Barack Obama: Vorsicht vor allzu großen Hoffnungen!
Unbestreitbar haben die letzten acht Jahre unter der Präsidentschaft George W. Bushs den USA aber auch dem Rest der Welt schweren Schaden zugefügt. Vor allem der “Krieg gegen den Terror” mit den beiden desaströsen Kriegen gegen den Irak und Afghanistan haben das Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt auf einen historischen Tiefpunkt sinken lassen. Darüber hinaus ist es begrüßenswert, dass mit Obama erstmals ein Afro-Amerikaner zum US-Präsidenten gewählt wurde. Auch setzt sich sein innenpolitisches Programm deutlich von dem seines unterlegenen Herausforderers John McCain ab. Angesichts des offensichtlich kritischen Gesundheitszustandes McCains war allein schon die Aussicht, dass im Falle seines Todes Sarah Palin als dessen Nachfolgerin ins Präsidentenamt aufsteigen würde, schlichtweg gruselig. Trotz alledem sollte man jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass vieles darauf hindeutet, dass bzgl. der an Obama gerichteten friedenspolitischen Erwartungen der große Katzenjammer droht.
So deutet einiges darauf hin, dass er – nicht zuletzt aufgrund der großen wirtschaftlichen Probleme der USA – versuchen wird, die EU-Staaten künftig deutlich stärker militärisch in die Pflicht zu nehmen, auch sie soll einen angemessenen Beitrag zur Aufrechterhaltung der westlich dominierten kapitalistischen Ordnung leisten. Auch die Auswahl seines Beraterteams, Obamas eigene Äußerungen und Veröffentlichungen aus dem demokratischen Umfeld, geben keinen Anlass zu allzu großem Optimismus. Vom Irak über die grundsätzliche Haltung gegenüber Militäreinsätzen bis hin zum Verhältnis mit Russland deutet leider wenig darauf hin, dass mit einer grundsätzlichen Wende zu rechnen ist. (mehr…)
Wer zahlt eigentlich, wenn das Geld arbeitet?
Von Löwen und Lämmern: “Let’s make money” ist eine Reise in die Gehege des Raubtierkapitalismus
Es sind harte Schläge direkt ins Gesicht, die der Kapitalismus hier erhält. Ziemlich viele, sein Gesicht ist zur Fratze entstellt, die hübsche Maske aufgerissen. Noch stürmen zwar keine Massen die Banken wie zu Beginn der 30er Jahre, aber das kann ja noch kommen, und manchen Banken würde man das angesichts Erwin Wagenhofers Film auch wünschen. “Lets make money” kehrt den ideologischen Scherbenhaufen zusammen, der vom implodierenden Neoliberalismus übrig geblieben ist. Sein Film zeigt die Produktionsbedingungen der Finanzkrise, er zeigt aber auch, warum es höchstwahrscheinlich so weiter gehen wird, warum auf die Krise keineswegs eine grundlegende Veränderung unserer Wirtschaft folgen wird.
