Der Gerechtigkeit einen Korb geben
Die Novellierung des Urheberrechts als Zehnkampf der Idiotie
Marcus Hammerschmitt
Nach langen und zähen Beratungen ist der sogenannte zweite Korb der Urheberrechtsnovelle vergangene Woche im Bundestag verabschiedet worden. Die eigentlichen Urheber von Medieninhalten enteignen, die Wissenschaft beschädigen, und auf den Schulhöfen Angst vor Strafverfolgung säen - das muss man erstmal in einem Aufwasch schaffen. Dem Bundestag gelingt es.
Wenn in Deutschland ein Gesetz zu schnell durchgeht, dann kann man im Allgemeinen den Kopf einziehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass gut wird, was lange währt, wie die aktuelle Novellierung des Urheberrechts deutlich zeigt. Nachdem nun der sogenannte “zweite Korb” im Rahmen dieser Novellierung vom Bundestag beschlossen wurde (der erste Korb war vor allem eine Anpassung des deutschen Rechts an Vorgaben aus Brüssel) wird immer deutlicher, dass der Begriff Urheberrecht für die zusammengebrutzelte Ratatouille im Grunde gar nicht mehr sinnvoll ist. (mehr…)
Die Trivialisierung der Politik
Sabine Christiansen und Tony Blair reiten dem Sonnenuntergang entgegen
Reinhard Jellen
Letzten Sonntag ging im Fernsehen gleich zweimal eine Ära zuende: Sabine Christiansen (1) plauderte ein letztes mal auf Human-Interest-Niveau über Politik und anschließend wurde in den “Tagesthemen” die bevorstehende Ablösung des britischen Premiers Tony Blair durch seinen Schatzmeister Gordon Brown (2) verkündet. Während die ehemalige Stewardess und “Tagesthemen”-Sprecherin mit ihrer Talkshow von Anfang an Kritik und Häme einstecken musste, war Blair als Hoffnungsträger von Labour gestartet. Beide verabschieden sich mit katastrophalen Popularitätswerten: Laut einer Umfrage für den Stern werden gut achtzig Prozent der Zuschauer die naturblonde Gastgeberin nicht vermissen (3), während Tony Blair als der nach Michael Foot zweitunbeliebteste Labour-Führer (4) aus dem Amt scheidet. Beide haben jedoch Entwicklungen losgetreten, die auch auf lange Sicht nicht zu stoppen sein werden: Der fortschreitende Neoliberalisierung der Gesellschaft, die Ersetzung politischer Inhalte durch mediale Wirkung sowie die Banalisierung von Politik.
Am Sonntagabend wurde bei “Christiansen” noch einmal jene journalistische Schonkost geboten, für welche die Sendung berühmt und berüchtigt war: Zu Gast war Horst Köhler (5), aktueller Bundespräsident und ehemaliger Vorsteher des IWF, der während seiner Wirkungszeit unter anderem Argentinien mit Reformen beglückte, deren Auswirkungen dort noch heute zu spüren sind. Das neoliberale Urgestein wird angekündigt als ein Mann, “der über dem Streit der Parteien steht” und den 80 % der Deutschen sympathisch finden - wahrscheinlich weil er beim Reden blicken kann wie ein Hund, dem man eine Wurst vor die Nase hält. (mehr…)
Verkommene Führung
Gewerkschaften bei Bahn und Telekom
Von Daniel Behruzi
Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie verkommen große Teile des Spitzenpersonals der Gewerkschaften mittlerweile sind. Das eine ist die Art und Weise, wie ver.di-Verhandlungsführer Ado Wilhelm versucht, die Beschäftigten der Telekom nach dem dortigen katastrophalen Abschluß für dumm zu verkaufen. Das andere sind Äußerungen von Transnet-Chef und Privatisierungsbefürworter Norbert Hansen über die Lohnforderung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Diese will Einkommenserhöhungen von bis zu 30 Prozent durchsetzen.
