Die Trivialisierung der Politik
Sabine Christiansen und Tony Blair reiten dem Sonnenuntergang entgegen
Reinhard Jellen
Letzten Sonntag ging im Fernsehen gleich zweimal eine Ära zuende: Sabine Christiansen (1) plauderte ein letztes mal auf Human-Interest-Niveau über Politik und anschließend wurde in den “Tagesthemen” die bevorstehende Ablösung des britischen Premiers Tony Blair durch seinen Schatzmeister Gordon Brown (2) verkündet. Während die ehemalige Stewardess und “Tagesthemen”-Sprecherin mit ihrer Talkshow von Anfang an Kritik und Häme einstecken musste, war Blair als Hoffnungsträger von Labour gestartet. Beide verabschieden sich mit katastrophalen Popularitätswerten: Laut einer Umfrage für den Stern werden gut achtzig Prozent der Zuschauer die naturblonde Gastgeberin nicht vermissen (3), während Tony Blair als der nach Michael Foot zweitunbeliebteste Labour-Führer (4) aus dem Amt scheidet. Beide haben jedoch Entwicklungen losgetreten, die auch auf lange Sicht nicht zu stoppen sein werden: Der fortschreitende Neoliberalisierung der Gesellschaft, die Ersetzung politischer Inhalte durch mediale Wirkung sowie die Banalisierung von Politik.
Am Sonntagabend wurde bei “Christiansen” noch einmal jene journalistische Schonkost geboten, für welche die Sendung berühmt und berüchtigt war: Zu Gast war Horst Köhler (5), aktueller Bundespräsident und ehemaliger Vorsteher des IWF, der während seiner Wirkungszeit unter anderem Argentinien mit Reformen beglückte, deren Auswirkungen dort noch heute zu spüren sind. Das neoliberale Urgestein wird angekündigt als ein Mann, “der über dem Streit der Parteien steht” und den 80 % der Deutschen sympathisch finden - wahrscheinlich weil er beim Reden blicken kann wie ein Hund, dem man eine Wurst vor die Nase hält. (mehr…)
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