Politisch und ethisch selbst gerichtet
Steinmeier und Schily reden - aber nur mit den Kretins von “Bild”
Tagelang bestanden Steinmeier und Co darauf, über die Leidensgeschichte des Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz nur vor dem BND-Untersuchungsausschuss Auskunft zu geben. Das gebiete der Respekt vor diesem Hochamt parlamentarischer Kontrolle. Wer das als Heuchelei betrachtete, ist jetzt eindrucksvoll bestätigt worden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Exinnenminister Otto Schily haben sich in Interviews inzwischen gerechtfertigt - und ihr Wissen bruchstückhaft preisgegeben: Steinmeier in Bild, Schily in der Bild am Sonntag. Die beiden haben sich damit ethisch und politisch selbst gerichtet.
Die Verletzung der Menschenrechte eines unschuldigen jungen Mannes relativieren zu wollen, indem man ihn bis heute dem Verdacht aussetzt, er könnte ja doch ein Terrorist gewesen sein - das allein ist widerwärtig genug. Dies ausgerechnet in Bild zu tun, einer Zeitung, die einen permanenten Angriff auf die Menschenwürde darstellt, ist darüber hinaus eine moralische Bankrotterklärung.
“Die Bundesregierung hat sich um Murat Kurnaz gekümmert - auch wenn er einen türkischen und keinen deutschen Pass besaß”, behauptete Steinmeier in seinem Bild-Interview am Freitag. Er sagte dies demselben Bild-Journalisten, der nur drei Tage zuvor den in Bremen geborenen Kurnaz zum Ausländer gestempelt und die unterschwellig rassistische Frage gestellt hatte: “Warum ist eigentlich die DEUTSCHE Regierung für diesen TÃœRKEN zuständig?” Als Belohnung für diese Rechtfertigung kaltschnäuziger Regierungsbürokratie im Fall Kurnaz durfte Bild am Sonntag ein Interview mit Schily führen. “Im Falle seiner Freilassung hätte Kurnaz als türkischer Staatsbürger ohne Schwierigkeiten in die Türkei reisen können”, gab der Exminister kühl zu Protokoll.
Ist es übertrieben, dieses Zusammenspiel von Politik und Springer für gefährlich zu halten? Ist es unfair, Steinmeier und Schily Feigheit vorzuwerfen, weil sie sich mit Kretins von Bild einlassen, anstatt sich auf einer Pressekonferenz kritischen Journalisten zu stellen? Nein, ist es nicht. Wer sich in einem moralischen Schweinestall wie Bild tummelt, darf sich nicht wundern, dass man ihm Sitte und Anstand abspricht. JENS KÖNIG
taz Nr. 8187 vom 29.1.2007, Seite 11, 48 Kommentar JENS KÖNIG
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