Hansen dazu in der Berliner Zeitung vom Wochenende: »Das spaltet die Belegschaft, gefährdet die Unternehmensentwicklung und vernichtet damit Arbeitsplätze.« Nun kann man durchaus der Meinung sein, daß der Versuch diverser, besonders selbstbewußter oder durchsetzungsfähiger Berufsgruppen, separate Tarifverträge durchzusetzen, zu einer Spaltung und damit Schwächung der Belegschaften insgesamt führt. Daß ein Gewerkschafter aber Lohnforderungen mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen in Verbindung bringt, ist eine Steilvorlage für die Gegenseite –und wendet sich auch gegen die eigene Organisation. (mehr…)
Dazu auch TELEPOLIS: Brüder, zur Sonne, zur Nichtigkeit
50000 müssen raus
Die Deutsche Telekom hat sich trotz des fast sechswöchigen Streiks mit ihrem Kürzungsprogramm für die mehr als 50 000 von Ausgliederung betroffenen Servicemitarbeiter weitgehend durchgesetzt. Mittwoch früh verkündeten ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder und Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger vor der Presse das Ergebnis der nächtlichen Verhandlungen. »Wir haben den Zielkorridor unseres Sparprogramms ordentlich getroffen«, freute sich Sattelberger. Die Konzernspitze hatte sich zuvor eine Reduzierung der Personalausgaben um jährlich 500 bis 900 Millionen Euro vorgenommen.
»Die Beschäftigten können darauf vertrauen, daß auf dem Weg in die neuen Gesellschaften kein Griff in ihre Geldbeutel erfolgt.« Mit diesen Worten zitiert die Financial Times Deutschland ver.di-Verhandler Schröder. Doch die von ihm getroffene Vereinbarung besagt das Gegenteil: Um 6,5 Prozent sollen die Löhne und Gehälter der Beschäftigten, die zum 1. Juli in drei eigenständige Servicegesellschaften übergehen, gekürzt werden. Vorübergehend abgemildert werden die Verluste durch einen Fonds, der »wie ein Sozialplan« wirke. Aus diesem werden die Gehaltseinbußen in den ersten 18 Monaten zu 100, in den folgenden zwölf Monaten zu 66 und danach zu 33 Prozent ausgeglichen. Ende 2010 werden dann die vollen 6,5 Prozent wirksam. Bis dahin habe ver.di aber die Möglichkeit, mit einer »aktiven Tarifpolitik« dafür zu sorgen, daß »die Gehälter geradeaus laufen«, formulierte Schröder. Bis Ende 2008 sind Tariferhöhungen allerdings ausgeschlossen – und das nicht nur für die von der Ausgliederung Betroffenen, sondern auch für die restlichen Beschäftigten der T-Com und der Konzernzentrale. (mehr…)
„Gründerpreis“ an Reinhard Mohn für den „konsequenten und fruchtbaren Transfer erfolgreicher Wirtschaftsprinzipien auf das Gemeinwesen“
 Wolfgang Lieb, NachDenkSeiten
Für das, was wir in unserer Rubrik „Krake Bertelsmann“ Reinhard Mohn und seine Stiftung seit langem kritisieren, erhält er nun den von seiner eigenen Zeitschrift, dem „stern“, den Sparkassen, dem ZDF und von Porsche ausgelobten „Gründerpreis“. Was wir mühselig analysiert haben und wofür wir den Vorwurf kassiert haben, wir seien „Verschwörungstheoretiker, bestätigten uns nun die Juroren des Gründerpreises ganz unverblümt.
Dass es eine durch nichts anderem als durch Geld legitimierte Stiftung schaffen kann, die wichtigsten Politikfelder nach den unternehmerischen Prinzipien des Unternehmenspatriarchen Mohn umzubauen, wird nicht etwa als eine Bedrohung, des Parlamentarismus und als Niederlage des Parteienstaates, ja als Gefahr für die Demokratie angesehen, sondern auch noch als Dienst am Gemeinwesen hochgejubelt. So feiern also die im Kuratorium versammelten „namhaften“ Unternehmenspersönlichkeiten sich gegenseitig selbst, der Bundeswirtschaftsminister spendiert dafür noch Geld des Steuerzahlers und Phoenix überträgt auf Kosten des Gebührenzahlers. (mehr…)
Bundesbank: Die Deutschen sind im Durchschnitt reicher geworden
„Der wirtschaftliche Aufschwung hat den Deutschen im letzten Jahr ordentlich Geld in die Kassen gespült. Ihr Geldvermögen legte um 225 Milliarden oder 5 Prozent auf gut 4,5 Billionen Euro zu. Es hat sich damit - statistisch gesehen - seit 1991 pro Haushalt fast verdoppelt“, so berichtet das manager-magazin ohne jede kritische Anmerkung über den neuesten Monatsbericht der Bundesbank. Die statistische Logik unserer Bundesbanker lautet also etwa so: Wenn ich 20.000 Euro Geldvermögen habe und mein Nachbar hat 10.000 Euro Schulden, dann haben wir beide im Durchschnitt 5.000 Euro Geldvermögen. Darüber kann sich mein Nachbar aber richtig freuen!
