Enteignung und Zwangsarbeit ist die konkrete Zielsetzung
Das neoliberale Reformprojekt in Deutschland: Globalisierung als Spaltpilz und sozialer Sprengsatz
Von Christoph Butterwegge
Mit dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 und dem Kollaps aller „realsozialistischen“ Wirtschaftssysteme in Ostmitteleuropa erfasste die Herrschaft des Marktes den ganzen Planeten. Marktwirtschaft war zwar immer schon auf den Weltmarkt orientiert, ihrem Expansionsdrang und dem freien Kapitalfluss hatte der Staatssozialismus aber seit der sowjetischen Oktoberrevolution 1917, zumindest aber von 1945 an Grenzen gesetzt.
Nach dessen Zusammenbruch gab es ein ideologisches Vakuum, in das neoliberale Kräfte mit Erfolg hineinstießen.
Nicht die Globalisierung selbst, wohl aber der verbreitete Irrglaube, ihre dominante Erscheinungsform – die ich als neoliberale Modernisierung bezeichne – mehre den Wohlstand aller „Wirtschaftsstandorte“ (Städte, Regionen, Nationen) und sämtlicher Bürger/innen, ist ein Mythos, welcher von den bestehenden Herrschaftsverhältnissen und dem Machtmissbrauch jener Kreise ablenkt, die davon am meisten profitieren.
Bei der neoliberalen Modernisierung handelt es sich um eine Deformation von Globalisierung und ein gesellschaftspolitisches Großprojekt, das noch mehr soziale Ungleichheit schafft und schaffen soll, als es sie aufgrund der ungerechten Verteilung von Ressourcen, Bodenschätzen, Grundeigentum, Kapital und Arbeit ohnehin gibt. Bezweckt wird die Umverteilung von Reichtum, Macht und Lebenschancen. Mittel zum Zweck bilden die Ökonomisierung (fast) aller Gesellschaftsbereiche, deren Restrukturierung nach dem Marktmodell und die Generalisierung seiner betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien und Konkurrenzmechanismen.
Armut ist kein „(un)sozialer Kollateralschaden“ dieser Form der Globalisierung, vielmehr im Gesellschaftsmodell des Neoliberalismus, der nach einem leistungsorientierten Entgelt für Arbeitnehmer/innen und einer stärkeren Lohnspreizung ruft, durchaus funktional: Sie führt den Armen vor Augen, dass sie mehr leisten (d.h. nach neoliberaler Lesart: ökonomischen Erfolg haben) müssen, und illustriert den (noch) nicht davon Betroffenen, was ihnen droht, wenn sie den Anforderungen einer Hochleistungs- und Konkurrenzökonomie nicht mehr genügen sollten.
Spaltungstendenzen als Konsequenzen der neoliberalen Modernisierung
Unter den bestehenden Herrschafts-, Macht- und Mehrheitsverhältnissen wirken Globalisierungsprozesse nicht nur als gesellschaftspolitische Spaltpilze, bergen vielmehr auch sozialen Sprengstoff in sich. Die als neoliberale Modernisierung frontal gegen das Projekt sozialer Gleichheit gerichtete Spielart der Globalisierung führt zu Ausdifferenzierungs- bzw. Polarisierungsprozessen in fast allen Bereichen von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Genannt und anschließend grob skizziert seien:
- die soziale Polarisierung zwischen Zentrum und Peripherie, d.h. Metropolen und Entwicklungsländern, wie innerhalb jeder einzelnen Gesellschaft;
- die Aufspaltung des Gemeinwesens entwickelter Industrieländer in einen Wohlfahrtsmarkt und einen Wohltätigkeitsstaat, welcher Menschen auf einem Minimalniveau versorgt, die keine Chance haben, ihre Lebensbedürfnisse und Sicherheitsinteressen als Käufer/innen auf jenem zu befriedigen;
- die Herausbildung einer Doppelstruktur der Armut („underclass“ und „working poor“);
- die Dualisierung des Prozesses transkontinentaler Wanderungen in Experten- bzw. Elitenmigration einerseits und Elendsmigration andererseits;
- die Ausdifferenzierung der Migrationspolitik in positive Anreize für Erstere sowie Restriktionen und negative Sanktionen für Letztere;
- eine Krise bzw. ein Zerfall der Städte, bedingt durch die soziale Marginalisierung und siedlungsräumliche Segregation von (ethnischen) Minderheiten;
- die Modernisierung und Fraktionierung des organisierten Rechtsextremismus durch Ausdifferenzierung des Nationalismus (in einen völkischen und einen Standortnationalismus).
