Reformvertrag EU: Achtung Hochverrat!
Von Anne-Marie Le Pourhiet, Professorin für öffentliches Recht, Frankreich
Der Entwurf des europäischen «Reformvertrags» wurde am 5. Oktober veröffentlicht. Bei der Lektüre dieses Textes wird bald verständlich, weshalb seine Verfasser auf die Ausdrücke «Minivertrag» oder «vereinfachter Vertrag» verzichtet haben, da er mit seinen 12 Protokollen und seinen 25 unterschiedlichen Erklärungen nicht weniger als 256 Seiten umfasst und man in Sachen redaktioneller Komplexität kaum Schlimmeres hätte anrichten können. In dem Masse, wie dieser Text sich in Wirklichkeit darauf beschränkt, drei Viertel der Bestimmungen des Vertrags über eine Verfassung für Europa (VVE) in anderer Form abzuschreiben, wäre es bestimmt einfacher gewesen, den ursprünglichen Text zu übernehmen und daraus einzig die nun weggelassenen staatstypischen Symbole zu streichen. Man versteht jedoch, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen wurde, denn sie hätte auf allzu schreiende Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass man sich offen über den Willen des französischen und niederländischen Volkes hinwegsetzt.
Die Verfasser haben es somit vorgezogen, einen komplizierten Text zusammenzumixen, der einerseits den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag, Vertrag von Maastricht, 1992) und andererseits den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, Vertrag von Rom, 1957) abändert, der künftig «Vertrag über das Funktionieren der Union» heissen wird. Der Betrug wird deutlich mit der Grund rechts-Charta, die nicht mehr in den Verträgen eingeschlossen ist, sondern in Artikel 6 des Textes folgendermassen erscheint: «Die Union anerkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze aus der Charta der Grundrechte vom 7. Dezember 2000 an, die denselben juristischen Wert wie die Verträge hat.» Ein Vertrag behauptet also, dass eine Charta, die nicht Teil von ihm ist, denselben juristischen Wert hat wie die Verträge, die er verändert. Man ist noch nie einem so verdrehten juristischen Vorgehen begegnet, selbst in den kürzlich erfolgten Ãœberarbeitungen der französischen Verfassung, die auf höchster normativer Ebene das Eindringen des «schlechten Rechts» (le «maldroit») in unser Land offenbarten. Das Protokoll Nr. 7, das jedoch vorsieht, dass die Charta weder dem Europäischen Gerichtshof noch der britischen und polnischen Rechtsprechung erlaubt, die Anwendung von nationalem Recht dieser zwei Länder auszuschliessen, die als unvereinbar mit jener Charta beurteilt wurden, ruft ein Herzstechen hervor. Alles verläuft so, wie wenn das «Nein» der Franzosen zwar anderen dienen würde, aber nicht ihnen. Welche Demütigung! (mehr…)
4 Kommentare zu 'Reformvertrag EU: Achtung Hochverrat!'
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am 23. Oct. 2008
[...] (Bild gefunden bei Medienecho) [...]
am 22. Feb. 2009
Nette Idee, aber offensichtlich schlampige Ausführung. Viel zu offensichtlich.
am 22. Feb. 2009
Kann mir Irgendwer sagen, wer das Bild gemalt hat? Das Bild ist toll, der Text nicht.
am 23. Feb. 2009
… das ist eine Gemeinschaftsarbeit
der Stuttgarter Künstler
Sasa Zivkovic
und
Peter Palec.
Grüße,
MEDIENECHO