Eigentlich müsste ein homerisches Gelächter über diese in die Welt gesetzten statistischen Zahlen durch den Blätterwald schallen. Aber die Angabe, wonach sich das durchschnittlich Geldvermögen je Haushalt von knapp 60.000 Euro im Jahr 1991 auf 115.000 Euro nahezu verdoppelt habe, dürfte wieder von den meisten Blättern wie auch vom manager-magazin einfach nachgeplappert werden. Dass diese Durchschnittszahl ohne jeden realen Aussagewert über die tatsächliche Verteilung des Geldvermögens ist, interessiert offenbar nicht. So schlicht ist eben die Wirklichkeit unserer Bundesbanker. Ihr etwas abgewandelte Motto lautet offenbar: Ãœber die Frage, wer das Geld hat, spricht man nicht, Geld hat man. (mehr…)
Cui Bono Vox?
Reinhard Jellen
Der Sänger von U2 macht sich in Heiligendamm für einen Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz stark - und führt auch gleich selber vor, wie das geht
Wenn Bono Vox bei der Veranstaltung “Deine Stimme gegen die Armut” am 7. Juni in Rostock die Bühne betritt, dann steht den Protestierern ein Verantwortlicher gegenüber, der nicht durch einen Zaun und eine Sperrzone vor Protestkundgebungen geschützt ist. Vor zwei Jahren hatten sich die G8-Staaten die Forderungen des U2-Sängers zu eigen gemacht und die Entschuldung von 18 Entwicklungsländern (darunter vierzehn Staaten aus Afrika) angekündigt.
Allerdings war die Aufhebung der Schulden an verschiedene Bedingungen geknüpft: “Gutes” Regieren, “Verlässlichkeit” und “Transparenz” bei den Finanzen. Unter “gutem” Regieren wurde dabei weniger die Einhaltung von Menschenrechten verstanden. Äthiopien (1) etwa hatte zwei Wochen vor der Aufnahme in die Liste der 18 “Gewinner” Demonstranten durch Killerkommandos niedermachen lassen). Im Vordergrund stand die Verlässlichkeit bei “marktwirtschaftlichen Reformen” - also die Einhaltung der rigorosen inflations- und fiskalpolitischen Vorgaben vom IWF sowie die “Öffnung” der Märkte und die Privatisierung natürlicher Monopole in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Erlass der Schulden wurde so an Forderungen gekoppelt, die den Einstieg ausländischer “Investoren” in diese Monopolrenditen versprechenden Bereiche erleichtern soll. (mehr…)
Dazu auch: derStandard “Bono - der gute Mensch von Heiligendamm?”
Das Kleinvieh und sein Mist
Marcus Hammerschmitt
Wie das Menschenrecht auf Verschuldung erfunden wurde
Geht es nach dem Getöse, das seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus erklingt, dann kann die Heiligsprechung des Ökonomen aus Bangladesch nicht mehr fern sein. Hat er doch, so die vorherrschende Meinung, mit seinen Kleinkrediten an arme Landbewohner (vor allem Frauen) ein Wundermittel zur Bekämpfung der Armut erfunden. Allerdings mischen sich in den Jubelchor mittlerweile auch ein paar Stimmen, die die Sache nüchterner sehen.