Die soziale Polarisierung nimmt zu: Zerfall der (Welt-)Gesellschaft in Arm und Reich
In einer Welt, die so reich ist wie nie zuvor, verbreitet und verfestigt sich die Armut. Fast die Hälfte aller Erdenbürger/innen, ca. 2,8 Milliarden Menschen, lebten um die Jahrtausendwende von weniger als 2 US-Dollar pro Tag, und ein Fünftel, ca. 1,2 Milliarden Menschen, gar von weniger als 1 Dollar pro Tag (vgl. Weltentwicklungsbericht 2001, S. 3). Not und Elend sind schlimm, noch schlimmer ist aber, dass gleichzeitig Luxus und Überfluss wachsen.
Die globale Pauperisierung verbindet sich mit einer sozialen Polarisierung ohne Vorbild: Milliardenvermögen wie das des US-amerikanischen Computerunternehmers Bill Gates einerseits sowie Seuchen, Hungertod und Verzweiflung von Milliarden Menschen (besonders in der südlichen Hemisphäre) andererseits bestimmen das Bild einer Welt, die zunehmend zerfällt.
Eine der Konsequenzen ist die Militarisierung, Brutalisierung und Verrohung vieler Gesellschaften wie der internationalen Beziehungen, wodurch sich Putsche, Bürgerkriege und Kriege häufen, aber auch der Form nach wandeln.
Hierzulande führt das neoliberale Konzept nicht nur zur Auseinanderentwicklung von Gesellschaft und Staat (privater Reichtum – öffentliche Armut), sondern auch zur Ausdifferenzierung der Ersteren in (relativ) Arm und (ganz) Reich.
Auf der personellen Ebene heißt dies: Reiche werden immer reicher, Arme immer zahlreicher. Bei den Mittelschichten weichen die Aufstiegshoffnungen den Abstiegsängsten. Schließlich geht die Ökonomisierung bzw. Kommerzialisierung von immer mehr Lebensbereichen mit der Marginalisierung vieler Menschen einher, die sich langlebige Konsumgüter, personenbezogene Dienstleistungen und sogar Waren des täglichen Bedarfs immer weniger leisten können.
Reprivatisierung der sozialen Risiken: Spaltung des Gemeinwesens in einen Wohlfahrtsmarkt und einen Wohltätigkeitsstaat
Noch nie wurde die zwischenmenschliche Solidarität in der modernen Gesellschaft auf eine ähnlich harte Probe gestellt wie heute. „Globalisierung“ fungiert dabei als Kampfbegriff, der die Entsolidarisierung zum Programm erhebt. Maßnahmen zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen, sozialer Dienstleistungen und allgemeiner Lebensrisiken, zur Liberalisierung der (Arbeits-)Märkte, zur Deregulierung gesetzlicher Schutzbestimmungen und zur Flexibilisierung tarifvertraglich abgesicherter Beschäftigungsverhältnisse sind Schritte auf dem Weg in eine „Kapital-Gesellschaft“, die Konkurrenz und Kommerz prägen.
Die soziale Sicherheit wird (re)privatisiert und die Erwerbsarbeit prekarisiert, was zu einem Teufelskreis führt, weil sich die „besseren Risiken“ aus dem Sozialversicherungssystem zurückziehen, wodurch dieses noch unattraktiver wird und niemanden mehr richtig absichern kann. Darunter haben Personen mit einem hohen Gefährdungspotenzial und relativ niedrigen Einkommen wiederum am meisten zu leiden.
