Ökonomisierung von Bildung und Privatisierung von Bildungspolitik – Pädagogische An- und Einsprüche
Von Monika Witsch, Hochschullehrerin für Pädagogik an der Universität DuisburgEssen
Die „Wissensgesellschaft“ ist heutzutage in aller Munde. Im Vergleich zu früheren Begriffen wie Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft soll der Begriff der Wissensgesellschaft eine strukturelle Verschiebung in Bezug auf die Wertigkeit von Ressourcen beschreiben: Nicht mehr Rohstoffe, Arbeit und Kapital stehen danach an erster Stelle, sondern Wissen. Die Aneignung, der Zugang, das Haben von und der Umgang mit Wissen soll eine immer größere Bedeutung erlangen.
Diese Zeitdiagnose könnte bei Lehrern und Pädagogen Anlass zur Freude sein, könnte mit dem Bedeutungszuwachs von Wissen doch auch das Verstehen, das Begreifen und das Erkennen zum Thema werden. Doch Wissen reduziert sich in der Wissensgesellschaft auf die Vermittlung von „Beschäftigungsfähigkeit“ und Selbstverantwortung im Kontext ökonomischer Sachzwänge. Der philosophische Hintergrund von Bildung durch Effektivitäts- und Effizienzinstrumente aus der Ökonomie abgelöst. Die Ãœbertragung privatwirtschaftlicher Regulative auf die Bildungseinrichtungen ebnet den Weg zur Ökonomisierung von Bildung. (mehr…)
Der gekaufte Staat
Von Albrecht Müller, NachDenkSeiten
Die Fernseh-Journalisten Sascha Adamek und Kim Otto (Monitor) haben gerade ein neues Buch herausgebracht. Es geht um die von den Großkonzernen und Industrieverbänden bezahlten eigenen Mitarbeiter, die in Ministerien bei der Gesetzgebung und Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben des Staates “behilflich†sind. Das ist ein brisantes Thema. Diese Art von in die Ministerien verpflanzter Lobbyarbeit betrifft nahezu alle Fachbereiche, zum Beispiel: Strom und Gas, die Tätigkeit der Heuschrecken, die Gesundheitspolitik, die Tätigkeit der Bauindustrie als privater Partner der Kommunen im Rahmen von ÖPP-Projekten, die Verteidigungspolitik, die Technologieförderung, den Luftverkehr und vieles mehr.
Die Lobby hat sich in den Bundesministerien, in den Landesministerium und in Brüssel eingenistet. Die Ausleihe von Verbandsvertretern, Rechtsanwälten und Beratern an die Ministerien ist auch eine Folge der systematischen Verarmung der öffentlichen Hände. Damit hat man in den Ministerien Bedarf für die interne Beratung durch Dritte geschaffen. (mehr…)
Polit-Choreografie auf dem Balkan
Wie die US-Regierung die Unabhängigkeit des Kosovo plante und dabei die EU und die UNO einspannte
Das Parlament des Kosovo hat am 17. Februar in einer Sondersitzung die Unabhängigkeit der serbischen Provinz ausgerufen. Der - neben Albanien - zweite “albanische” Staat auf dem Balkan kann allein wirtschaftlich nicht überleben. Aber darum geht es den heimlichen Geburtshelfern USA und EU nicht - sie verfolgen eigene Interessen. Am 29. Januar wartete die unabhängige und auflagenstärkste slowenische Zeitung Delo (1) mit einem echten Scoop auf: Sie publizierte das Protokoll (2) von Gesprächen zwischen Mitja Drobnic, dem politischen Direktor des slowenischen Außenministeriums, mit diversen US-Diplomaten - Vertretern der Regierung und des Nationalen Sicherheitsrates (3), unter anderem mit Daniel Fried (4), dem Staatssekretär im Außenministerium für europäische und eurasische Angelegenheiten. Die Gespräche zeigen, wie die USA den Fahrplan zur Unabhängigkeit des Kosovo während der EU-Ratspräsidentschaft Sloweniens durchzusetzen planten und bis in Detail vorgaben. Die US-Diplomaten schlagen vor, das Parlament des Kosovo möge die Unabhängigkeit an einem Sonntag erklären - wie es jetzt geschah. Russland habe dann keine Zeit mehr, den UN-Sicherheitsrat einzuberufen. Wenn die ersten Staaten den Kosovo anerkannt hätten, gebe es ohnehin kein Zurück mehr.