Als kürzlich der 12. Trendtag zum Thema “Karma-Kapitalismus - Werte statt Preise” in Hamburg stattfand (1) (vgl. Heuschrecken-Alarm im Ashram (2) und Muhammad Yunus als “Keynote Speaker” gewonnen werden konnte, da waren die Veranstalter sicher froh. Denn seit Yunus im Oktober letzten Jahres der Friedensnobelpreis verliehen worden ist (vgl. Mikrokredite als Ausweg aus der Armut (3)), umgeben den stets lächelnden Mann aus Bangladesch Bewunderung und Medienaufmerksamkeit wie eine Aura - und so etwas nützt jedem Kongress. (mehr…)
In Zukunft Feudalismus
Zu Beginn der “G 8″-Woche ein Text aus meinem neuen Buch “Cogito Ergo Bum” - über die Verteilung des Wohlstands im globalen Dorf:
“Stellen wir uns vor, die gesamte Erde mit ihren derzeit 6,5 Milliarden Menschen sei ein Dorf mit 100 Einwohnern. In diesem globalen Dorf leben 51 Frauen und 49 Männer, aber das ist auch schon fast das einzige, was gleichmäßig verteilt ist. Was die Rassen und Sprachen betrifft, sind 60 Dorfbewohner Asiaten, 14 Afrikaner, 14 Südamerikaner, elf Europäer und fünf Nordamerikaner; 13 Bewohner sprechen Chinesisch, fünf Spanisch, vier Englisch, drei Hindi und je zwei Portugiesisch und Russisch – die restlichen 71 Bewohner sprechen jeder eine verschiedene Sprache.
Auf ihre Religion angesprochen, bezeichnen sich 33 Bewohner als Christen, 21 als Muslime, 15 als Hindus, sechs als Buddhisten sowie 16 als Agnostiker, die keiner Religion anhängen. Im Lauf seiner langen Geschichte hat es das globale Dorf zu einigem Wohlstand gebracht, der in den historischen Anfängen unter den Bewohnern auch noch weitgehend gleich verteilt war, doch dann hatten vor einigen Jahrhunderten ein paar erfindungsreiche Bewohner begonnen, sich mit Waffen auszustatten und einige Gassen des Dorfs gewaltsam zu erobern, die Bewohner zu versklaven und die Bodenschätze auszubeuten. (mehr…)
Zwangsweise Kasernierung von jungen Hartz IV-Betroffenen im Rhein-Lahn-Kreis
Verfolgungsbetreuung von Arbeitslosen. Arge als Besserungsanstalt - Bestrafungs- , Bewertungssystem und “Pranger” für Arbeitslose
Rhein-Lahn-Kreis - Nach „PR-SOZIAL“ vorliegenden Informationen plant die Arge Rhein-Lahn-Kreis die Kasernierung von Hartz IV-Betroffenen unter 25 Jahren. Dabei soll es sich vorrangig um junge Erwachsene handeln, die weder zur Schule gehen noch in Ausbildung sind. Das Konzept trägt den Namen „JUWEL“ (Jugendliche auf dem Weg in Arbeit) und wurde bereits im März dieses Jahres der rheinland-pfälzischen Landesregierung vorgestellt. Von dieser wurden Bezuschussungen in Aussicht gestellt. Allerdings wurde dieses Konzept weder auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit noch auf sozialpädagogische Besonderheiten überprüft. Ebenfalls hat man sich bisher offensichtlich auch keine Gedanken über die Anfahrtskosten und Verpflegung dieser jungen Menschen gemacht, die per Zwang zur täglichen Kasernierung gezwungen werden sollen.
Den Informationen nach sieht das Konzept folgendes vor: Die Jugendlichen müssen von in der Früh bis spätnachmittags in einem von der ArGe gemieteten Haus verbleiben und müssen pünktlich zum Appell auf dem Hofgelände des Anwesens erscheinen und werden das Haus in dieser Zeit nicht ohne Genehmigung der Arge verlassen dürfen. Abends dürfen sie heimgehen. Es ist vorgesehen, dass diejenigen, die sich der Betreuung entziehen, mit Sanktionierung bis auf völlige Versagung von Arbeitslosengeld II inklusive Mietkosten zu rechnen haben. Angeblich wird an einem Bewertungssystem gearbeitet, nach welchem die Jugendlichen Punkte in den geplanten Kursen erzielen müssen. (mehr…)