Klotzen statt kleckern
Verbrechensstrategien in Zeiten der “Prozeßökonomie”
Das Urteil gegen den früheren Personalvorstand der Volkswagen AG, Peter Hartz, läßt eine ganze Reihe Fragen offen, bietet andererseits aber auch eine geradezu offensichtliche Anleitung für ambitionierte angehende Wirtschaftskriminelle.Schon vor Prozeßbeginn hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung eine Absprache - einen “Deal” - ausgemacht: Hartz würde sich schuldig bekennen, im Ausgleich hierfür würden mehrere Anklagepunkte fallengelassen und er zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt werden. Und so kam es denn auch - Peter Hartz wurde zu einer zur Bewährung ausgesetzten zweijährigen Gefängnisstrafe und einer Geldstrafe von insgesamt 576.000 Euro verurteilt. Damit ist der 65-Jährige zwar vorbestraft, aber ein freier - und angesichts eines mit rund 2,7 Millionen Euro angegebenen Anlagevermögens und monatlicher Einkünfte von 25.000 Euro keinesfalls armer - Mann. Hartz hat mit seinem Geständnis die alleinige Schuld für die Zahlungen von knapp 2 Millionen Euro an den früheren VW-Betriebsratschef Klaus Volkert - eine Zahl, die von Volkert selbst geleugnet wird - und zusätzlich rund 400.000 Euro an dessen brasilianische Geliebte übernommen. Der VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piëch habe keinerlei Kenntnis von den “Sonderzahlungen” an Volkerts gehabt, so Hartz. Andererseits hat Hartz selbst ausgesagt, mit Piëch und Jens Neumann, VW-Vorstand für “Recht, Treasury, Organisation und Konzernstrategie” darüber “gesprochen” zu haben, Volkert einem “Topmanager” gleichzustellen. Es fällt allerdings schwer, sich eine solche “Gleichstellung” ohne entsprechende Zahlungen vorzustellen. Durch den ausgehandelten “Deal” ist es nun aber nicht zu einem Verfahren mit ausgiebiger Beweisaufnahme gekommen, die möglicherweise entsprechende Erkenntnisse erbracht hätte. Der Verdacht, daß sich der bereits im Ruhestand befindliche Hartz hier schützend vor seinen noch aktiven Chef geworfen hat, ist sicherlich naheliegend. Ebenso bleibt hiermit zumindest zunächst einmal im Dunkeln, für welche “Gefälligkeiten” Volkert die Zahlungen - gleichgültig, ob es nun Millionen oder “nur” Hunderttausende waren - erhielt. Zwar werden derartige Gegenleistungen von allen Seiten geleugnet, derart kostspielige “Geschenke” scheinen auf Vorstandsebene allerdings nur schwer vorstellbar. Im Rahmen des “Deals” wurde es Hartz auch “erspart”, daß Prostituierte - deren “Dienste” auch er selbst auf Firmenkosten in Anspruch genommen haben soll - vor Gericht als Zeugen geladen wurden, da die entsprechenden Vorwürfe gegen ihn fallengelassen wurden. Auch diese Aussagen hätten - neben der Peinlichkeit für Hartz selbst - das Potential gehabt, weitere Erkenntnisse über an den “Partys” auf Firmenkosten beteiligte Personen zu erbringen. Schon die Begründung der Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff für das zweifellos milde Urteil gegen Hartz, er habe sich “nicht selbst bereichert”, ist angesichts der wiederholten “Nutzung” von Prostituierten bemerkenswert. Der SPD-Rechtspolitiker Joachim Stünker ging noch weiter und sagte, aus “prozeßökonomischen Gründen” mache es Sinn, Verfahren abzukürzen. Was dies zu bedeuten hat, erklärte Dieter Hummel, Vorsitzender der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). “Richter sind mehr oder weniger auf Grund der Personalsituation gezwungen, Großverfahren auf diese Weise zu erledigen”, sagte er. Dies kann letztlich nicht nur als Bankrotterklärung einer Justiz, vor der alle gleich sind, bezeichnet werden, sondern auch als goldener Weg für Wirtschaftskriminelle. Statt möglicherweise Zurückhaltung zu üben, um womöglich nicht entdeckt zu werden, heißt es demnach vielmehr, die eigenen Verbrechen so weitläufig und einträglich wie nur irgend möglich zu gestalten. Am Ende wäre das Strafverfahren dann günstigenfalls so umfangreich, daß es zu einem “Deal” zu dessen Abkürzung zwecks Entlastung der Justiz aus “prozeßökonomischen Gründen” kommt. Der Grundsatz “nicht kleckern, sondern klotzen” scheint hier zukünftig sehr erfolgversprechend. |
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