Die Vereinigten Staaten vermieden einstweilen Aussagen zur Unabhängigkeit des Kosovo, werden aber nach der Proklamierung der Selbständigkeit durch die Regierung des Kosovo dann unter den ersten Regierungen sein, die die Selbständigkeit anerkennen werden. Die USA strebten an, dass der Kosovo in den ersten Tagen von möglichst vielen Ländern außerhalb der EU anerkannt werde. Die Vereinigten Staaten würden eine starke Lobby-Arbeit in Japan, der Türkei sowie den Arabischen Ländern betreiben, in Ländern also, die ihre Bereitschaft gezeigt hätten, den Kosovo ohne Zögern auch anzuerkennen. Peinlich ist der Inhalt der Gespräche für die slowenische Regierung, weil sie mehr oder weniger zu einem Befehlsempfänger degradiert wird. Daniel Fried legte Slowenien nahe, als erster Staat den Kosovo anzuerkennen. Die Rolle des neutralen Vermittlers (5) zwischen Serbien und seinen abtrünnigen Provinzen kann die Regierung in Ljubljana jetzt nicht mehr besonders glaubwürdig vertreten. Die US-Diplomaten lassen auch keinen Zweifel daran, dass in den Deklarationen der Europäischen Union die Interessen der USA mit formuliert werden sollen. Georg Bush wünscht sich zum Beispiel, dass “Kuba und Venezuela” als “problematische Staaten” und der “Terrorismus” jeweils erwähnt werden. (mehr…)
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Die wichtigsten Artikel zum Thema völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo im Überblick:
FR-online: Trauriger Jubel im Kosovo
junge Welt: Totentanz
junge Welt: Die Kosovo-Wunschliste
junge Welt: »Unabhängigkeit des Kosovo bricht Völkerrecht«
german-foreign-policy: “Danke, Deutschland!”
Friedenspolitischer Ratschlag: Die “Unabhängigkeit” des Kosovo ist völkerrechtswidrig und gefährlich
Gesundheitspolitik: Was derzeit wirklich passiert
Dr. med. Jan Erik Döllein
NachDenkSeiten
Ich bin 38 Jahre alt und Allgemeinarzt mit einer gut gehenden Hausarztpraxis in Neuötting, Oberbayern, geistig gesund und ein völlig normaler Bürger mit einer Lebensgefährtin und einem 15 Monate altem Sohn, bin seit 12 Jahren Gemeinderat und seit sechs Jahren Kreisrat der CSU, einer Partei, die sicherlich weit entfernt ist vom Ruf, linkspolitische und revolutionäre Gedanken zu pflegen. Es ist nicht meine Aufgabe, solche Texte zu schreiben und es gibt in Deutschland Tausende, die dies besser, packender und erheblich vollständiger schaffen und wenigstens einer von denen sollte das auch tun. Ich bin von tiefstem Herzen Demokrat und, wie mir in den letzten Tagen bewusst geworden ist, ein hoffnungsloser Idealist. Ich habe nicht mehr gemacht, als mir selbst die Frage zu beantworten, warum wir niedergelassenen Ärzte, Hausärzte und Fachärzte aussterben sollen, obwohl sich an der Charakteristik unseres Berufes und der Faszination für die nachfolgende Generation nichts geändert hat; der Wunsch dazu kam mit Sicherheit nicht aus der Bevölkerung, nicht von unseren Patienten.