Der Kapitalismus ist ein blutiges Geschäft. Das sagen nicht irgendwelche seiner Verächter, sondern die ehrlicheren unter seinen Verteidigern. Etwa Mark Mobius (1), “Investment-Guru” einer ganzen Generation, der – aus Steuergründen von Singapur aus - Fonds in Milliardenhöhe verwaltet. “Man muss kaufen, wenn das Blut auf den Straßen liegt”, zitiert er im Film eine alte Wall-Street-Weisheit und fügt verschmitzt hinzu, “und wenn es Dein eigenes ist.” All das sitzt bis zum letzten Hieb: Da zeigt der Film das Gekritzel sowjetischer Soldaten an den Mauern des Reichstags, entstanden kurz nach Kriegsende im Mai 1945. Dazu sagt der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer: “Wenn wir so weitermachen, dann kommen neue Selektionsmechanismen.” Die Botschaft ist klar. Auf die Krise folgt die Knappheit, auf die Knappheit Verteilungskämpfe. Und dann beginnt die Barbarei. Und - das muss man wohl für die hinzufügen, die jetzt denken “und wenn schon, wo gehobelt wird, da fallen Späne, und Verteilungskämpfe sind halt das Leben” - es ist keineswegs ausgemacht, dass der Westen nicht jenes Ancien Regime unseres Zeitalters ist, dass von den neuen Sansculotten aus Afrika hinweggefegt wird, bevor dann dein kleiner Korporal auch Peking kommt… Wir wissen nicht, wie es Mobius gerade geht, denn Erwin Wagenhofers (”We Feed the World”) Film ist selbstverständlich vor der aktuellen Finanzkrise entstanden - vermutlich kauft er gerade in großem Stil ein. Denn auch wenn ohne jeden Zweifel derzeit das Blut der Aktienhändler, Finanzjongleure und Casino-Kapitalisten in Strömen fließt - falls sie ihren eigenen Ãœberzeugungen nur einigermaßen vertrauen - wovon man, wie immer bei Gläubigen, auch in diesem Fall ausgehen darf - sitzen jetzt schon die ersten von ihnen in Wartestellung, um zu kaufen, nicht zu früh, aber bitte auch nicht zu spät. Im ein paar Jahren macht Wagenhofer dann vielleicht einen Film über diejenigen, die sich gerade eine goldene Nase verdienen. (mehr…)
Militärische Meeresabenteuer der Europäischen Union und Deutschlands mit langfristigen Folgen
Nachdem schon lange Pressemeldungen über einen bevorstehenden EU-Militäreinsatz gegen Piraterie insbesondere vor der Küste Somalias kursierten, beschloss der EU-Rat am Freitag den 19. September diese “Gemeinsame Aktion”. Die so genannte NAVCO-Mission soll in einer ersten Stufe militärische Koordinierungshilfe für bereits vor Ort befindliche Kriegsschiffe verschiedener EU-Staaten leisten. Darüber hinaus ist NAVCO aber die Vorstufe für den ersten maritimen EU-Militäreinsatz überhaupt. Er soll Ende des Jahres vor der Küste Somalias beginnen. Auch Deutschland will sich an ihm beteiligen.
Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlamentes, der Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung, wurde vom Beschluss des Rates erst am Montagabend offiziell informiert. Am Dienstagabend gab es dazu eine Debatte im Plenum des Europäischen Parlamentes mit “Informationen” über diesen EU-Militäreinsatz durch den Verkehrskommissar und den für Verkehrspolitik zuständigen Vertreter der französischen Ratspräsidentschaft. Völlig fehlten in der Debatte die für Außen- und Militärpolitik zuständigen Rats- und Kommissionsvertreter.
Inszenierter Terror
Interview mit Daniele Ganser über die NATO-Armee Gladio. Teil 1
Daniele Ganser (1) ist Historiker an der Universität Basel. In seinem Buch “NATO Geheimarmeen in Europa” untersuchte er die Verstrickungen der Organisation Gladio (2), die im Kalten Krieg Rechtsextremisten rekrutierte und für verschiedene Terroranschläge verantwortlich war.
Die USA und die Briten stoppten am Ende des Krieges die Waffenlieferungen an ihre kommunistischen und sozialistischen Waffenbrüder. Diese waren sehr enttäuscht und erkannten, dass die Engländer und Amerikaner nach dem Prinzip vorgingen: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Und als der eine Feind geschlagen war, wurden nicht die gegnerischen Widerstandsbewegungen weiter unterstützt, sondern die ehemaligen Feinde, also plötzlich Faschisten und Rechtsextreme. Mit Moral hat das wenig zu tun, aber viel mit Strategie und Macht. In Deutschland gab es auch diese Kehrtwende. Als man die Niederlage Hitlers erreicht hatte, durchkämmten der amerikanische Geheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC) ganz Deutschland nach Nazis, die im Kampf gegen den Kommunismus gebraucht werden konnten. Am bekanntesten ist der erste deutsche Geheimdienstchef nach dem Zweiten Weltkrieg, Reinhard Gehlen (12).
