Blickwinkelabhängig - Terrorismus à la carte

Freace

In der vergangenen Woche veröffentlichte die Europäische Polizeibehörde (Europol) die aktuelle Ausgabe ihres jährlichen "EU Terrorism Situation and Trend Report" ("Bericht über die Lage und die Entwicklung von Terrorismus in der EU", TESAT). Medien reagierten hierauf einhellig mit Schlagzeilen, die von steigenden Zahlen von Terroranschlägen sprachen. So titelte Welt Online mit "Europol: Terror bedroht Europa stärker als je zuvor", der österreichische ORF mit "Europpol: Terrorismus in der EU weitet sich aus", MSN mit "Terror bedroht Europa stärker als je zuvor", die Netzeitung mit "1000 Terrorverdächtige in EU festgenommen" und N24 mit "20 Anschlagspläne in Deutschland". Bei eingehender Betrachtung des Berichts wird allerdings nicht nur klar, daß diese Aussagen so keineswegs zutreffend sind und andererseits die Klassifizierung von Taten als "Terrorismus" weitaus mehr mit gerade örtlich vorherrschenden Interessen als mit der in der Bevölkerung sicherlich verbreiteten Vorstellung von Attentaten mit Bomben und Schnellfeuergewehren zu tun hat.
Schon die bloße Zahl der insgesamt im Jahr 2007 in den genannten Ländern Deutschland, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Spanien, Österreich und Portugal "fehlgeschlagenen, vereitelten und erfolgreich ausgeführten" Anschläge straft die so gern herbeibeschworene Gefahr "islamistischen Terrors" Lügen. Insgesamt wird die genannte Zahl in dem Bericht mit 583 angegeben. Ganze 4 davon hatten demnach einen "islamistischen" Hintergrund – 532 allerdings einen separatistischen. Ein zumindest ähnliches Bild ergibt die Zahl der Verhafteten. Von insgesamt 1.044 wurde bei 201 ein "islamistischer" und bei 548 ein separatistischer Hintergrund vermutet. Bemerkenswert ist hier auch, daß sich dieses Verhältnis eben gerade nicht in der Zahl der Verurteilten widerspiegelt. So hatten den Meldungen der einzelnen Länder zufolge 198 der insgesamt 449 Verurteilten einen "islamistischen" Hintergrund und 214 einen separatistischen. In 120 Fällen lautete das Urteil auf Freispruch. Nur 22 Prozent aller Verhafteten wurden in direktem Zusammenhang mit einem "Anschlag" verhaftet, der überwiegende Teil wegen der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung". (mehr…)

Kommentar hinterlassen:

Du must angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.