Neoliberaler Rechtsextremismus

Die Ideologie des entfesselten Marktes kommt ohne die Figur des Führers aus. Der zentrale Angriff auf die Demokratie wird heute von einer »Diktatur der Besten« geführt

Von Werner Pirker

Die eine Aussage ist in Hitlers »Mein Kampf« zu finden. Die andere tätigte der Vordenker des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek, in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Die eine lautet: »Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich, daß sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können.« Die andere: »Das hohe Maß an persönlicher Freiheit, das ihnen (den Wirtschaftsakteuren; W. P.) zugebilligt wird, ist durch die Tatsache zu erklären, daß erfahrungsgemäß die Leistungsfähigkeit des einzelnen durch weitgehende Freiheitsgewährung mehr gesteigert wird als durch Zwang von oben, und es weiter geeignet ist zu verhindern, daß der natürliche Ausleseprozeß, der den Tüchtigsten, Fähigsten und Fleißigsten befördern soll, etwa unterbunden wird.« Die richtige Zuordnung der beiden Zitate entspricht nicht der Reihenfolge der oben Genannten: Ersteres stammt von Friedrich Hayek, letzteres von Adolf Hitler.

»Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa« lautet der Titel eines im Dietz-Verlag erschienenen, von Peter Bathke und Susanne Spindler herausgegeben Buches. Seine Autoren werden der Themenstellung, der Bestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Erscheinungen auf sehr unterschiedliche Weise gerecht – manche überhaupt nicht. Am deutlichsten wird die Wesensverwandtschaft von Neoliberalismus und Rechtsextremismus von Herbert Schui – auch in der überraschenden Präsentation Hitlers als »Ultraliberalen« und Hayeks als »Völkischen« – herausgearbeitet. In seinem Beitrag »Rechtsextremismus und totaler Markt« hält er fest: »Entscheidend für den Zusammenhang dieser neoliberalen Entwicklungsvorstellung mit dem Rechtsextremismus ist die Idee der Aussiebung und Auslese.« (mehr…)

Verfassungsfeindliche Umtriebe auf deutschen Volkswirtschaftslehrstühlen

Anhänger des Marktradikalismus bekämpfen die in Artikel 38 Grundgesetz verankerte allgemeine, unmittelbare, freie und vor allem die gleiche Wahl: Die „Leistungselite“ müsse vor der Mehrheit geschützt werden.
In einem „ordnungspolitischen Blog ´Wirtschaftliche Freiheit`“ stellt der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, Roland Vaubel, das schon 1787 in der amerikanischen und mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts seit 1918 in den deutschen Verfassungen verankerte gleiche Wahlrecht zugunsten eines Schutzes der „Leistungselite“ in Frage.

Noch mehr Schutz als eine Änderung des Wahlrechts im Grundgesetz biete allerdings der „Standortwettbewerb“ zwischen den Staaten. Deshalb liege in der Globalisierung eine große Chance: sie zwinge die Politiker jenseits aller Wahlergebnisse um die Gunst der „Leistungseliten“ zu konkurrieren. (mehr…)

Notfalls gegen das Gesetz

UNGLAUBLICHE PRAKTIKEN

Steinmeier und Schily offenbaren im “Fall Kurnaz” ein schwer degeneriertes Rechtsverständnis

von Rudolf Walther

Ackermann von der Deutschen Bank, Pierer von Siemens und Hartz von VW - das sind die Normalfälle. Die Justiz hat dafür die mit dem Neoliberalismus verträgliche Rechtsform des Deals beziehungsweise Kuhhandels vorgesehen - die Betroffenen ihre Portokassen. Darüber kann man sich aufregen, muss man aber nicht. Nicht um Peanuts, sondern ums Ganze geht es im Falle von Murat Kurnaz, des Bremers türkischer Herkunft. Die Vorgänge, die jetzt ans Licht kommen, zeigen den Zustand von Demokratie und Rechtsstaat.

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellten die Regierungsparteien CDU/ CSU und SPD keine eigenen Beweisanträge und stimmten diejenigen der Opposition einfach nieder. Der Regierungsapparat sorgte mit restriktiven Aussagegenehmigungen dafür, dass alles unter der Decke blieb - bis das ganze Ausmaß des Skandals dank einer Indiskretion durchsickerte. Das heißt, ein wichtiges Instrument demokratischer Kontrolle - der Untersuchungsausschuss - wurde im Zusammenspiel von Regierung und Regierungsparteien monatelang kaltschnäuzig lahmgelegt. (mehr…)

“Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen”

“Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen”
Steinmeier, Schily, der Fall Kurnaz und die Demokratie

Die Versuche der damals verantwortlichen Politiker, jede Mitverantwortung im Fall Murat Kurnaz so weit als nur irgend möglich von sich zu weisen, führen mittlerweile dazu, daß sich ihre öffentlichen Erklärungen widersprechen.