Dieser General von Hitler ist nur dadurch Geheimdienstchef geworden, weil das CIC herausgefunden hatte, dass Gehlen an der Ostfront im Kampf gegen die Kommunisten beteiligt gewesen war, dort sehr brutale Verhörmethoden z. T. mit Folterungen verwendete und die Ergebnisse aufzeichnete, welche dann am Ende des Krieges in den österreichischen Alpen vergraben wurden. Diese Daten offerierte Gehlen den Amerikanern, worauf er nach Washington zu Präsident Truman geladen und Direktor der Organisation Gehlen wurde. Die Amerikaner haben also in Nürnberg einen Teil der Nazis auf moralischer Basis abgeurteilt und einen anderen Teil der führenden Nationalsozialisten wiedereingesetzt, weil man sie im Kalten Krieg brauchte. (mehr…)
Gladio und Terror in Deutschland: Das Oktoberfestattentat. Teil 2
Deutscher Afghanistaneinsatz ohne politische Vernunft
Mit der Übernahme der schnellen Eingreiftruppe QRF im Norden ist die Bundeswehr erstmals mit einem reinen Kampfverband in Afghanistan im Einsatz. Zeitgleich zum Beginn des Kommandos wurden deutsche Soldaten bei einem Anschlag verletzt. Der Kriegsschauplatz ist für westliche Truppen inzwischen gefährlicher als der im Irak, vor allem aber leidet die afghanische Bevölkerung, ausländische Helfer ziehen sich zurück. Die Koalition in Berlin will das Bundeswehr-Mandat dennoch im Herbst verlängern und 1000 weitere Soldaten entsenden.
«Wichtig ist, die Deutschen in Kunduz zu bekämpfen und zu töten. Die Deutschen sind der wichtigste Feind im Norden, und wegen ihrer Stationierung in Kunduz wird diese Stadt bald zum Kandahar des Nordens.» Die Ansage von Taliban-Kommandeur Qari Bashir Haqqani an die Bundeswehr vor wenigen Wochen macht deutlich, dass der Boden für die deutsche Isaf-Truppe auch in der stets als relativ friedlich dargestellten Besatzungszone Nord immer heisser wird. Aus den von ihr kontrollierten Gebieten im Süden stösst die afghanische Guerilla über Provinzen im Westen immer weiter auf die von den Deutschen gehaltenen Positionen vor. In blutigen Gefechten gelang es zwar den Isaf-Verbänden im Herbst 2007 und in diesem Frühjahr, die Organized Militant Forces genannten Feindkräfte zurückzuschlagen – aber nur vorläufig. Mitte Juni vermochten es die Taliban in einem spektakulären Handstreich, das Sarpossa-Gefängnis in Kandahar zu stürmen. Nicht nur die afghanische Staatsmacht, sondern auch die internationalen Besatzungstruppen wurden regelrecht vorgeführt.
Von daher erstaunt es nicht, dass die Pariser Afghanistan-Konferenz im Juni eine ernüchternde Bilanz des Nato-Militäreinsatzes gezogen hat. «Die Sicherheitslage ist seit Anfang 2006 deutlich instabiler geworden, vor allem im Süden und Osten des Landes, einige Distrikte sind nach wie vor grösstenteils unzugänglich für afghanische Amtsträger und Helfer. Etwa 6% aller Schulen wurden niedergebrannt oder geschlossen, wodurch etwa 200 000 Kinder nicht unterrichtet werden können. 220 Schüler und Lehrer kamen durch militärische Gewalt ums Leben», hiess es im Abschlusspapier. (mehr…)
Noam Chomsky - ein Interview von Vincent Navarro
von Noam Chomsky und Vincent Navarro
Ãœbersetzt von: Andrea Noll - Znet
Navarro: Vielen, vielen Dank, dass Sie uns eingeladen haben.
Chomsky: Ich freue mich, dass Sie mir die Möglichkeit geben, mit Ihnen zu reden. [...]
Ich möchte mit Ihnen ein wenig über Sie selbst und die USA sprechen. Außerhalb der USA gelten Sie als der bekannteste US-Intellektuelle. Den meisten Menschen, die nicht in Amerika leben, ist wohl nicht ganz klar, was es bedeutet, dass der bekannteste amerikanische Intellektuelle sehr selten in den US-Medien erscheint. Auf den großen Sendern - CBS, NBC und den vielen anderen - sehen wir Sie nie. Für Viele ist das unverständlich - schließlich wird Amerika immer wieder als eine extrem aktive und dynamische Demokratie dargestellt und idealisiert. Viele begreifen nicht, wie sehr die Linke in Amerika diskriminiert ist. Diese Diskriminierung findet selbst innerhalb der Linken des liberalen Establishments statt. Was sagen Sie dazu? Wie erklären Sie sich die Diskriminierung in den meisten Foren?
