Steinmeier und seine Komplizen
FRANKFURT AM MAIN/MÃœNCHEN/WASHINGTON/DAMASKUS
In Frankfurt am Main residiert die Leitzentrale weltweiter Akte von Menschenraub, Folter und Subversion. Die Kommandoeinheit besteht aus etwa 200 Agenten des US-Geheimdienstes CIA und war an der Entführung deutscher Staatsbürger beteiligt - mit Wissen der Berliner Behörden. Dies ist einer Buchveröffentlichung über die deutsche Auslandsspionage (BND) zu entnehmen, die heute auf den Markt kommt. Autor ist der Geheimdienstspezialist Erich Schmidt-Eenboom. Wie Schmidt-Eenboom schreibt, gehe die Haft des Hamburger Bürgers Haydar Zammar, der seit fünf Jahren in einem Foltergefängnis in Damaskus festgehalten wird, auf den Verrat persönlicher Daten an die CIA zurück.
Der Zugriff wurde offensichtlich vom BND, vom Bundeskriminalamt (BKA) und vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vorbereitet. Die Rechtfertigung für Operationen, die Zammar den Folterern zuführten, seien Teil eines “groß angelegten Täuschungsmanövers gegen die demokratische Öffentlichkeit und das Parlament”, sagt der Buchautor im Gespräch mit dieser Redaktion. “Verantwortlich ist das Bundeskanzleramt”. Zum Zeitpunkt der illegalen Machenschaften war Frank-Walter Steinmeier, der heutige deutsche Außenminister, politischer Kopf der Behörde.
Steinmeier sei in die geheimdienstlichen Operationen persönlich verwickelt und habe sie mit Notwendigkeiten der “Antiterrorstrategie” [1] begründet, schreibt Schmidt-Eenboom. Auch das Auswärtige Amt unter dem damaligen Außenminister Fischer habe voll kooperiert. Demnach kam es zu illegalen Zuträgerdiensten für eine ausländische Macht, zu Menschenraub, Strafunterdrückung und zahlreichen anderen Verbrechen.
Schutz
Eine Rekonstruktion der Verschleppung des aus Syrien stammenden und in Hamburg eingebürgerten Haydar Zammar ergibt, dass der deutsche Inlandsgeheimdienst versuchte, den Kraftfahrzeugschlosser 1997 anzuwerben. Diese Methode, einen deutschen Neubürger in Spitzelarbeiten zu involvieren, scheint bei Zammar nicht erfolgreich gewesen zu sein. Anschließend wurde der Deutsche observiert, womöglich um ihn mit Beweisen persönlicher Verfehlungen doch noch gefügig zu machen. Auch dieser Weg führte zu keinem Kooperationsergebnis. Zwar hielt sich Zammar in den 1990er Jahren kurze Zeit in Bosnien und in Afghanistan auf, wo er als als Geldbote für Insurgenten tätig gewesen sein soll, doch schienen die observierenden Behörden keinen Anlass zur Strafverfolgung zu sehen. Bis zum Beweis schuldhafter Handlungen stand Haydar Zammar unter dem Schutz seiner grundgesetzlichen Freiheiten.
Zelle 13
Ohne ihm die Verdachtsmomente zu eröffnen, die zu seiner Observierung führten und von denen er sich hätte entlasten können, lieferten deutsche Stellen Informationen über Zammar an die Hamburger CIA-Station. Damit wurde der Deutsche den Operationen einer fremden Macht ausgeliefert, die weltweit nach sogenannten Terrorverdächtigen suchte und dabei selbst zu Terrormaßnahmen griff - auch gegen Unschuldige. Weil der Hamburger Kraftfahrzeugschlosser zusätzlichen Erkenntnisgewinn für die CIA versprach, halfen nach den lokalen Verfassungsschützern auch die zentralen deutschen Geheimdienstbehörden: das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesnachrichtendienst (BND). Sie spionierten Reisedaten des Verdächtigen aus und gaben sie an FBI und CIA weiter. Auf dieser Grundlage lauerte der US-Geheimdienst dem Deutschen im Ausland auf und ließ ihn deportieren - ohne Haftbefehl, ohne Anklage. Der Bundesbürger “landete in Zelle 13 des berüchtigten Foltergefängnisses (…) Far-Filastin in Damaskus.”[2]
Dreiecksgeschäft
Spätstens zu diesem Zeitpunkt hätten sich die deutschen Konsularbehörden um Zammar kümmern müssen, wären sie ihren grundgesetzlichen Pflichten nachgekommen. Aber Haydar Zammar wurde nicht geholfen. Im Gegenteil. Bereits bis zu seiner Deportation nach Syrien blieben die deutschen Stellen tatenlos, obwohl das BKA den in Marokko vollzogenen Menschenraub (”Verhaftung”) im Dezember 2001 meldete und Gelegenheit war, bei den marokkanischen Behörden zu protestieren.[3] Nicht in Marokko, wohl aber in Syrien wurde die Bundesrepublik Deutschland wegen ihres verschleppten Staatsbürgers vorstellig - aber keineswegs, um ihn zu befreien, sondern um von der Folterhaft zu profitieren. In einem Dreiecksgeschäft mit den Folterern ließ sich Berlin die Vernehmungsprotokolle aus dem syrischen Kerker offerieren und zahlte dafür mit Gegenleistungen: Aussetzung der Strafverfolgung gegen syrische Agenten in der Bundesrepublik.