Perspektivisch wird das Gemeinwesen in einen Wohlfahrtsmarkt einerseits sowie einen Wohltätigkeits-, Almosen- und Suppenküchenstaat andererseits gesplittet. Wegbereitend wirkten die Teilprivatisierung der Altersvorsorge durch Einführung der sog. Riester-Rente, die Beschränkung der Finanzierung des Zahnersatzes und des Krankengeldes auf die Versicherten durch die Gesundheitsreform 2004 sowie die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und Abschiebung der Langzeitarbeitslosen in die Fürsorge durch Hartz IV.
Auf dem Wohlfahrtsmarkt kaufen sich jene Bürger/innen, die es sich finanziell leisten können, soziale Sicherheit (z.B. Versicherungspolicen der Assekuranz zur Altersvorsorge). Dagegen stellt der postmoderne Fürsorgestaat nur noch euphemistisch als „Grundsicherung“ bezeichnete Minimalleistungen bereit, die Menschen vor dem Verhungern und Erfrieren bewahren, sie ansonsten jedoch der Privatwohltätigkeit und karitativer Zuwendung seitens ihrer besser situierten Mitbürger/innen überantworten.
Man spricht viel vom „Fördern und Fordern“ sowie von der Notwendigkeit, „mehr Eigenverantwortung“ zu praktizieren, meint damit aber eine massive Zusatzbelastung für Arbeitnehmer/innen bzw. Rentner/innen und eine öffentliche Verantwortungslosigkeit, die mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes unvereinbar ist.
Zweiteilung der Unterprivilegierten in „arme Arbeitslose“ und „arbeitende Arme“
Es gibt keinen sozialen „Fahrstuhl-Effekt“ (Ulrich Beck), der sämtliche Gesellschaftsschichten und -klassen gemeinsam nach oben bzw. nach unten befördert, sondern einen Paternoster-Effekt: In demselben Maße, wie die einen nach oben gelangen, geht es für die anderen nach unten. Mehr denn je existiert im Zeichen der Globalisierung ein soziales Auf und Ab, das Unsicherheit und Existenzangst für eine wachsende Zahl von Menschen mit sich bringt.
Jenseits der Spaltung in Arm und Reich, die sich verschärft und zu einer Gefahr für den sozialen Frieden wird, lässt sich immer deutlicher eine weitere Trennlinie erkennen, die innerhalb der Armutspopulation selbst verläuft und sie in zwei Teilgruppen zerlegt. Durch die neoliberale Standortpolitik wirkt der Globalisierungsprozess als „soziales Scheidewasser“, das die Bevölkerung der Bundesrepublik wie die anderer Länder in Gewinner und Verlierer/innen, Letztere jedoch noch einmal in völlig Marginalisierte (Dauerarbeitslose, total Deprivierte und Langzeitarme) einerseits sowie Geringverdiener/innen (prekär Beschäftigte, von Überschuldung Bedrohte und Kurzzeitarme) andererseits spaltet. Während die Dauerarbeitslosen quasi den „sozialen Bodensatz“ im postmodernen Kapitalismus bilden, verkörpern Niedriglohnempfänger/innen, oftmals Migrant(inn)en bzw. ethnischen Minderheiten entstammend, gewissermaßen das „Treibgut“ des Globalisierungsprozesses.
Man kann nicht nur von einer Dualisierung des Arbeitsmarktes, sondern auch von einer Doppelstruktur der Armut sprechen: Einerseits sind davon (bis in den Mittelstand hinein) mehr Personen betroffen, und zwar auch solche, die früher – weil meist voll erwerbstätig – im relativen Wohlstand des „Wirtschaftswunderlandes“ lebten. Deutlich zugenommen hat die Zahl jener Haushalte, deren Einkommen trotz Lohnarbeit in Form eines oder sogar mehrerer Arbeitsverhältnisse nicht oder nur noch knapp über der relativen Armutsgrenze liegt („working poor“).
Andererseits verfestigt sich die Langzeit- bzw. Mehrfacharbeitslosigkeit älterer und/oder gering qualifizierter Personen zur Dauerarbeitslosigkeit, wodurch ansatzweise eine Schicht total Deklassierter, d.h. ganz vom Arbeitsmarkt wie auch von der gesellschaftlichen Teilhabe Ausgeschlossener („underclass“), entsteht.