Ich denke, die Kreise, die mich am meisten fürchten und ablehnen, sind wohl die links-liberalen intellektuellen Zirkel. Ein Beispiel - in graphischer Form - hängt eingerahmt direkt vor meiner Tür, falls Sie einen Blick darauf werfen wollen. Es ist eines meiner Lieblings-Cover und stammt von der Titelseite von The American Prospect. Dieses Magazin ist das mehr oder weniger offizielle Journal der links-liberalen Intellektuellen. Auf dem Titelbild ist dargestellt, unter welch schrecklichen Bedingungen sie zu überleben versuchen, welche enormen Kräfte sie praktisch zerstören. Man sieht zwei Typen mit wütenden, aggressiven Gesichtern. Der eine ist Dick Cheney (mit dem Pentagon), auf der anderen Seite bin ich abgebildet. (Man sieht), wie die links-liberalen Intellektuellen zwischen diesen beiden gewaltigen Kräften feststecken. Das Bild verdeutlicht ihre Paranoia und Sorge über einen möglichen minimalen Bruch mit der Orthodoxie. Typischerweise haben die liberalen Intellektuellen die Funktion eines Torwächters (nicht nur in den USA): Bis hierher und keinen Millimeter weiter. Die Vorstellung, dass einer auch nur einen Millimeter weiter geht, ist für sie ein Horror. Das gilt auch für sämtliche große Medien. Stimmt, die USA sind ein sehr freies Land, das freieste in der Welt. Ich glaube beispielsweise nicht, dass die Redefreiheit irgendwo auf der Welt mehr geschützt wird. Aber die USA sind auch eine sehr gelenkte Gesellschaft, eine von der Geschäftswelt gelenkte Gesellschaft, sehr sorgfältig gemanagt, mit sehr strikten, doktrinären Erwartungen. Abweichungen werden nicht geduldet - das wäre zu gefährlich. (mehr…)
Gefährliches Spiel
“Nationaler Sicherheitsrat” - was macht die Union so selbstsicher?
Zuerst möchte man es nur lächerlich finden, dass die Union zum wiederholten Mal eine “Sicherheitsstrategie” auftischt, die nicht einmal von der FDP mitgetragen wird, was seit langem bekannt ist, und von den anderen Parteien schon gar nicht. Die Union weiß genau, eine parlamentarische Mehrheit wird es für ihren Vorstoß nie geben. Aber das kann uns nicht beruhigen, denn der Vorstoß zielt ja gerade auf Unabhängigkeit von parlamentarischen Mehrheiten. Das ist überhaupt nicht komisch: Wenn die Union öffentlich überlegt, wie ihr “Nationaler Sicherheitsrat” gegen das Parlament seine Routinearbeit erledigen würde, muss sie sich doch auch heimlich gefragt haben, wie er gegen das Parlament zu allererst eingerichtet werden kann. Und ihre Antwort kennen wir nicht.