“Die frühere Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt auch nur andeutungsweise den Versuch gemacht, die Freilassung von Kurnaz zu verhindern oder auch nur zu behindern. Im Gegenteil: Es gab Bemühungen, die US-Regierung zu einer Freilassung zu bewegen”, sagte der damalige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily in einem am Sonntag in der “Bild am Sonntag” veröffentlichten Interview. (mehr…)

Klotzen statt kleckern

Rubrik: ARTIKEL 3 - Gleichheit vor dem Gesetz von admin am 8. Feb. 2007

Verbrechensstrategien in Zeiten der “Prozeßökonomie”

  Das Urteil gegen den früheren Personalvorstand der Volkswagen AG, Peter Hartz, läßt eine ganze Reihe Fragen offen, bietet andererseits aber auch eine geradezu offensichtliche Anleitung für ambitionierte angehende Wirtschaftskriminelle.Schon vor Prozeßbeginn hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung eine Absprache - einen “Deal” - ausgemacht: Hartz würde sich schuldig bekennen, im Ausgleich hierfür würden mehrere Anklagepunkte fallengelassen und er zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt werden. Und so kam es denn auch - Peter Hartz wurde zu einer zur Bewährung ausgesetzten zweijährigen Gefängnisstrafe und einer Geldstrafe von insgesamt 576.000 Euro verurteilt. Damit ist der 65-Jährige zwar vorbestraft, aber ein freier - und angesichts eines mit rund 2,7 Millionen Euro angegebenen Anlagevermögens und monatlicher Einkünfte von 25.000 Euro keinesfalls armer - Mann. (mehr…)

Norbert Blüm: «Was hast du dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan?»

Gerechtigkeit versus Neoliberalismus und Globalisierung

Nobert Blüms neues Buch

von Karl Müller, Deutschland

«Wir haben es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt, totalitär zu werden, weil sie alles unter den Befehl einer ökonomischen Ratio zu zwingen sucht. Das jedoch ist eine verkrüppelte Ratio. […] Eine Wirtschaftsordnung, die Entlassungen regelmässig mit Gewinnsteigerung beantwortet, wird nicht überleben. Die Menschen werden es sich nicht gefallen lassen.»
Norbert Blüm

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird von den Reichen und Mächtigen der Welt hofiert. In Davos, beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum WEF, durfte sie am 24. Januar, nun schon zum zweitenmal hintereinander, die Eröffnungsrede halten. Diese Rede zeigt denn auch, warum Angela Merkel hofiert wird. In gestellter Biederkeit trägt sie vor, dass die Globalisierung eine gute Sache sei, eine Chance und kein Risiko. Das Zusammenwachsen der Welt brauche aber auch richtige politische Rahmenbedingungen. Zum Beispiel «mehr Freiheit». Für Merkel bedeutet dies eine Ausweitung des europäischen Binnenmarktes mit seinen vier Grundsätzen der Globalisierung: ungehemmter Handel mit Gütern und Dienstleistungen, ungehemmtes Hin- und Herschieben von Menschen und vor allem ungehemmter Kapitalverkehr. Und ganz speziell: die «Vertiefung der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der EU und den USA» («Neue Zürcher Zeitung» vom 25. Januar). Merkel «schwebt eine Binnenmarkt-ähnliche Struktur vor». (ebenda)
Merkel steht für die Ideologie des Homo oeconomicus. (mehr…)

Moralische Abrüstung

Rubrik: ARTIKEL 3 - Gleichheit vor dem Gesetz von admin am 3. Feb. 2007

Robert Kurz

SIEMENS UND HARTZ Die neue Skandal-Kultur steht in voller Blüte

Nichts geht mehr, aber alles ist möglich. So könnte die postmoderne Devise für die deutsche demokratische Bananenrepublik lauten. Eine seifige Affäre jagt die nächste. Das Korruptionsnetz im Siemens-Konzern enthüllt sich in seinen Dimensionen erst allmählich. Kaum hat Vorstandschef Kleinfeld die jüngst entdeckten schwarzen Kassen mühsam heruntergeredet und die “Rechtschaffenheit” des Unternehmens als Legende beschworen, ergeben sich neue Indizien für Bestechungsgelder zwecks Aufträgen in China ausgerechnet bei der Mobilfunksparte, die auf dubiose Weise an den taiwanesischen BenQ-Konzern verschenkt worden war.
Mit dem bekannten Ergebnis einer ebenso dubiosen Pleite samt Massenentlassung. Wie es scheint, ist die Geldwäsche kein Privileg der Mafia mehr. Das gehört jetzt zum stinknormalen “business as usual”. Die Rekordgeldbuße der EU-Kommission gegen Siemens wegen Kartellabsprachen fällt da kaum noch auf. (mehr…)