Abgemagert
Der mittelbare Erkenntnisgewinn aus den Folterprotokollen reichte den deutschen Behörden nicht aus, sie wollten Zammar persönlich verhören. Nach entsprechenden Vorbereitungen durch den Präsidenten des BKA, Kersten, der im Juli 2002 nach Damaskus reiste, folgte im November eine hochrangige Delegation aus Beamten des BND, des BKA und des deutschen Inlandsgeheimdienstes in die syrische Hauptstadt. Zammar wurde ihnen vorgeführt - jedenfalls das, was von ihm übrig war: Hatte der stämmige Kraftfahrzeugschlosser in Deutschland noch 145 Kilo gewogen, so war er nach einem Jahr in syrischer Kerkerhaft auf “etwa fünfzig Kilo” abgemagert.[4]
Kein Zusammenhang
Wie Schmidt-Eenboom darstellt, beklagte sich der Häftling im Verlauf der Befragung, dass er geschlagen worden und in einer lichtlosen Zelle eingepfercht gewesen war - für seine Landsleute aus dem deutschen Geheimdienstmilieu, die mit Auftrag der Berliner Staatsspitzen um Frank-Walter Steinmeier operierten, kein Grund zur Beunruhigung. Die Ãœbergriffe seien “in keinerlei zeitlichem oder sachlichem Zusammenhang mit der Befragung durch deutsche Stellen” zu sehen, protokollierten sie in Damaskus.[5]
Frank-Walter Steinmeier
Ähnliche Schutzbehauptungen und Ausflüchte verbreiten die Verantwortlichen in sämtlichen anderen bekannt gewordenen Fällen, die zur Deportation deutscher oder in Deutschland lebender Staatsbürger führten - nachdem der Menschenraub mit CIA und FBI offenbar eingefädelt, zumindest billigend in Kauf genommen worden war.[6] Die Beobachtungen eines BKA-Beamten, der bei Einsätzen im Libanon Zeuge illegaler Zwangsmaßnahmen gegen Beschuldigte wurde, stellen die deutschen Verantwortlichen in Abrede.[7] Nicht nur sie sind bis heute straflos ausgegangen oder in ihren Staatsämtern befördert worden - Beispiel Frank-Walter Steinmeier. Auch ihre Komplizen einer fremden Macht erfreuen sich ungehemmter Operationsfähigkeit: In der CIA-Schaltstelle Frankfurt am Main und in den bundesweiten Geheimdienstagenturen der USA.
Verkommen
Derweil sitzt der Hamburger Bürger Haydar Zammar im fünften Jahr im syrischen Far-Filastin-Gefängnis, in dem (laut amnesty international) etwa 38 Foltermethoden “vom Schlagen mit Elektrokabeln bis zu Elektroschocks” [8] angewandt werden. Die Bundesrepublik Deutschland, die sich der weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten rühmt, lässt das Leben Zammars verkommen - “nackte Machtpolitik” zugunsten “geopolitischer Ziele”, sagt Buchautor Erich Schmidt-Eenboom mit Blick auf die deutsche Außenpolitik und dessen verantwortlichen Minister: Frank-Walter Steinmeier.
Bitte lesen Sie das vollständige Interview mit Erich-Schmidt-Eenboom.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56611
Auszüge aus dem heute erscheinenden Buch “BND - Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten” veröffentlichen wir in unserer Rubrik Dokumente.
[1], [2], [3], [4], [5] Erich Schmidt-Eenboom: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, München 2007, S. 219-226
[6] s. dazu Wer ist “Sam”, der deutsche Foltergesandte?, Nach Recht und Gesetz, Sofern sie noch leben und Transatlantische Verbrechensausbeute
[7] s. dazu Täuschen und lügen, Die Folterer und Und warten noch immer
[8] Erich Schmidt-Eenboom: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, München 2007, S. 223
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