Atombomben auf den Iran

Hardliner drängen auf Irankrieg

USA-Experten gehen von Bombardierungen im kommenden Jahr aus

Von Max Böhnel, New York

Nach Recherchen des USA-Investigativjournalisten Seymour Hersh in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift »New Yorker« drängen Regierungshardliner um Vizepräsident Richard Cheney und im Pentagon weiterhin auf die Bombardierung Irans.
Dass der renommierte Journalist Hersh, der zuletzt die Folterungen in Abu Ghoreib aufgedeckt hatte, mit seinen jüngsten Enthüllungen nicht unrecht haben kann, beweist die Schärfe, mit der die Weiße-Haus-Sprecherin Dana Perino reagierte.

Der Artikel sei »ein vor Irrtümern strotzendes Stück in einer ganzen Serie von inakkuraten Artikeln«. Es handele sich um »das Werk eines Autors, der unsere Truppen in boshafter Weise herabgewürdigt hat und dessen Artikel ständig auf Lügen beruhen, um seine eigenen radikalen Ansichten zu rechtfertigen«. Über den Inhalt ließ sie sich nicht aus.
Hersh berichtete sowohl über eine geheim gehaltene CIA-Analyse, wonach es keine Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm gibt, als auch über das Drängen einer wachsenden Schar von Befürwortern eines Bombenkriegs gegen Iran. Die anonymen Quellen, die Hersh zitiert, stammen aus den oberen Washingtoner Etagen. Ihnen zufolge sei eine Schwächung Irans ein Ausweg aus dem Irak-Desaster, ein »Signal« an die Staaten der Region und ein Schuss vor den Bug iranischer Regionalmachtambitionen.
Dass Washington im kommenden Jahr den Irakkrieg auf Iran ausdehnen könnte, unterstreichen inzwischen mehrere Beobachter US-amerikanischer Denkfabriken. Der Außenpolitikexperte Joseph Cirincione vom »Center for American Progress«, das den USA-Demokraten nahesteht, ist sicher, dass führende Mitglieder der Bush-Regierung trotz Irakkrieg und Wahlniederlage der Republikaner weiter an der Option »regime change« festhalten.
Mit der Entlassung des Pentagonchefs Donald Rumsfeld hätten die Hardliner zwar einen ihrer wichtigsten Führer verloren, so Cirincione. Doch sein designierter Nachfolger Robert Gates, der in der Vergangenheit Verhandlungen mit Iran befürwortet hatte, stelle keinen Gegenpol der Kriegsbefürworter dar: »Sie verbleiben auf den höchsten Ebenen der Regierung, vom Büro des Vizepräsidenten über die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates bis .. möglicherweise .. hinauf zum Präsidenten selbst.«
Der in den Wahlen vom 7. November angeschlagene George W. Bush sei der oberste Kriegstreiber geblieben, ist sich John Pike von globalsecurity.org, einem Militär-Thinktank, sicher. »Er wird es tun, sie werden mutmaßliche Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen angreifen.«
Hersh zufolge hat »Schattenpräsident« Cheney in internen Treffen bereits darauf hinarbeitet, den beabsichtigten Irankrieg am Kongress vorbei in die Wege zu leiten. Der Kongress, dessen beide Kammern ab Januar bis zum Auslaufen von Bushs Amtszeit in zwei Jahren von den oppositionellen Demokraten dominiert werden, würde dabei »legal« übergangen werden. Das Argument wäre »präsidentielle Vollmacht«, die der Kongress dem Präsidenten mithilfe der »Antiterror«-Gesetzgebung erteilt hat. Cheney sagte laut Hersh nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse bei einer internen Diskussion über nationale Sicherheit, die Wahlen hätten keinerlei Auswirkungen auf Entscheidungen des Weißen Hauses und würden »die Administration nicht davon abhalten, in Bezug auf Iran eine militärische Lösung zu suchen«.

Quelle

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