Dass wir zu teuer sind, kann man wirklich nicht behaupten und wertlos sind wir erst recht nicht, denn mit jedem Krankenhaustag, den wir durch unsere Arbeit vermeiden können, helfen wir den Krankenkassen sparen. Am 30.1.2008 haben sich 7000 von 8000 Hausärzten zu einer Protestveranstaltung in Nürnberg getroffen und diese war die größte und eindrucksvollste ihrer Art seit Bestehen der GKV. Keine der großen Boulevardzeitungen brachte meines Wissens einen adäquaten Artikel, keiner der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender ging tiefer und nachhaltiger auf diese Veranstaltung ein. Die allermeisten Hausärzte eines der reichsten und größten Bundesländer drohen mit Widerstand und niemanden interessiert es. Nur uns Ärzte - der Rest der Bevölkerung wird außen vor gehalten. Das machte mich stutzig und ich begann, immer tiefer im Internet nach den Gründen zu suchen, worauf ich stieß, hat meinen Glauben an den Rechtsstaat im Mark erschüttert und erklärt uns allen die Frage, was hier wirklich passiert: (mehr…)
Der afghanische Ablehnungsbetrug
Ãœber die Diskussion zur Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan
Seit vorgestern wird der deutschen Bevölkerung eine Schmierentragödie vorgeführt, mit der sie zu den beschlossenen Kampfeinsätzen der Bundeswehr am Hindukusch “erzogen” werden soll, und fast alle machen mit. Die Medien überschlagen sich geradezu bezüglich einer Anfrage aus den USA, die scheinbar gerne Bundeswehrsoldaten in den Süden Afghanistans haben wollen. Jene Anfrage sei in “scharfer Form” und “unverschämt” und es gäbe richtig Ärger in der NATO. Und der Spiegel wußte den Inhalt des vertraulichen Briefes von “Kreisen” aus dem Verteidigungsministerium. Die Springerpresse wußte es vom Spiegel und alle wußten, daß die USA etwas von Deutschland wollten, was Deutschland nur ungern zu geben bereit war. Und dann kam die “Hammernachricht”. Keine 24 Stunden nach dem “Erscheinen” des Briefes hat sich das heldenhafte und glorreiche deutsche Verteidigungsministerium in aller Klarheit gegen jene Wünsche der USA gestellt, öffentlich (und nicht nur in einem Brief) darauf hingewiesen, daß man nicht bereit sei, den Forderungen der USA nachzukommen, und so “Flagge gezeigt”!
Eigentlich hätte spätestens dann, als Deutschlands Politiker öffentlich auf einen Brief antworteten, der gar nicht öffentlich war, die ersten Fragezeichen aufkommen müssen, aber dafür fehlt der Mainstream-Presse jede Freiheit! Manchmal ist Politik dermaßen schmutzig und dermaßen hinterhältig, daß sich der gutherzige Bürger, der sich so sehr Frieden wünscht, das gar nicht vorstellen kann. Und Journalisten, die es eigentlich aufgrund ihrer Erfahrung besser wissen müßten, dürfen oder können ihre eigene Bevölkerung in solchen Situation nicht aufklären und tragen die wirklich unverschämte Botschaft der Politiker ins Land. Erinnert sich eigentlich noch jemand in diesem Land daran, worin die Diskussion noch vor wenigen Tagen bestand?
Wie weit reicht das Gedächtnis des demokratischen Bürgers, der sich hier so leicht über den Tisch ziehen läßt? Noch vor wenigen Tagen ging es darum, daß Deutschland 250 Soldaten als Kampftruppe nach Afghanistan senden wollte. Und die Stimmung in der Bevölkerung war diesbezüglich mehr als eindeutig. In verschiedenen Umfragen stellten sich mehr als 90 Prozent der Anrufer dagegen! Selbst die Unionsanhänger wollten mit dieser Entscheidung ihrer Kanzlerin nichts zu tun haben. Schließlich weiß jeder Deutsche sehr genau, was Kampftruppen am Hindukusch bedeuten: Sie bedeuten tote deutsche Soldaten, und sie bedeuten tote afghanische Frauen und Kinder als “Kollateralschaden”, für die dann deutsche Soldaten direkt verantwortlich sind! Und der bundesdeutsche Bürger will das definitiv nicht; völlig unabhängig von seiner Weltanschauung und Religion! (mehr…)
Auf leisen Sohlen zum FBI
CDU und CSU haben es eilig mit der »Reform« der Bundespolizei. Beteiligung an Kriegseinsätzen, Ausgrenzung von Flüchtlingen und Ausweitung der Einsatzaufgaben
Noch in dieser Woche wollen CDU und CSU im Bundestag die »Reform« der Bundespolizei (BPol) durchpeitschen. In einem Hau-Ruck-Verfahren sollen eine Reihe von Gesetzesänderungen beschlossen werden. Die Koalition läßt dem Parlament keine Zeit, die kritischen Stellungnahmen zu verarbeiten, die vorige Woche bei einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuß abgegeben wurden. Vordergründig verkauft Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Änderungen als Verwaltungsreform. Er hebt die organisatorischen Maßnahmen hervor, wie die Zusammenfassung der bisherigen Mittelbehörden in einer Oberbehörde in Potsdam und die Zusammenführung der bisher 19 Polizeiämter in den neuen Bundespolizeidirektionen. Verwaltungstätigkeiten sollen eingeschränkt und dafür Einsatzaufgaben und der Anteil mobiler Kräfte im Einzeldienst ausgeweitet werden.