“Die Diskussion über die aktuellen Bundeswehr-Einsätze macht deutlich, dass es notwendig ist, die Sicherheitspolitik Deutschlands der Öffentlichkeit stärker zu vermitteln und sie zu begründen”, heißt es zur Erklärung. Der Afghanistan-Krieg hat die Deutschen nicht von der Notwendigkeit der Einsätze überzeugt, sie wollen die Lehren, die George W. Bush aus dem 11. September zog, partout nicht mittragen; und was sich gar nicht von selbst versteht, in diesem Fall artikuliert sich die Wählermehrheit auch als parlamentarische Mehrheit. Der zitierte Satz spricht aber von einer Sicherheitspolitik, die nicht erst zur Wahl gestellt wird, um dann eventuell Bevölkerung und Parteien zu überzeugen. Nein, sie ist offenbar bereits vorhanden, muss nur noch gegen die Bedrohung durch den Mehrheitswillen gesichert werden. So lesen wir, als Teil multinationaler Eingreifverbände müsse die Bundeswehr auch dann kurzfristig einsatzfähig sein, wenn eine Entscheidung des Bundestages “nicht rechtzeitig” herbeigeführt werden könne. (mehr…)
Die Versicherheitlichung des Klimawandels
Wie Brüssel die Erderwärmung für die Militarisierung der Europäischen Union instrumentalisiert
Seit einiger Zeit reden nicht allein nur Umweltschützer über das Wetter bzw. das Klima, mittlerweile haben auch Politiker und seit neuem auch Militärs das Thema für sich entdeckt. So beschäftigte sich der UN-Sicherheitsrat im April 2007 erstmals mit den “Auswirkungen des Klimawandels auf den Frieden und die Sicherheit.”[1] Selbst in den Vereinigten Staaten, wo eigentlich versucht wird, das Phänomen grundsätzlich zu verleugnen, fordern mittlerweile prominent besetzte Kommissionen, die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels stärker zu beachten.[2] Inzwischen verpflichtete der US-Kongress die Regierung sogar darauf, den Auswirkungen der Erderwärmung in allen relevanten Sicherheitsdokumenten eine hohe Priorität einzuräumen.[3]
Demgegenüber hatte die Europäische Union das hier brachliegende “Potenzial” lange nicht erkannt. In der Europäischen Sicherheitsstrategie vom Dezember 2003 wurde der Klimawandel “nur beiläufig erwähnt.”[4] Dies soll sich nun ändern. Schon im Juni 2007 wurden der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und die EU-Kommission angewiesen, einen Bericht zu den sicherheitspolitischen Auswirkungen des Klimawandels anzufertigen. Am 14. März 2008 wurden die Ergebnisse unter dem Titel “Klimawandel und internationale Sicherheit” veröffentlicht (fortan als EU-Klimastrategie zitiert) und am selben Tag vom Rat der Europäischen Union gebilligt.[5] Bis Juni soll ein weiterer Zwischenbericht erarbeitet und Ende 2008 ein abschließendes Strategiepapier zum Thema fertig gestellt werden. (mehr…)
Blickwinkelabhängig - Terrorismus à la carte
In der vergangenen Woche veröffentlichte die Europäische Polizeibehörde (Europol) die aktuelle Ausgabe ihres jährlichen "EU Terrorism Situation and Trend Report" ("Bericht über die Lage und die Entwicklung von Terrorismus in der EU", TESAT). Medien reagierten hierauf einhellig mit Schlagzeilen, die von steigenden Zahlen von Terroranschlägen sprachen. So titelte Welt Online mit "Europol: Terror bedroht Europa stärker als je zuvor", der österreichische ORF mit "Europpol: Terrorismus in der EU weitet sich aus", MSN mit "Terror bedroht Europa stärker als je zuvor", die Netzeitung mit "1000 Terrorverdächtige in EU festgenommen" und N24 mit "20 Anschlagspläne in Deutschland". Bei eingehender Betrachtung des Berichts wird allerdings nicht nur klar, daß diese Aussagen so keineswegs zutreffend sind und andererseits die Klassifizierung von Taten als "Terrorismus" weitaus mehr mit gerade örtlich vorherrschenden Interessen als mit der in der Bevölkerung sicherlich verbreiteten Vorstellung von Attentaten mit Bomben und Schnellfeuergewehren zu tun hat.
