E-Mail-Konto nur noch gegen Personalausweis?
Der inzwischen verfügbare Referentenentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung aus dem Bundesjustizministerium fordert eine Identifizierungspflicht von E-Mail-Nutzern und eine Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten bei Anonymisierungsservern.
Auch “wer einen Anomymisierungsdienst betreibt und hierbei die Ausgangskennung des Telekommunikationsnutzers durch eine andere ersetzt”, betreibe einen Telekommunikationsdienst für die Öffentlichkeit und unterliege damit den gleichzeitig vorgeschlagenen Verpflichtungen zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Verbindungsdaten für sechs Monate. Und die Anbieter von E-Mail-Konten müssen nach dem Entwurf Kundendaten erheben und ihre Nutzer so eindeutig identifizieren. Die rasche Eröffnung eines Accounts ohne Vorlage eines Personalausweises bei einem deutschen Webmail-Dienst dürfte damit passé sein. (mehr…)
Krieg gegen die Armen
Deutsch-amerikanische Parallelen in der Diskussion
Der Krieg gegen die Armut wird in der öffentlichen Debatte zum Krieg gegen die Armen / Von Albert Scharenberg
Obwohl also die sozialwissenschaftliche Diskussion über die (schwarze) “Unterklasse” in den USA anhält, hat sich die gesellschaftliche Debatte über Armut in den letzten Jahren erneut verschoben. Im Fokus standen zuletzt insbesondere die sogenannten “working poor”, also jene Menschen, die trotz (Vollzeit-)Arbeit nicht genug verdienen, um zumindest eine bescheidene Variante des American Way of Life erreichen zu können.
Dabei kommt den auch hierzulande populären Büchern von Barbara Ehrenreich über die “arbeitenden Armen” das Verdienst zu, die Armutsdebatte gewissermaßen “aus dem Ghetto herausgeholt” und damit wieder gesellschaftlich verallgemeinert zu haben. Dadurch wird zugleich der Stigmatisierung der Boden entzogen und ein Gegeneinanderausspielen der Betroffenen erschwert. (mehr…)
Arschlochalarm!
Es war wieder nur ein Traum. Aber eine Zeit lang hatte ich wirklich geglaubt, dass eine Hauptstadt Berlin den deutschen Köpfen gut tun, ihnen mehr Farbe und Gedankentiefe bescheren würde. Aber die Macher der Mitte, Journalisten in erster Linie, sind seit langem auf dem Marsch in die Merkel-Republik
“One of the most salient features of our culture is that there is so much bullshit.” Harry G. Frankfurt: On Bullshit, 2005
Die Realität? Ein Albtraum. Man braucht nur im letzten Sommersonnenlicht die Friedrichstraße herunterzubummeln. Eine Mischung aus Gucci und Ernst & Young hat sich hier festgesetzt - Boutiquen, Firmenvertretungen, Immobilienholdings, Brand Consultancys, Cocktailbars. Kein Problem, ein fesches Jackett für 2.500 Euro zu shoppen. Aber schwer, ein nettes Gesicht zu finden, das einen geraden Satz herausbringt. Wo ist der George Grosz, der diese Szene malt?
Die Friedrichstraße ist die Schleimscheißermeile von Mitte, die Magistrale der “Messagemacher”, dieser Kamarilla der Lobbyisten, Werber, Marketingprofis, Public-Relations-Strategen, Kommunikationschefs und Eventmanager. Am oberen Ende, auf der Chausseestraße, wo einst Wolf Biermann die Weltrevolution herbeizuklampfen suchte, wuseln sie in der alten Lokfabrik. Die Zeiten ändern sich schnell. Biermann wurde “Chef-Kulturkorrespondent” der Welt. Und in der Chausseestraße baut bald der BND. Ach, Berlin, wer hat dein Herz erobert? (mehr…)
Macht ohne Mandat
Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sind in der deutschen Politik allgegenwärtig: Von den Kommunen bis zum Kanzleramt, von den Hochschulen bis zur Sozialhilfe. Die entscheidende Frage: Beraten sie die Politiker nur – oder machen sie selbst Politik?
Von Harald Schumann
Die Lage ist dramatisch, daran lässt Johannes Meier keinen Zweifel. Schon das Ausmaß der Verschuldung sei „unmoralisch“, erklärt der Mann mit dem wachen Managerblick hinter der Primanerbrille. Darum gelte es, „die Effizienzreserven zu heben, was anderes können wir uns gar nicht leisten.“ Folglich müssten „Leistungen vergleichbar gemacht“ werden, damit erkennbar wird, wo was schief läuft. „So machen wir den Veränderungsprozess zum Produkt“, erklärt er und der Jargon verrät seine Herkunft. Acht Jahre hat Meier bei McKinsey Unternehmen beraten und vier Jahre für General Electric eine Tochterfirma saniert.