Doch tatsächlich geht es um weit mehr als nur organisatorische Veränderungen: Es geht um die endgültige Abkehr von der ursprünglichen Grenzpolizei. Durch die Ausdehnung der EU ist die alte Aufgabe des früheren Bundesgrenzschutzes ohnehin obsolet geworden. Doch statt die Bundespolizei aufzulösen, wird sie allmählich zu einer hochspezialisierten Einsatztruppe mit besonderen Befugnissen umgebaut, die insbesondere Schäubles verfassungswidrige Antibürgerrechtspolitik unter dem Vorwand des »Kampfes gegen den Terrorismus« unterstützen soll. (mehr…)
Das böse Wort mit »R«
Reformen, Reformen, bis Deutschland endlich Weltmacht ist: Ein Handbuch zum Bertelsmannkonzern
Klar, zwischen Sabine Christiansen und Anne Will gibt es Unterschiede. In ihrer Sonntagstalkshow trägt Will keine Brille. Und sie gibt die Gesprächsführung auch nicht nach 20 Sekunden ab, um im Gelaber ihrer Gäste unterzugehen. Der Panikdiskurs aber ist derselbe: »Deutschland total kaputt« lautet konstant die Botschaft, ganz so, wie es Wiglaf Droste einmal Herbert Grönemeyer in den Mund legte. Da müssen Reformen her, daß die Heide wackelt.
Dieses böse Wort mit »R« gehört seit einem Vierteljahrhundert zum Grundwortschatz aller Fortschrittsfeinde. »Leitgedanke ist dabei der Glaubenssatz, wonach alles, was der Staat macht, schlechter ist, als es der Markt und der Wettbewerb machen können« – schreiben Werner Biermann und Arno Klönne in »Agenda Bertelsmann«, einem sehr nützlichen kleinen Handbuch zur Politik des viertgrößten Medienkonzerns der Welt. (mehr…)
Werner Biermann/Arno Klönne: Agenda Bertelsmann. Ein Konzern stiftet Politik. PapyRossa, Köln 2007, 140 S., 11,90 Euro
Atomkrieg als Option
Um die Welt vor der Weiterverbreitung von Atomwaffen zu schützen, soll die NATO zukünftig ihre eigenen einsetzen. Dieser Wahnsinnsvorschlag ist in einem 150 Seiten umfassenden »Manifest« zur Reform des westlichen Militärbündnisses enthalten. Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian wurde es in den vergangenen Tagen den Führungsspitzen des Pentagon in Washington und der NATO in Brüssel vorgestellt, im April soll es auf dem NATO-Gipfel in Bukarest diskutiert werden. Verfaßt haben das Papier fünf ehemalige Topgeneräle der NATO und Generalsstabschefs ihrer Länder: John Shalikashvili (USA), Henk van den Breemen (Niederlande), Jacques Lanxade (Frankreich), Lord Peter Inge (Großbritannien) und Klaus Naumann aus Deutschland.
