Eine schwarze Utopie

 Nicht der Staat verursacht Krisen und Elend - der entfesselte Markt zerstört Mensch, Natur und Gesellschaft. Wer anderes behauptet, betreibt neoliberale, reaktionäre Propaganda.

Von Elmar Altvater

pollerpups.jpgGuido Hülsmanns Replik auf Jörg Huffschmid ist schnoddrig, daher erfrischend, aber gar nicht radikal und obendrein ein grandioser Unfug. Er hätte wie der Staubsauger im alten Beatles Film „The Yellow Submarine“ sich selbst aufsaugen müssen. Wenn schon kein Staat, dann bitte auch keine staatlich direkt oder indirekt finanzierte Professoren. Überhaupt sollte sich jeder „Professor“ nennen können. Und die Kinder sollten nicht auf öffentliche Schulen gehen. Öffentlicher Nahverkehr möge verschwinden und das private Automobil endlich zu seinem Recht kommen. Aber bitte auf privat finanzierten Straßen, nicht auf öffentlichen.
Die Bahn soll privat werden, und dann werden die Strecken so geführt wie zur Zeit der Kaffee-Barone im Bundesstaat Sao Paulo: kreuz und quer durch die Landschaft zu den Herrensitzen der Fazendas, aber an den Agglomerationen der Massen vorbei. Es geht ja nicht um Verkehrsbedürfnisse, sondern um profitträchtige Abschöpfung von Kaufkraft. In dieser privaten Anarchowelt werden nicht nur die Freie Universität Berlin oder die Technische Universität München wie Unternehmen geführt, der Rendite verpflichtet und nicht der Wahrheit, dem Erkenntnisdrang oder dem Eros der Pädagogik. Irgendwie wird man das Kulturerbe der Menschheit schon auf den Hülsmann kriegen. (mehr…)

“Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen”

Jens Wernicke

Workfare statt Welfare: Irina Vellay zu einer ersten Studie über den “dritten Arbeitsmarkt” der Ein-Euro-Jobs

1-euro-job.jpgZwei Jahre, von 2005 bis 2006, arbeitete eine sechsköpfige Forschungsgruppe zu den Wirkungen des zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen arbeitsmarktpolitischen Instruments der “Ein-Euro-Jobs”. Unter demselben Titel, den sich auch die Arbeitsgruppe gab, liegt nun deren Abschlussbericht Der “workfare state” – Hausarbeit im öffentlichen Raum (1) vor.

Die Dienstverpflichtung von Menschen – vornehmlich aus “den niederen Klassen” – zu einer Beschäftigung ist eine weit aus der Vergangenheit in die Gegenwart überkommene Konstruktion der jeweils Herrschenden. “Arbeitspflicht” als ihr Instrument ist dabei – bei allen Schwankungen im jeweiligen Gebrauch – historisch nie wirklich überwunden gewesen.

Die Konjunkturphasen und Abschwünge in der Nutzung desselben haben sich vorrangig danach entwickelt, wie sich die politisch-ökonomischen Prozesse formten und welche moralisch-ethischen Werte vorherrschend waren. Stets prägten Entrechten, Strafen, Disziplinieren, Aufbewahren, “Bessern” der Müßiggänger, Querulanten, Simulanten und sonst “Outlaws” die eine Seite des ausführenden Selbstverständnisses. Und stets prägte die Chance, die in diesem Ensemble zwar begrenzten, aber doch gegebenen Arbeitspotenziale zur Reduzierung der Kosten für deren Lebensunterhalt oder gar zur (Mit-)Finanzierung anderer Aufgaben zu nutzen, die andere Seite des verwaltenden Selbstverständnisses.

Dieser Widerspruch hat zuletzt über das Bundessozialhilfegesetz als Prinzip in das Arbeitslosengeld (ALG) II Einzug gehalten. Seine aktuelle Form als “Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung” – im Volksmund auch “Ein-Euro-Job” genannt – war Gegenstand einer empirischen Studie, die unter anderem von der Stiftung W (2) in Auftrag gegeben und von der Diplom-Ingenieurin Irina Vellay mitorganisiert worden ist. (mehr…)

Für jedes Kind ein Fähnchen

Burga Kalinowski

AUSSORTIERT

Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, beklagt die höchste Kinderarmut in der bundesdeutschen Geschichte und schätzt spektakuläre Aktionen

kinderarmut.jpgWas will man mehr: Azurblau der Himmel, weiße Wölkchen und strahlende Sonne. Auf einer kleinen Bühne drängeln sich Jungen und Mädchen in roten Trikots. TV-Teams, Fotografen und Reporter rennen herum. Der politische Event-Kalender weist den 20. September als Weltkindertag aus. Auf der Wiese vor dem Reichstag fordern Berliner Schüler und ein Aktionsbündnis des Deutschen Kinderschutzbundes, des Deutschen Kinderhilfswerks und UNICEF von der Bundesregierung, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Zeit wäre es - Tierschutz wurde schon vor Jahren aufgenommen. Warum nicht auch den Rechten von Kindern Verfassungsrang geben? Gute Frage.
Für einen Moment sind Kinder auf der Skala politischer und medialer Hinwendung gefragt und eine Nachricht wert. Sonst gilt das nur, wenn sie misshandelt, missbraucht oder umgebracht werden. Oder wenn etwa der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) auf einer Pressekonferenz zur Kinderarmut in Deutschland über bestürzende Verhältnisse berichtet, in denen Kinder hierzulande leben.

