den Demonstrationen, wie es sie jetzt wieder gab anlässlich der Nicht-Verlängerung der Lizenz des Fernsehsenders, kommt immer die gleiche Gruppe von Leuten, die schon dmals vor dem Putsch gegen Chávez 2002 die „vorbereitenden Demonstrationen“ absolviert haben und später beim sogenannten Generalstreik (der in Wirklichkeit eine General-Aussperrung war) wieder, als man glaubte, ein Plebiszit könne Chávez von der Macht bringen. Chávez drehte den Spiess um, erklärte sich mit dem Plebiszit einverstanden und gewann haushoch.
Diese Art von Demonstrationen kennt man in praktisch allen lateinamerikanischen Ländern. Es fällt dort meistens auf, wie kunstvoll geschminkt viele Damen in der Demonstration sind und mit welchen Luxuskarossen man zur Demo fährt. Es handelt sich um Mitglieder der Oligarchie selbst, um solche, die gerne in diesen feinen Kreis aufgenommen werden wollen und solche, die sich von der Hetze der Massenmedien haben beeinflussen lassen.
Das typische an solchen Demonstrationen (die Frauen tauchen dort oft mit Kochtöpfen und Kochlöffel auch und machen Krach) ist, sie finden obligatorisch vor Putschen oder Putschversuchen statt. Sei es in Brasilien 1964, sei es in in Chile 1973, oder in Argentinien 1966 und 1976, es wird jeweils mit „getürkten“ Demonstrationen, auf denen die Damen oft unerklärlich gut angezogen sind, ein scheinbarer Ruf des Volkes nach Veränderung inszeniert. Die Putschisten erklären dann später, sie hätten nur dem Willen des Volkes gehorcht.
Tatsache ist, die Demonstrationen dieser Art kommen kaum je über 10 000 Menschen hinaus. Vergleicht man z.B. die Montagsdemonstrationen in Deutschland im Jahr 2004, bei denen an einigen Montagen um die 200 000 Menschen auf der Strasse waren oder jene im letzten Jahr in Frankreich gegen die Verschlechterungen im Arbeitsrecht für Jugendliche, bei denen mehrmals über 1 Million Menschen demonstrierten, so wird einem schon klar, es handelt sich nicht um die „Stimme des Volkes“ bei jenen Demonstrationen von Reaktionären.
Typischerweise wurden damals, in den 60er- und 70er-Jahren, solche Demonstrationen als Demonstrationen „Für die Familie“ ausgegeben. Angeblich hätten die jeweiligen gewählten Regierungen die „Werte der Familie“ vergessen und die müssten wieder in den Mittelpunkt der Politik kommen.
Wenn man sich die späteren Praktiken der Militärdiktatoren ansieht, so scheint es eine besondere Ironie, wenn sie sich ausgerechnet auf „Werte der Familie“ beriefen. Hier nur ein kurzer Ausschnitt aus einem Artikel zur Folter, http://karlweiss.twoday.net/stories/3772375/
in dem auch die Praktiken der Folterschergen Pinochets dargestellt wurden, die wohl kaum mit „Werten der Famile“ in Übereinstimmung zu bringen sind:
„In Chile wurden meist ganze Familien von bekannten Oppositionellen aus den Häusern geholt und in die Folterhöhlen gebracht. Dort wurde dann nicht nur jeweils vor den Augen der anderen Familienmitglieder gefoltert, sondern auch systematisch Sex zwischen den Familienmitgliedern erzwungen, um sie zu demütigen. Der Vater musste es mit seiner Tochter treiben, wenn nicht, wurde die Tochter vor seinen Augen mit Stromstössen in der Vagina gefoltert, die Mutter mit dem Sohn, Geschwister miteinander usw.“
Nachdem der Versuch nun misslungen ist, in Venezuela wegen des Fernsehsenders einen scheinbaren Volksaufstand zu inszenieren, dürften die US-Oberen nun wieder auf die Pläne eines direkten Eingreifens zurückkommen.
In einem Artikel zu diesem Thema http://karlweiss.twoday.net/stories/3416554/ war schon erwähnt worden: Die USA haben bereits begonnen, Venezuela wegen angeblich nicht genügendem Kampf gegen den Kokain-Schmuggel ins Fadenkreuz zu nehmen. Der weitere Ablauf wurde schon versucht vorherzusagen:
„Es kann kein Zweifel bestehen, diese Anklagen werden nur die ersten einer Reihe sein. Mehr und mehr werden die Massenmedien voll sein von Berichten über die katastrophale Rolle Venezuelas im Kokain-Schmuggel. Schließlich wird nichts anderes übrig bleiben, als den UN-Sicherheitsrat anzurufen, der Venezuela unter Drohung mit Sanktionen zur Zusammenarbeit mit der friedliebenden USA im aufopfernden Kampf gegen die Drogen ermahnen wird. Gleichzeitig wird der US-Präsident bereits verlauten lassen, dass im Fall Venezuela “keine Option†vom Tisch ist, auch nicht die militärische. Nun, das Szenario braucht nicht weiter beschrieben werden, alle kennen es.“
Nun, wenn die US-Regierung, wenn sie das Thema Iran erledigt hat, eine Invasion oder Bombardierung Venezuelas planen, so werden sie sich wohl ein weiteres Mal, so wie im Irak, die Zähne daran ausbeissen. Hatte man im Irak noch einen verhassten Diktator abgelöst, so wird man in Venezuela nicht nur auf den Widerstand einer Gruppe der Bevölkerung stossen, wie im Irak die Sunniten, sondern wird wohl den erbitterten Widerstand fast der gesamten Bevölkerung gegen sich haben, so wie dies bereits in Vietnam der Fall war.
„Wer es erleben wird, wird es sehen“ sagt man hier in Brasilien.
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