Mit ihrem Vorschlag für einen nuklearen Erstschlag auch gegen Nichtatomwaffenstaaten wie Iran greifen die Autoren des »radikalen Manifests« (The Guardian, 22.1.08) die Vorgaben aus den USA auf – wohl wissend, daß die gegen jedes Völkerrecht verstoßen. In Washington wird seit längerem bereits öffentlich über Pläne für begrenzte Nuklearschläge gegen Teherans zivile Atomanlagen diskutiert. Dabei spielt keine Rolle, daß sowohl die Internationale Atomenergiebehörde der UNO als auch der US-Geheimdienst CIA bestätigt haben, daß Iran kein militärisches Atomprogramm unterhält. (mehr…)
Wie Sarajevo 1914
Das Kosovo ist die Lunte an einem Pulverfaß. Völkerrechtswidrige Abspaltung von Serbien – »in vier oder fünf Wochen«, sagt Separatistenchef Hashim Thaci
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer schrieb in der Wochenzeitschrift Freitag im November 2007: »Als 1918 die Welt von gestern in Schutt und Asche fiel und mit viel Perfidie das Fundament für den nächsten großen Konflikt gelegt wurde, wollte man nicht lange nach den Ursachen suchen. Es waren die Pistolenschüsse in Sarajevo, die das Leben des österreichischen Thronfolgerpaares ausgelöscht hatten, hieß es. Jeder konnte sich an dieses Ereignis erinnern, es mußte nicht weiter nach seinen Hintergründen gefragt werden, die sehr viel entscheidender waren für den Ersten Weltkrieg als der Anschlag von Sarajevo. Bislang ist es ausgeblieben, daß man bei den Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo aufeinander angelegt hat, aber mögliche Unterschriften unter bestimmte Papiere könnten die Wirkung von Pistolenschüssen haben. Die Zündschnüre sind gelegt und reichen von Nord-irland über das Baskenland, Gibraltar und den Kaukasus bis nach Tibet und Taiwan.«
Die aktuelle Lage auf dem Balkan erinnert auf beklemmende Weise an die Konstellation, die zum Ersten Weltkrieg führte. Deutschland und die anderen Großmächte hatten nach jahrelangen Unruhen auf der Berliner Konferenz 1878 einen Formelkompromiß für die Neuordnung Südosteuropas gefunden: Die umstrittene osmanische Provinz Bosnien sollte de jure weiterhin türkisch bleiben, de facto aber von den Österreichern verwaltet werden. 1908 brach Wien diesen Vertrag und annektierte die Provinz auch de jure. Aus Rache wurde 1914 Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo erschossen.
Ungefähr 100 Jahre später versuchten es die NATO-Mächte mit einem ähnlichen Formelkompromiß: Nach ihrem Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 setzten sie im UN-Sicherheitsrat die Resolution 1244 durch, die das Kosovo de jure dem südslawischen Staat beläßt, de facto aber der Verwaltung der Vereinten Nationen unterstellt. In der Folge befürworteten die Westmächte jedoch die vollständige Abtrennung der Provinz und ihre von der EU kontrollierte Ãœbergabe an die albanische Bevölkerungsmehrheit – so der Plan des finnischen UN-Vermittlers Martti Ahtisaari. Dies wäre völkerrechtlich möglich, sofern entweder Belgrad zustimmt oder wenigstens der UN-Sicherheitsrat eine solche Lösung billigt. Wenn beide Bedingungen nicht gegeben sind, kann sich das Kosovo nur einseitig, also durch einen Akt illegaler Willkür, zu einem selbständigen Staat erklären. Genau dies soll in den nächsten Wochen geschehen. Wie im Ãœbergang vom 19. zum 20. Jahrhundert treffen auf dem Balkan noch immer die Interessen der zentraleuropäischen Staaten, Rußlands und der islamischen Welt aufeinander. Jede brachiale Veränderung in diesem fragilen Gleichgewicht kann Rückwirkungen auf den ganzen Kontinent haben. (mehr…)
“Der Emissionshandel ist eine sehr gute Methode, mit der man demokratische Regelungen unterlaufen kann.”
Interview mit dem Politikwissenschaftler Elmar Altvater über die Außen- und Umweltpolitik der EU und die Politik weltweit nach Peakoil. Teil 1
Elmar Altvater (1) ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der FU Berlin, hat die Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft PROKLA (2) mitbegründet und mit fundierten Analysen der globalisierten Wirtschaft wie “Die Grenzen der Globalisierung” (3) (mit Birgit Mahnkopf) und “Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen” (4) immer wieder für Aufsehen gesorgt. In seinem neuesten mit Birgit Mahnkopf geschriebenen Buch “Konkurrenz für das Empire” (5) untersucht Altvater die Innen- und Außenpolitik der EU und kommt zu dem Schluss, dass sich diese, ähnlich wie die USA in ihrer Politik gefährlichen Fehlschlüssen hingibt, die längerfristig nicht nur für Europa verheerende Konsequenzen mit sich ziehen werden und somit ein Wechsel der politischen Strategie dringend notwendig machen. (mehr…)