Dualisierung der Zuwanderung in Eliten- und Elendsmigration
Die soziale Spaltung der Weltgesellschaft löst neue Wanderungsprozesse aus und führt zu einer Spaltung der Migration wie der Migrant(inn)en. Je mehr die sog. Dritte Welt im Globalisierungsprozess von der allgemeinen Wirtschafts- bzw. Wohlstandsentwicklung abgekoppelt wird, umso eher wächst der Migrationsdruck, welcher Menschen veranlasst, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und gezielt nach Möglichkeiten der Existenzsicherung in ferneren Weltregionen zu suchen, was wiederum verschärfend auf die Einkommensdisparitäten zwischen den und innerhalb der einzelnen Gesellschaften zurückwirkt. Gleichzeitig werden soziale Zusammenhänge labiler und die Menschen gezwungenermaßen sowohl beruflich flexibler wie auch geografisch mobiler. Sie überwinden leichter und viel schneller als in der Vergangenheit riesige Entfernungen.
Neben die Migrationsform eines intentionalen, direkten und definitiven Wohnsitzwechsels, der in aller Regel einer prekären oder Notsituation im Herkunftsland geschuldet ist (Elends- bzw. Fluchtmigration), tritt eine neue Migrationsform, bei der sich Höchstqualifizierte, wissenschaftlich-technische, ökonomische und politische Spitzenkräfte sowie künstlerische und Sportprominenz heute hier, morgen dort niederlassen, sei es, weil ihre Einsatzorte rotieren, der berufliche Aufstieg durch eine globale Präsenz erleichtert wird oder Steuervorteile zum „modernen Nomadentum“ einladen (Eliten- bzw. Expertenmigration).
Ausdifferenzierung des Migrationsregimes: Anwerbung der „besten Köpfe“ und Flüchtlingsabwehr
Mit den Wanderungsbewegungen erfährt die Zuwanderungspolitik in den westlichen Wohlfahrtsstaaten eine Ausdifferenzierung: Die Elendsmigration folgt, unterliegt jedoch auch ganz anderen Gesetzen als die Eliten- bzw. Expertenmigration.
Erstere stößt nicht nur auf offene Ablehnung in der öffentlichen Meinung, wie etwa die alarmistisch geführte Asyldebatte zu Beginn der 1990er-Jahre zeigte, sondern gilt als Existenzbedrohung für den „eigenen“ Wirtschaftsstandort.
Letztere wird zwar im Standortinteresse akzeptiert, aber je nach Konjunktur- bzw. Arbeitsmarktlage limitiert. Globalisierung macht die Grenzen also nicht durchlässiger, bietet Menschen, die als „Edelmigrant(inn)en“ bevorzugt ins Land gelassen, wenn nicht gar gelockt werden, jedoch winzige Schlupflöcher.
Während im Bereich der Flucht- wie der „illegalen“ und der „normalen“ Arbeitsmigration rigide Kontroll- und Schließungsmechanismen des einzelnen Nationalstaates greifen, der seine vom Globalisierungsprozess bedrohte Souveränität durch die Weigerung, Minderprivilegierte und Schutzsuchende aufzunehmen, wieder herstellen zu können glaubt, geschieht im Bereich der Experten- und Elitenmigration genau das Gegenteil: Der einzelne Nationalstaat verzichtet auf Kompetenzen zugunsten transnationaler Konzerne, die als Global Player ihre Personalplanung nicht von staatlichen Zuwanderungsentscheidungen abhängig machen wollen.
Wenn man so will, entsteht ein duales und selektives Migrationsregime: Die „guten“ (sprich jungen und möglichst hoch qualifizierten) Zuwanderer werden angeworben bzw. willkommen geheißen, die „schlechten“ (sprich älteren und niedrig qualifizierten) Zuwanderer systematisch abgeschreckt. „Zuckerbrot“ und „Peitsche“ dienen als Instrumente einer Migrationspolitik, die ökonomischen bzw. demografischen Interessen folgt, wiewohl die Menschenrechte in Sonntagsreden zur obersten Richtschnur des Handelns erklärt werden.
Krise der (Groß-)Stadt aufgrund sozialräumlicher Segmentierung ihrer Bewohner/innen
Der sozialen Diskriminierung und räumlichen Segmentierung von Migrant(inn)en folgt die Marginalisierung jener Stadtteile, die sie bewohnen, auf dem Fuß. Auf zwei territorialen Ebenen findet eine Polarisierung statt: zwischen den Städten und (zwischen Quartieren) innerhalb der Städte.
