Werden heimlich Konzentrationslager auf amerikanischem Boden vorbereitet?
von Prof. Marjorie Cohn, USA
Der «Military Comissions Act» von 2006, der die Behandlung von Häftlingen regelt, ist der Höhepunkt der unermüdlichen Verbreitung von Angst und Schrecken durch die Bush-Administration seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September.
Da die Vorlage blitzschnell verabschiedet wurde, hat kaum jemand bemerkt, dass sie Bush ermächtigt, nicht nur Ausländer, sondern auch US-Staatsbürger zu «ungesetzlichen feindlichen Kämpfern» zu erklären.
Bush & Co. stellten das Gesetz als robusten Weg für den Umgang mit Ausländern dar, um uns vor Terrorismus zu schützen. Weil sie bei den Kongresswahlen im November ihre Mehrheit zu verlieren fürchten, boxten die Republikaner die Vorlage mit wenig substantieller Diskussion im Kongress durch.
Jeder, der Geld für eine wohltätige Institution spendet, die auf Bushs Liste der «Terrororganisationen» erscheint, oder wer seine Stimme gegen die Politik der Regierung erhebt, könnte zum «ungesetzlichen feindlichen Kämpfer» erklärt werden und für unbestimmte Zeit ins Gefängnis wandern .. eingeschlossen amerikanische Staatsbürger.
Die Verordnung entzieht zudem den gefangenen Ausländern, die zu feindlichen Kämpfern erklärt wurden, die Rechte der «Habeas korpusakte». Die Verfassung gestattet dem Kongress nur bei einem Aufruhr oder einer Invasion die Aussetzung der «Habeaskorpusakte». Die Klausel zur Demontage der «Habeaskorpusakte» in der neuen Gesetzesvorlage ist nicht verfassungsgemäss, und der Oberste Gerichtshof wird voraussichtlich auch so urteilen, wenn er einen entsprechenden Fall zu entscheiden hat.
Obwohl es noch heimtückischer ist, tritt dieses Gesetz in die Fusstapfen anderer, unnötig repressiver Gesetzgebung. In Zeiten des Krieges und nationaler Krisen hat die Regierung Einwanderer und Dissidenten ins Visier genommen.
1798 hat der von Föderalisten geführte Kongress Kapital aus der Angst vor dem Krieg geschlagen und vier Gesetze mit dem Namen «Alien» und «Sedition Acts» durchgebracht, um die Opposition gegen die politische Agenda der Föderalistischen Partei abzuwürgen. Durch den «Naturalization Act» (Einbürgerungsgesetz) wurde die Zeit, die die Immigranten in den USA ansässig gewesen sein mussten (bevor sie die Staatsbürgerschaft bekamen und das Stimmrecht erhielten) verlängert, weil die meisten Immigranten mit den Republikanern sympathisierten.
Der «Alien Enemies Act» (Gesetz über ausländische Feinde) ermöglichte die Verhaftung, Festnahme und Deportation männlicher Bürger jeglicher fremder Nation, die sich im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten befand. Viele der 25 000 französischen Staatsbürger, die in den USA lebten, hätten ausgewiesen werden können, wenn Frankreich und Amerika gegeneinander Krieg geführt hätten, doch dieses Gesetz kam nie zur Anwendung. Die «Alien Friends Act» (Gesetz über die ausländischen Freunde) erlaubte die Deportation irgendeines verdächtigen Nichtstaatsbürgers unter dem Vorwand, er könne die Sicherheit der US-Regierung gefährden; dieses Gesetz hielt sich nur gerade zwei Jahre und niemand wurde unter diesem Gesetz deportiert.