Krieg gegen die Armen

Deutsch-amerikanische Parallelen in der Diskussion
Der Krieg gegen die Armut wird in der öffentlichen Debatte zum Krieg gegen die Armen / Von Albert Scharenberg


Obwohl also die sozialwissenschaftliche Diskussion über die (schwarze) “Unterklasse” in den USA anhält, hat sich die gesellschaftliche Debatte über Armut in den letzten Jahren erneut verschoben. Im Fokus standen zuletzt insbesondere die sogenannten “working poor”, also jene Menschen, die trotz (Vollzeit-)Arbeit nicht genug verdienen, um zumindest eine bescheidene Variante des American Way of Life erreichen zu können.

Dabei kommt den auch hierzulande populären Büchern von Barbara Ehrenreich über die “arbeitenden Armen” das Verdienst zu, die Armutsdebatte gewissermaßen “aus dem Ghetto herausgeholt” und damit wieder gesellschaftlich verallgemeinert zu haben. Dadurch wird zugleich der Stigmatisierung der Boden entzogen und ein Gegeneinanderausspielen der Betroffenen erschwert. (mehr…)

Unterlassene Hilfeleistung - oder Mord?

Für die Rettung bezahlen - Katastrophen-Apartheid droht

Naomi Klein

Ãœbersetzung: Andrea Noll

Soeben kündigt das Rote Kreuz eine Katastrophenhilfe-Partnerschaft mit Walmart an. Wenn der nächste Hurrikan zuschlägt, werden wir folglich eine Koproduktion von Big Aid und Big Box erleben.
Anscheinend lautet die Lehre aus der jämmerlichen Reaktion der amerikanischen Regierung auf Hurrikan Katrina: Die Geschäftswelt ist besser für Katastrophen gewappnet.

Katrina: Die amerikanische Regierung verzichtete auf eine ihrer Kernaufgaben - die Pflicht, ihre Bevölkerung vor Katastrophen zu schützen.
“Bevor das vorbei ist, wird alles privatisiert sein”, so Billy Wagner, Leiter des Notfallmanagements der Florida Keys im April 2006. Derzeit stehen die Keys unter Hurrikan-Beobachtung (Tropensturm Ernesto). “Sie (die privaten Unternehmen) haben das Fachwissen. Sie haben die Ressourcen”. (mehr…)

Import aus Pinochets Chile: Agenda 2010

Das Auge des Hurrikans: Milton Friedman und der globale Süden

von Walden Bello

Ökonomen feiern den kürzlich verstorbenen Milton Friedman als “Champion der Freiheit”, “dessen Werk die Wirtschaft und die Welt verändert hat” (wie es in einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times heißt). Die Menschen des globalen Südens hingegen werden Professor Friedman von der Chicagoer Universität als das Auge eines menschgemachten Hurrikans in Erinnerung behalten - eines Hurrikans, der eine Schneise der Verwüstung durch ihre Ökonomien schlug. Noch lange werden sie den Namen Friedman mit zwei Dingen in Verbindung bringen: mit den chilenischen Reformen des Freien Marktes und den “Strukturanpassungsprogrammen” in der so genannten ‘Dritten Welt’.

Kurz nach dem Staatsstreich gegen die Regierung Allende am 11. September 1973 übernahmen chilenische Absolventen der Friedman-Schule (bald bekannt unter dem Namen “Chicago Boys”) das Ruder der chilenischen Wirtschaft und führten, mit großem missionarischem Eifer, ein Wirtschaftstransformationsprogramm durch. Angesichts seiner vielzitierten Behauptung, politische Freiheit und Marktfreiheit gingen Hand in Hand, müsste Friedmann, dem Guru, die Ironie eigentlich aufgefallen sein, dass in Chile ausgerechnet die Bajonette einer der blutigsten Diktaturen Lateinamerikas das Paradies des Freien Marktes durchsetzten. (mehr…)

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