“Es ist eine Schande.” Heinz Hilgers, Präsident des DKSB, sagt es mit stoischer Ruhe. Doch die Ruhe wirkt beunruhigend, als tobe dahinter ein Sturm der Empörung. Macht Elend zornig? Es wäre gut zu verstehen. Hilgers überlegt. Nein, ihn nicht - mehr. Wenn es ganz schlimm komme, mache es ihn traurig. Doch auch das ist nicht seine Art. Ich komme aus dem Rheinland, sagt er. Nach zwei Stunden weiß man, was das heißt.

Wir fahren im Taxi zum Hauptbahnhof, um Mitarbeiter aus Hannover abzuholen, neuester Politklatsch, regionale Neuigkeiten, Arbeitsabsprachen, Scherze, Kaffeetrinken. Danach Gespräch mit mir, dann im Sturmschritt rüber zur Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft. Das Aktionsbündnis Kinderrechte trifft sich am Abend mit Abgeordneten der Bundestagsfraktionen und Regierungsvertretern, wirbt um Zustimmung und Verbündete für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz noch während dieser Legislaturperiode. (mehr…)

Vom Sozialstaat zum Kontrollsystem

Von Juli Zeh

Ärzte sollen Kranke melden, die ihr Leiden selbst verschuldet haben. Die Krankenkassen stünden demnach nicht uns bei, sondern wir schuldeten ihnen, gesund zu bleiben

julizeh_img_8958.jpgDie Diagnose vorab. Sie lautet: Erosion des demokratischen Denkvermögens im fortgeschrittenen Stadium. Symptome: Scheinlogik auf Seiten der politischen Akteure, Indifferenz bis zum politischen Autismus bei den Bürgern. Krankheitstypische Äußerungen von infizierten Personen: “Der Rechtsstaat muss verteidigt werden, aber in Zeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang” (ein eifriger Minister). Oder: “Dann sollen sie halt Festplatten scannen - das betrifft ja nicht Leute wie mich, die nichts zu verbergen haben” (ein unbescholtener Bürger). Verbreitungsgrad des Syndroms: epidemisch.
Die Optimisten unter uns glauben bislang, die Ausbreitung des beschriebenen Krankheitsbilds beschränke sich auf den sogenannten Anti-Terror-Kampf. Sie beobachten den Umbau eines auf Notlagen reagierenden Wohlfahrtsstaates in ein präventiv denkendes und handelndes Kontrollsystem und reden sich ein, es handele sich nicht um eine dauerhafte Entwicklung, nicht um ein grundsätzliches Umdenken in Sachen Bürger-Staat-Verhältnis, sondern um temporäre Härtefallregeln, mit deren Hilfe wir - leider, leider! - den derzeit so virulenten Bedrohungen unserer Gesellschaft begegnen müssen. Aber was, wenn das Virus ein wenig mutiert und plötzlich die Abteilung Terrorismus verlässt? Wenn es sich ein Wirtstier sucht, das es in alle Lebensbereiche trägt? (mehr…)

Privatisierung des Wohlfahrtsstaates gefährdet Demokratie

Der Neoliberalismus will alles privatisieren, egal ob Bildungsinstitutionen, Stadtwerke oder Gefängnisse. Ein Gespräch dazu mit dem Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge

Von Michael Klarmann

butterwegge_gr.jpgDer Neoliberalismus gefährdet die Demokratie und das Gemeinwesen, sagt Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln. Der 56-Jährige ist Mitautor des Mitte August erscheinenden Buches “Kritik des Neoliberalismus”, in dem Butterwegge zusammen mit einer Sozialwissenschaftlerin und einem Ökonomen Grundlagen, Theorien und geschichtliche Hintergründe des “Marktradikalismus” analysiert. Dabei werden auch unterschiedliche Denkschulen und die Widersprüche einer Wirtschaftsform der “Umverteilung von unten nach oben” dargestellt. (mehr…)