Schon die bloße Zahl der insgesamt im Jahr 2007 in den genannten Ländern Deutschland, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Spanien, Österreich und Portugal "fehlgeschlagenen, vereitelten und erfolgreich ausgeführten" Anschläge straft die so gern herbeibeschworene Gefahr "islamistischen Terrors" Lügen. Insgesamt wird die genannte Zahl in dem Bericht mit 583 angegeben. Ganze 4 davon hatten demnach einen "islamistischen" Hintergrund – 532 allerdings einen separatistischen. Ein zumindest ähnliches Bild ergibt die Zahl der Verhafteten. Von insgesamt 1.044 wurde bei 201 ein "islamistischer" und bei 548 ein separatistischer Hintergrund vermutet. Bemerkenswert ist hier auch, daß sich dieses Verhältnis eben gerade nicht in der Zahl der Verurteilten widerspiegelt. So hatten den Meldungen der einzelnen Länder zufolge 198 der insgesamt 449 Verurteilten einen "islamistischen" Hintergrund und 214 einen separatistischen. In 120 Fällen lautete das Urteil auf Freispruch. Nur 22 Prozent aller Verhafteten wurden in direktem Zusammenhang mit einem "Anschlag" verhaftet, der überwiegende Teil wegen der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung". (mehr…)
Die NATO im Kampf um die Welt
Vor dem Gipfeltreffen der Allianz in Bukarest fordert ein Strategiepapier eine radikale Umorientierung - und atomare Erstschläge
Wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in Bukarest sorgt ein neues Strategiepapier für Aufsehen. Die Studie mit dem Titel Towards a Grand Strategy for an Uncertain World (etwa: Zu einer Gesamtstrategie für eine unsichere Welt) wurde von gleich fünf ehemaligen Stabschefs des Militärbündnisses verfasst und birgt brisante Vorschläge. Der deutsche General a. D. Klaus Naumann, US-General John Shalikashvili, der britische Feldmarschall Lord Peter Inge, der französische Admiral Jacques Lanxade und der niederländische General Henk van den Breemen wollen die NATO an der Seite der USA und der EU zu einem offensiv ausgerichteten Militärbündnis machen. Das bisherige Völkerrecht - vor allem das Prinzip der staatlichen Souveränität - soll beiseite geschoben und durch ein Gewohnheitsrecht ersetzt werden, das vom Westen definiert wird. Die Autoren bestehen zudem auf eine Strategie atomarer Erstschläge.
Das 152-seitige Papier, das früher geäußerte Ideen aufgreift (Die Nato soll Pipelines und Energieressourcen sichern), kursiert seit Anfang Januar in Brüssler EU-Kreisen. Obwohl einige wenige Medien wie Die Zeit oder The Guardian über das Dokument berichteten, ist die Brisanz der Vorschläge offenbar nur wenigen politischen Entscheidungsträgern klar. Denn die Militärs fordern nicht nur eine grundsätzliche, langfristige und irreversible Neuausrichtung der NATO von einem Defensiv- zu einem Offensivbündnis. Auch die Einsatzgründe verschieben sich. So soll die Bedrohung der geopolitischen Dominanz des Westens und seiner Kultur künftig ebenso als Kriegsgrund dienen wie die Sicherung von Energieressourcen. Das Papier bestätigt die schlimmsten Befürchtungen der geopolitischen Gegenspieler der NATO und bedeutete - würde es umgesetzt - das Ende des bisherigen Völkerrechtes. (mehr…)
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Dazu in den NachDenkSeiten:
NATO-Gipfel in Bukarest: IPPNW warnt vor gefährlicher NATO-Strategie
Mit großer Sorge verfolgt die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) die Beratungen des NATO-Gipfels vom 2. - 4. April in Bukarest. Das im Vorfeld bekannt gewordene Strategiepapier »Towards a Grand Strategy for an Uncertain World« propagiert die Bereitschaft zum atomaren Erstschlag und zu militärischen Interventionen ohne völkerrechtliche Legitimation durch den Weltsicherheitsrat. Die Autoren aus höchsten NATO-Kreisen fordern u.a. eine »Eskalationsdominanz« zur Sicherung der westlichen Kultur und Lebensweise. Diese Denkweise ist nach Auffassung der IPPNW in keiner Weise geeignet, ein friedliches und zivilisiertes Zusammenleben zu fördern, sondern entspringt einer unverantwortlichen Hybris und fehlgeleiteten Allmachtsfantasien des politisch-militärisch-industriellen NATO-Komplexes.
Quelle 1: www.ippnw.de
Quelle 2: Studie [PDF - 2 MB]
Kommentar AM: Hier passieren stetig schreckliche Veränderungen. Siehe auch unser Hinweis 21 vom 28. Februar: Grand Strategy