Kroll Ontrack: Bundeswehrdaten unnötig und bewusst vollständig vernichtet

webwatcher.blogg


computerkurnaz.jpgGlaubt man offiziellen Stellungnahmen, dann sind gigantische und brisante Datenbestände der Bundeswehr quasi zufällig auf immer und ewig unrettbar verschwunden. Schade aber auch. Die Datenretter von Kroll Ontrack sehen das anders. Wenn wirklich alle Daten unwiederbringlich weg sind, dann ging das nur mit voller Absicht. Firmen wie Kroll haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als sich mit Dummheit, Zufällen oder Unfällen (Platte fallen gelassen, kein Backup gezogen) im IT-Bereich auseinanderzusetzen. Und zu dem aktuellen Megathema des „Datenverlusts“ bei der Bundeswehr haben die Experten ihre eigene Meinung. Die Version des banalen „technischen Defekts“, der Berichte aus vier Jahren Auslandseinsätzen – und dummerweise auch wichtige Daten zum Fall Kurnaz - unwiederbringlich vernichtet haben soll, nehmen die IT-Spezialisten nicht sonderlich ernst. Ein kompletter Datenverlust ist nur „mit einer bewussten, professionellen Datenlöschung“ oder mit „physikalischer Vernichtung der Datenträger“ zu erzielen, teilt das Unternehmen in einer Stellungnahme mit.
Weiter heißt es: „Laut offizieller Darstellung der Bundeswehr erlitt der Datensicherungsroboter nach der Archivierung der Daten einen technischen Defekt und musste Ende 2004 durch ein Austauschgerät ersetzt werden. Bei dem Versuch, die gespeicherten Daten auf das Ersatzgerät zu übertragen, stellte das Fachpersonal fest, dass ein Teil der Bandkassetten im Datensicherungsroboter nicht mehr lesbar war. Der Versuch, die Daten wieder zugänglich zu machen, sei gescheitert. Entsprechend der gültigen Vorschriften im Umgang mit Verschlusssachen wurden die nicht mehr lesbaren Kassetten am 4. Juli 2005 vernichtet.“

Durch den Einsatz einer professionellen Datenrettung wären diese Daten bei einem solchen Sachverhalt zumindest teilweise wieder herstellbar gewesen, kommentiert Peter Böhret, Vice President European Data Recovery bei Kroll Ontrack. „Defekte bei Bandspeicher-Systemen und anderen Datenträgern gehören zu den häufigen Ursachen von Datenverlust. Diese haben in der Regel jedoch keine vollständige Datenlöschung zur Folge. Bei einem gewöhnlichen technischen Defekt würden immer zumindest Datenfragmente erhalten bleiben. Gerade bei einem Speicherband hieße dies, dass nur ein Teil des Bandes zerstört wäre und der Großteil der Daten noch verfügbar gewesen wäre. Das Ende der Möglichkeiten eines Datenrettungsunternehmens ist erst dann gekommen, wenn Datenträger wirklich vernichtet werden.“

Und das ist ja – wofür gibt es denn Vorschriften und Beamte – wohl auch gründlich besorgt worden. Man glaubt es nicht. Ein kaputter Roboter und schon kommt alles auf den Müll. Mit Stempel, Siegel, Unterschrift und in dreifacher Ausfertigung für die Ablage.

„Die Daten waren sicherlich noch alle auf den Bändern“, erklärte mir Peter Böhret auf telefonische Nachfrage. „Mit so was schlagen wir uns täglich rum“, sagte er, und: „Aus unserer Sicht - vor dem Hintergrund der Informationen, die wir haben - lässt sich wirklich nicht nachvollziehen, warum die Bänder vernichtet wurden.“ Außerdem stelle sich die Frage, warum überhaupt nur eine Sicherung existiert habe. Unternehmen wie Deutsche Bank oder Daimler Chrysler hätten „mindestens zwei oder noch mehr Sicherungen von hochbrisanten Daten, meist sogar an räumlich weit voneinander entfernt liegenden Orten.“

Auch wenn man den gehörigen Schuss Eigenwerbung von Kroll abzieht, bleibt viel Bedenkenswertes an der Aussage der Datenretter. Der jüngste Fall macht mal wieder eines klar: Bei Begriffen wie „Bundestrojaner“ oder „elektronischer Gesundheitskarte“ müssen bei jedem Bürger die Alarmglocken läuten. Wer mit Daten nicht ordentlich umgehen kann oder ihren Wert nicht abschätzen kann, sollte sie besser gar nicht in die Hand bekommen. Dass irgendwann mal alles unwiederbringlich gelöscht wird, wäre dabei warscheinlich sogar noch das Beste, was uns passieren könnte.

Quelle: http://webwatcher.blogg.de/ 

Kommentar hinterlassen:

Du must angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.