Geiseln der Privatisierung

Die Gewerkschaften müssen über neue Kampfmethoden nachdenken

KOMMENTAR VON OSKAR LAFONTAINE

generalstreik.jpgDie Realeinkommen der Bahn-Beschäftigten befinden sich seit 2005 im freien Fall. Vor allem aufgrund von Arbeitszeitverlängerungen sind sie im letzten Jahr um rund zehn Prozent gefallen. Und auf die letzten drei Jahre bezogen, weist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sogar einen Reallohnverlust von fast dreißig Prozent aus. Vor diesem Hintergrund wirkt die Forderung von Lohnsteigerungen bis zu 31 Prozent keineswegs schrill. Zum Vergleich: Laut dem DB-Geschäftsbericht sind die Gesamtbezüge des achtköpfigen Bahn-Vorstands allein 2006 um 62,5 Prozent auf über 20 Millionen Euro gestiegen. Der Aufsichtsrat, der dies genehmigte, verdreifachte sogar fast seine Bezüge auf 875.000 Euro. Komme es zu Bahn-Streiks, so schade das der Wirtschaft und dem Ansehen Deutschlands, ließ Bundeswirtschaftsminister Glos in der Bild am Sonntag verlauten. Die parteiischen Töne des Bundeswirtschaftsministers zeigen, auf welcher Seite er steht. Ein neutralerer Beobachter hätte ja auch darauf verweisen können, dass es ja vielleicht sogar dem Ansehen Deutschlands schade, dass ein deutscher Lokführer weniger als die Hälfte am Ende eines Monats nach Hause trägt als sein Schweizer Kollege - oder rund tausend Euro weniger als ein spanischer und französischer Kollege! (mehr…)

“Ich hab’s mir nicht ausgesucht”

Von Jens Wernicke

Ergebnisbericht einer Studie zu den Auswirkungen von Hartz IV auf die Betroffenen

arbeit_macht_frei.jpgVon Ende März bis Ende September 2006 hat die Sozialwissenschaftlerin Anne Ames (1) im Auftrag des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung (2) (ZGV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eine Fragebogenerhebung bei Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) durchgeführt. Ziel der Erhebung war es, die Umsetzung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und deren Auswirkungen aus der Sicht und dem Erleben der Betroffenen zu erkunden.
Der Ergebnisbericht (3) liegt nun unter dem Titel “Ich hab es mir nicht ausgesucht” vor. Bereits an zweiter Stelle der am schwersten erlebten Entbehrungen der Betroffenen, so eins der zentralen Ergebnisse, “steht (…) (dabei) die Ernährung. Offenbar sparen sich viele (…) die Ausgaben für Dinge, die im Regelsatz nicht vorgesehen sind - etwa eine Monatskarte für den Stadtverkehr, das Abonnement einer Tageszeitung, Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke - buchstäblich vom Munde ab”. (mehr…)

Tödliches Copyright

Von Andreas Henrichs

Von der rigorosen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte und einem verschärften Patentschutz bei Arzneimitteln profitieren vor allem Pharmaunternehmen aus den reichen Industrienationen. Auf der Strecke bleiben dabei arme Patienten in den Entwicklungs- und Schwellenländern

aids.jpgNach Angaben (1) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Immunschwächekrankheit HIV/AIDS weltweit die vierthäufigste Todesursache. Von den über 40 Millionen infizierten Menschen werden 75% nicht oder nicht ausreichend medikamentös behandelt. Dies betrifft alleine im südlichen Afrika 1,8 Milionen HIV-infizierte Kinder , deren Angehörige sich die teuren Orginalmedikamente der renommierten Pharmakonzerne nicht leisten können, da ihr Preis durch die enthaltenen Patent- und Lizenzgebühren ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten bei weitem übersteigt. Die Aids-Mittel der ersten Generation sind zwar noch als sogenannte Generika, dh. preiswerte, chemisch und biologisch exakte Nachbauten der Orginalpräparate erhältlich, aber namenhafte Arzneimittelhersteller gehen juristisch gegen die Produzenten der lebensrettenden generischen Medikamente vor und weigern sich die neueren antiretroviralen Pharmazeutika der zweiten Generation auch armen Patienten zugänglich zu machen.
Seit Unterzeichnung des WTO-Abkommens über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (TRIPS) im Jahr 1994 überziehen Interessenverbände der Copyright-Industrien die Öffentlichkeit mit immer neuen Kampagnen zur “Verteidigung der Autorenrechte” und dem “Schutz des geistigen Eigentums”. Ziel dieser PR-Offensive ist die Schaffung eine gesellschaftlichen Klimas, in dem das Kopieren einer Musik-CD genauso selbstverständlich als Straftat – und damit als unmoralisch - bewertet wird, wie z. B. die legale Produktion eines patentrechtlich geschützten Medikaments unter einer staatlich angeordneten Zwangslizenz. Das unermüdliche Werben um die ständige Verschärfung der Urheber- und Patentrechte fällt bei vielen Regierungen der reichen Industrienationen auf fruchtbaren Boden. Die negativen Folgen dieser Politik für die Grundversorgung vieler Entwicklungsländer mit bezahlbaren, nicht gentechnisch veränderten Grundnahrungsmitteln oder preiswerten Medikamenten finden in der öffentlichen Diskussion jedoch kaum Beachtung. Die Abschlusserklärung (2) des kürzlich zuende gegangenen G-8 Gipfeltreffens in Heiligendamm erscheint in dieser Hinsicht paradigmatisch. Zu dem Thema Patentrecht heißt es dort:

“Ein voll funktionierendes System des geistigen Eigentums ist ein wesentlicher Faktor für die nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft durch die Förderung von Innovation. Wir wissen wie wichtig es ist, das internationale Patentsystem zu straffen und zu harmonisieren, um den Erwerb und Schutz von Patentrechten weltweit zu verbessern.” (mehr…)

Freiheit und Staat

km. Das Streben nach Freiheit ist ein Menschheitsstreben. Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung ist ein Wesensbestandteil der Menschenwürde.
© Zeit-Fragen.ch

dsc08204kl.jpgDas Streben nach Freiheit resultiert zum einen aus der bitteren Erfahrung der Unfreiheit, die für den Menschen immer mit sozialer Diskriminierung, Knechtung und Gewalt, Unterdrückung und Entwürdigung verbunden ist, zum anderen aus dem Wissen um das wahre Glück eines freien Lebens. Das Streben nach Freiheit war und ist immer ein Leitmotiv im Kampf gegen Unrecht, Unterdrückung und Gewalt. Zeugnisse des Freiheitsstrebens sind aus allen Zeiten und Kulturen überliefert.
Grundlegend für das europäische Verfassungsdenken seit der Französischen Revolution sind die Freiheitsideen des Aufklärungszeitalters. Philosophen dieses Zeitalters haben sich systematisch mit der Frage der Freiheit und Selbstbestimmung beschäftigt und die Idee des Gesellschaftsvertrages formuliert. Diese Philosophen gehen davon aus, dass jeder Mensch im Naturzustand absolut frei und keiner Macht unterworfen ist und diese Freiheit nur durch den freien Willen aller Gesellschaftsmitglieder in einem Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden darf, und zwar alleine zum Schutz von Freiheit und Eigentum, Sicherheit und Leben. Freiheit bedarf des Eigentums (soziale Gerechtigkeit), der Sicherheit und natürlich des Lebens (Schutz vor Gewalt). (mehr…)

Neoliberalismus, Wettbewerbsföderalismus und Föderalismusreform

NachDenkSeiten

der-sturmer-nlepd.jpgWettbewerb“ dient Neoliberalen als Zauberwort, mit dem sie die angeblich verkrusteten Strukturen des Wohlfahrtsstaates aufbrechen und auch bei einer Reform des Föderalsystems der Staatsordnung die bisherigen, als überholt bezeichneten Verhältnisse zum Tanzen bringen möchten. Rainer Hank, Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, verlangt Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten, in den sozialen Sicherungssystemen und im Bundesstaat: „Ein wichtiger Schlüssel zu mehr horizontalem Wettbewerb liegt auf dem Felde des Sozialen. Der gegenwärtige Sozialstaat muß stärker privatisiert, der verbleibende Kernsozialstaat stärker dezentralisiert werden.“ Christoph Butterwegge hat den NachDenkSeiten einen Beitrag aus dem Buch „Kritik des Neoliberalismus“ zur Verfügung gestellt, das er zusammen mit Bettina Lösch und Ralf Ptak herausgibt und das dieser Tage erscheint.
Wer – wie mancher Neoliberaler – die kapitalistische Ökonomie verabsolutiert, negiert im Grunde demokratische Politik und repräsentative Demokratie, weil beide Mehrheitsentscheidungen und nicht das Privateigentum an Produktionsmitteln zum Fixpunkt gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse machen. Um den „Standort D“ zu retten, stellte Jürgen Schrempp, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aerospace AG und Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG, Mitte der 1990er-Jahre die politische Kultur der Bundesrepublik in Frage: „Das etablierte Vorgehen, das die politischen Entscheidungen von ihrer Mehrheitsfähigkeit abhängig macht, ist der heutigen Zeit nicht mehr gewachsen.“ Den damaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel trieben ähnliche Sorgen um. Er hielt das deutsche Verhältniswahlrecht für überholt und konstatierte: „Wenn es (…) so ist, daß der Wettbewerb zwischen Standorten eine relative Veranstaltung ist und daß wir selbst bei eigener Bewegung zurückfallen, wenn andere schneller auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren als wir, dann müssen wir uns fragen, ob unser politisches System eigentlich noch wettbewerbsfähig ist.“ (mehr…)

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