Der «Sedition Act» ermöglichte die Bestrafung jeder Person, die irgend etwas «Falsches, Skandalöses und Bösartiges» schrieb, druckte, publizierte oder aussprach mit der Absicht, die Regierung in «Verachtung oder Verruf» zu bringen. Die Föderalisten argumentierten, dass es wichtig sei, Kritik an der Regierung in Zeiten des Krieges zu unterdrücken. Die Republikaner hielten dem entgegen, dass der «Sedition Act» dem Ersten Verfassungszusatz (First Amendment) widersprach, der sieben Jahre zuvor Bestandteil der Verfassung geworden war. Der «Sedition Act» richtete sich einzig gegen die Republikaner, um Kongressmitglieder und Zeitungsherausgeber anzugreifen, die Präsident John Adams kritisierten.
Weitere Beispiele für die Verabschiedung von Gesetzen und Massnahmen, die auf Grund der Verbreitung von Angst und Schrecken in Zeiten der Ausländerfeindlichkeit ergriffen wurden, waren der «Espionage Act» von 1917, der «Sedition Act» von 1918, die Red Scare (die Kommunistenangst) nach dem Ersten Weltkrieg, das verschärfte Internierungsgesetz für Menschen japanischer Abstammung im Zweiten Weltkrieg, und der «Alien Registration Act» von 1940 («Smith Act»).
Während der McCarthy-Ära in den 50er Jahren unternahm die Regierung weitreichende illegale Überwachungsmassnahmen, um die vermeintliche Gefahr des Kommunismus zu bekämpfen und um jeden zu bedrohen und zum Schweigen zu bringen, der einen unorthodoxen politischen Standpunkt vertrat. Viele Menschen wanderten ins Gefängnis, wurden auf schwarzen Listen geführt und verloren ihre Arbeit. Das Leben vieler wurde zerstört, als das FBI die «Hetze gegen die Roten» einleitete. Einen Monat nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat der Justizminister John Ashcroft den US-«Patriot Act» durch einen eingeschüchterten Kongress durchgeboxt. Der «Patriot Act» schuf einen Straftatbestand «Inlandsterrorismus», gerichtet gegen politische Aktivisten, die gegen die Regierungspolitik protestieren, und verlangt einen ideologischen Test für eine Einreise in die USA.
1944 hielt der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) die Internierung von japanischen und japano-amerikanischen Staatsbürgern in Korematsu vs. United States aufrecht. Richter Robert Jackson warnte in seiner abweichenden Meinung, dieses Urteil «komme einer geladenen Waffe in der Hand einer jeden Behörde gleich, die behauptet, es liege eine Notlage vor».
Dieser Tag ist mit dem «Military Comissions Act» von 2006 nun gekommen. Er schafft für den Präsidenten die Möglichkeit, Ausländer und US-Staatsbürger zusammenzutreiben, von denen er behauptet, sie hätten Terroristen materiell unterstützt. Kellog Brown & Root, eine Tochterfirma von Cheneys Halliburton, baut eine riesige Einrichtung an einem geheimen Ort auf, wo Tausende von unerwünschten Personen verwahrt werden können.
In seiner abweichenden Meinung im Urteil von 1928 in dem Fall Olmstead gegen die Vereinigten Staaten warnte Richter Louis Brandeis, «die grösste Gefahr für die Freiheit lauert im heimtückischen Angriff von übereifrigen Männern, die es zwar gut meinen, aber nichts verstehen». Dreiundsiebzig Jahre später warnt der frühere Sprecher des Weissen Hauses Ari Fleischer in einer Stellungnahme für einen übereifrigen Präsidenten die Amerikaner, «sie müssen aufpassen, was sie sagen und was sie tun.»
Es ist zu erwarten, dass Bush den 11. September weiter ausschlachten wird, um uns noch mehr unserer Rechte zu berauben. Unser verfassungsmässiges Recht auf eine abweichende Meinung ist ernsthaft in Gefahr. Benjamin Franklins vorausahnende Warnung sollte uns zu denken geben: «Diejenigen, die ein grundlegendes Freiheitsrecht für vorübergehende Sicherheit aufgeben, verdienen weder das Freiheitsrecht noch die Sicherheit.» ..
Quelle: AlterNet vom 9.10.06
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