Stadtentwicklungsplanung, die als Standortpolitik der Kapitallogik folgt, schafft auf der einen Seite glamouröse Schaufenster des Konsums („Räume der Sieger“) und auf der anderen Seite vernachlässigte Wohnquartiere („Räume der Verlierer“), die kaum noch etwas miteinander zu tun haben. Besonders in boomenden Zentren verbindet sich der Mangel an finanziellen Ressourcen, wie ihn die Zuwanderer mit ihren meist miserabel entlohnten Arbeitsplätzen („bad jobs“) verzeichnen, mit einer prekären Situation auf dem Wohnungsmarkt. Migrant(inn)en leben überwiegend in benachteiligten Wohngebieten, die als „soziale Brennpunkte“ diskreditiert, mit einer überhöhten „Ausländerkriminalität“ assoziiert oder euphemistisch als „Stadtteile mit besonderem Entwicklungs-“ bzw. „Erneuerungsbedarf“ tituliert werden.
Ethnisierung der sozialen Konflikte, Dualisierung des Nationalismus und „Modernisierung“ des Rechtsextremismus
Die neoliberale Modernisierung stützt bzw. bestätigt scheinbar Ideologien der Ungleichheit, wie sie Nationalismus, Rassismus und Sozialdarwinismus als geistige Triebkräfte des Rechtsextremismus verkörpern.
Je mehr die ökonomische Konkurrenz im Rahmen der „Standortsicherung“ verschärft wird, umso leichter lässt sich die kulturelle Differenz zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft politisch aufladen und als Ab- bzw. Ausgrenzungskriterium instrumentalisieren. Vordergründig geht es bei der Ethnisierung um die „kulturelle Identität“; dahinter stecken aber meist Konflikte um knappe gesellschaftliche Ressourcen. Gewalt gegenüber (ethnischen) Minderheiten nimmt zu, wenn – trotz eines weiterhin wachsenden Bruttoinlandsproduktes und privaten Wohlstandes – der Eindruck vorherrscht, dass sich die Verteilungsspielräume verengen. Verteilungskämpfe werden zu Abwehrgefechten der Einheimischen gegen „Fremde“ und interkulturellen Konflikten hochstilisiert, sofern ausgrenzend-aggressive Töne in der politischen Kultur eines Landes die Oberhand gewinnen.
Seit der historischen Zäsur 1989/90 befindet sich der Nationalismus weltweit im Umbruch. Bedingt durch die Globalisierung, teilt er sich gegenwärtig fast überall in zwei Strömungen: einen völkisch-traditionalistischen, meist protektionistisch orientierten Abwehrnationalismus, der besonders in den sog. Schwellenländern überwiegt, die ihre Marktöffnung als „Globalisierungsverlierer“ mit ökonomisch-sozialen Verwerfungen bezahlen (z.B. Russland), sowie einen Standortnationalismus, der als Begleiterscheinung des Neoliberalismus gelten kann und einer ökonomisch-technologischen wie geistig-moralischen Aufrüstung bzw. Aufwertung des „eigenen“ Wirtschaftsstandortes dient, wo hoch entwickelte Industrieländer – etwa die Bundesrepublik – mit Erfolg modernisiert werden. Der zeitgenössische Nationalismus nimmt eine Doppelstruktur an, die sich innerhalb des organisierten Rechtsextremismus reproduziert.
http://www.nachdenkseiten.de/?p=1884
Literatur
- Butterwegge, Christoph: Krise und Zukunft des Sozialstaates, 3. Aufl. Wiesbaden (VS – Verlag für Sozialwissenschaften) 2006
- Butterwegge, Christoph/Hentges, Gudrun (Hrsg.): Zuwanderung im Zeichen der Globalisierung. Migrations-, Integrations- und Minderheitenpolitik, 3. Aufl. Wiesbaden (VS – Verlag für Sozialwissenschaften) 2006
- Prof. Dr. Christoph Butterwegge leitet die Abteilung für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln
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