Lehrstück Filbinger

Wie aus einem unverbesserlichen Todesrichter der Nazis nach seinem Ableben ein »Landesvater im besten Sinne« wird
Von Rainer Balcerowiak
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Sie tun sich schwer, die deutschen Leit- und Nebenmedien, wenn es um die Würdigung eines Nazi-Richters geht, der es in der Bundesrepublik in höchste Ämter geschafft hatte. Die Rede ist vom früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU), der am Sonntag im Alter von 93 Jahren in Freiburg verstarb.
1978 mußte er das Amt aufgeben, nachdem beweisbar geworden war, daß er als Marinerichter mehrere Todesurteile gegen Deserteure der faschistischen Wehrmacht verhängt hatte. Die Landes-CDU hinderte das nicht daran, ihn anschließend zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit zu ernennen und 2004 zur Bundesversammlung zu nominieren. Der CDU gelang somit zu verhindern, daß der von der PDS benannte 89jährige Hans Lauter, der 1936 vom Volksgerichtshof wegen Widerstandes gegen das Naziregime zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, dieses Ehrenamt wahrnimmt. Diesen Vorgang bezeichneten seinerzeit jüdische Organisationen und NS-Opfer-Verbände als »Schandfleck der deutschen Demokratiegeschichte«.

Baden-Württembergs aktueller Regierungschef Günther Oettinger schaffte es, in seinem Nachruf, Filbingers Verbrechen mit keinem Wort zu erwähnen und ihn als «eine herausragende prägende Persönlichkeit» und »Landesvater im besten Sinne« zu beweihräuchern. Die erfolgreiche Geschichte Baden-Württembergs sei »aufs engste mit ihm und seinen politischen Leistungen verbunden«. (mehr…)

Das Tribunal der Lüge

Die Schweizer Juristin Carla del Ponte wird diese Woche in Eisenach mit dem Wartburgpreis ausgezeichnet. Ein Blick auf Geschichte und Rechtspraxis des »Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien« in Den Haag.
carla-del-ponte.jpgVon Sebastian Bahlo und Cathrin Schütz
Wenn Carla del Ponte, die Chefanklägerin des »Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien« (engl. Abkürzung ICTY), am 23. März, dem Vorabend des achten Jahrestages des Beginns der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO, in Eisenach den Wartburgpreis entgegennimmt, der seit 1992 »herausragende Verdienste um die europäische Einigung« auszeichnet, wird in den deutschen Medien keine helle Aufregung um sich greifen. Ganz anders war es im vergangenen Jahr, als der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf dem Schriftsteller Peter Handke zugesprochen wurde. (mehr…)

Knast für Klartext

Von Rüdiger Göbel

serveimagephp.jpgZur Person: Christian Klar 2001 im Gespräch mit dem Journalisten Günter Gaus
Foto: rbb

Die Empörung über kapitalismuskritische Äußerungen des früheren RAF-Mitglieds Christian Klar ist groß und parteiübergreifend. Zahlreiche Spitzenpolitiker lehnten am Dienstag eine Begnadigung des prominenten linken Gefangenen strikt ab – allein, sie haben darüber nicht zu befinden, das obliegt Bundespräsident Horst Köhler. Auf Bewährung entlassen werden könnte Klar sonst frühestens im Jahr 2009 – nach 26jähriger Haft.
Hintergrund der politischen Hysterie ist ein Grußwort des inhaftierten Sozialisten, das Mitte Januar auf der von junge Welt veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin verlesen wurde. Darin hatte Klar eine »Niederlage der Pläne des Kapitals« als wünschenswert bezeichnet und die EU als »imperiales Bündnis« kritisiert. Das ARD-Magazin Report Mainz hatte der von junge Welt bereits zweimal dokumentierten Erklärung am Montag abend zu bundesweiter Beachtung verholfen. (mehr…)

«Globales Schafe Scheren»

Ein Buch wider die Zukunftskriminalität der gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik

Im folgenden drucken wir Auszüge aus der Einführung und dem ersten Kapitel dieses lesenswerten Buches von Heinrich Wohlmeyer. Diese gewähren einen Einblick in seine scharfe Analyse der gegenwärtig herrschenden «Marktmacht» und ihrer historischen Entstehung. Darüber hinaus lassen sie seinen sozial engagierten Denkansatz zu einem Weg aus der Krise erkennen.

Die nachfolgenden Situationsbeschreibungen und Analysen zeigen ein scheinbar machtloses Ausgeliefert-Sein an menschen- und naturzerstörenden Entwicklungen. Wir werden von den Akteuren des Hauptstromes geschoren wie wehrlose Schafe und benehmen uns auch wie solche.
Schafe haben bekanntlich zwei hervorstechende Eigenschaften:
a) Sie schauen sich um und dann folgen sie dem Leittier bzw. der Herde.
b) Ãœberwältigt, stellen sie im Unterschied zu anderen Tieren jede Gegenwehr ein und dulden still, was mit ihnen geschieht. Daher kommt auch der aus der Erfahrung eines Hirtenvolkes stammende Vergleich bezüglich des still duldenden Christus: «Wie ein Schaf, das vor seinem Scherer verstummt.» (mehr…)

Repräsentativer Verfassungsfeind

Trubel zur Sicherheitskonferenz


“In Diktaturen würde so etwas nicht passieren”


Wirbel um Horst Teltschik: Der ehemalige Berater von Helmut Kohl und Organisator der Sicherheitskonferenz in München nennt es im Interview tragisch, “dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf”. Die Politik ist empört.

Von Bernd Kastner

Eine Äußerung von Horst Teltschik, Organisator der Sicherheitskonferenz, stößt parteiübergreifend auf Empörung und Unverständnis. Teltschik sagte am Mittwoch in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die Frage, ob ihn die Demonstrationen gegen die Tagung störten:

“Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.‘‘ (mehr…)

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