Doch das Unternehmen, von dem der McKinsey-Mann heute spricht, ist nichts Geringeres als die Bundesrepublik Deutschland. Denn Meier ist geschäftsführender Vorstand der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh, einer einzigartigen Organisation: Sie verwandelt das Geld aus ersparten Steuern von Europas größtem Medienkonzern in strategische Politikberatung. Dabei ist die Stiftung mit ihrem Anteil von 76 Prozent an der Bertelsmann AG nicht nur die reichste ihrer Art in Deutschland. Zugleich arbeitet sie operativ, also ausschließlich auf Initiative ihres Gründers, des Konzernpatriarchen Reinhard Mohn und seiner Mitarbeiter. Externe Anträge werden nicht entgegen genommen, dafür drängen die Bertelsmänner umso eifriger mit eigenen Projekten in die deutsche Regierungsarbeit. (mehr…)
Völkerrecht und Grundgesetz werden als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit betrachtet
Gemeinsame Presseerklärung von
Initiativ e.V. (Duisburg)
Antiimperialistische Koordination (Wien)
Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak
Vereinigung Für Internationale Solidarität e.V.
Im Frühjahr 2006 begab sich Awni al-Kalemji, der Sprecher der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA), auf eine Vortragstour durch Deutschland, die ihn unter anderem nach Berlin und Hamburg führen sollte. Er war unter anderem vom “Deutschen Solidaritätskomitee Freier Irak”, einem Bündnis antiimperialistischer Kräfte, das den Widerstand des irakischen Volkes gegen die US-Besatzung unterstützt, eingeladen worden. Der Verein “Initiativ” aus Duisburg, der im Antiimperialistischen Lager organisiert ist und durch die Kampagne “10 Euro für das irakische Volk im Widerstand” hervorgetreten war, hatte an der Vorbereitung der Veranstaltungsserie führend Anteil.
Doch die Vorträge in Berlin und Hamburg wurden durch massiven Polizeieinsatz verhindert, Awni al-Kalemji festgenommen und schließlich abgeschoben. Grund: er habe in öffentlichen Stellungnahmen zu strafbaren Handlungen aufgerufen. Gemeint war damit der irakische Widerstand. (mehr…)
Globalisierung und Plutokratie, oder - Wer die Kriege führt
Macht und Moneten
Die Geldelite befreit große Geldmengen aus der Warenform und wandelt sie in politische Macht um. Die monetäre Aristokratie wird so zu einer Gefahr für die Demokratie.
Hans-Jürgen Krysmanski
* Vom 24. bis 26. November veranstaltet der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Frankfurt/Main einen Kongreß zum Thema »Ungleichheit als Projekt: Produktion von Ungleichheiten im neoliberalen Kapitalismus« (www.bdwi.de/bdwi/ungleichheit/). In über 60 Vorträgen, Podien und Diskus sionsforen werden Entwicklungen von Ungleichheiten im globalen Kontext der letzten zehn Jahren analysiert. Aus diesem Anlaß in Auszügen einen Text von Hans-Jürgen Krysmanski zum Thema seines Vortrages auf dem Kongreß.
Die Frage »Wem gehört die EU?« kann in Zeiten der Globalisierung keineswegs allein auf die europäischen Geldeliten und ihre Helfer eliten bezogen werden. Im Gegenteil, so wie in Venedig kaum noch ein Palast Venezianer zu Besitzern hat, so dürften auch Europas Sahnestücke bald Eignern aus der ganzen Welt gehören. »Das große Geld mit Ãœbernahmen und Fusionen wird in Großbritannien und Amerika gemacht. Bald aber treten andere Staaten an ihre Stelle, sagen Experten. China beispielsweise habe sich schon ein Land für künftige Ãœbernahmen ausgeguckt. Es ist die Bundesrepublik«, heißt es im manager-magazin im Mai 2006. (mehr…)
Mit dem Sozialstaat stirbt die Demokratie
Eine Erinnerung an die Weimarer Republik
Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit der Situation von heute.Â
Von Christoph Butterwegge
Frankfurter Rundschau 03.04.2005
In der Weimarer Republik erlebte der Sozialstaat zuerst einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung. Während der Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 20er-/Anfang der 30er-Jahre wurden er und mit ihm die Demokratie aber schrittweise zerstört. Wie die steigende Massenarbeitslosigkeit, mehr noch jedoch der Abbau des Sozialstaates die junge Republik untergruben, stellt ein Lehrstück historisch-politischer Bildung dar.
Weimar erlebte zunächst einen Siegeszug des Sozialstaates, vor allem im Hinblick auf den öffentlichen Wohnungsbau, die Entwicklung des Gesundheitswesens und die Ausweitung der Sozialversicherung. An die Stelle der Kriegswohlfahrtspflege trat nach dem Ersten Weltkrieg die Erwerbslosenfürsorge. Die an das Fragebogen-Verfahren beim Arbeitslosengeld II erinnernde Bedürftigkeitsprüfung erfasste nicht nur den Antragsteller, sondern auch mit ihm in einer Wohnung zusammenlebende Verwandte, die nach geltendem Recht gar nicht zum Unterhalt verpflichtet waren. Dadurch wurden keineswegs die Familienbande gestärkt, wie man amtlicherseits hoffte, sondern umgekehrt eher zerstört: Besonders jüngere Arbeitslose, denen man die Unterstützung kürzte oder versagte, zogen von zu Hause aus. (mehr…)