Der kleine Katechismus - Die Glaubensgrundsätze des neoliberalen Mainstreams

von Matthias Burghardt

DER ERSTE GLAUBENSGRUNDSATZ
PRIVAT GEHT VOR STAAT

Was heißt das?
Wir setzen wenig Vertrauen in den Staat und staatliches Handeln. Der Staat ist zu fett, er muss schlanker werden, d.h. staatliche Aufgaben müssen Schritt um Schritt in die Hände der Privatwirtschaft gelegt werden. Ist dies gelungen muss dann streng nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gehandelt werden, um rasch Gewinne zu erzielen.

Wie verwirklicht man das?
Zunächst gilt es, das Vertrauen in den Staat, seine Institutionen, Behörden und Sicherungssysteme nachhaltig zu beschädigen. Dies kann durch vielfältige Aktionen erreicht werden. Sehr effektiv ist es beispielsweise, den Ärger der Bevölkerung über Fehlentwicklungen zu kanalisieren und die Schuld nicht den Eliten und ihren falschen politischen Entscheidungen, sondern einfach dem Staat anzulasten. Die tägliche Propaganda ist unabdingbar und muss möglichst in allen Massenmedien verbreitet werden. (mehr…)

Neoliberaler Rechtsextremismus

Die Ideologie des entfesselten Marktes kommt ohne die Figur des Führers aus. Der zentrale Angriff auf die Demokratie wird heute von einer »Diktatur der Besten« geführt

Von Werner Pirker

Die eine Aussage ist in Hitlers »Mein Kampf« zu finden. Die andere tätigte der Vordenker des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek, in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Die eine lautet: »Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich, daß sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können.« Die andere: »Das hohe Maß an persönlicher Freiheit, das ihnen (den Wirtschaftsakteuren; W. P.) zugebilligt wird, ist durch die Tatsache zu erklären, daß erfahrungsgemäß die Leistungsfähigkeit des einzelnen durch weitgehende Freiheitsgewährung mehr gesteigert wird als durch Zwang von oben, und es weiter geeignet ist zu verhindern, daß der natürliche Ausleseprozeß, der den Tüchtigsten, Fähigsten und Fleißigsten befördern soll, etwa unterbunden wird.« Die richtige Zuordnung der beiden Zitate entspricht nicht der Reihenfolge der oben Genannten: Ersteres stammt von Friedrich Hayek, letzteres von Adolf Hitler.

»Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa« lautet der Titel eines im Dietz-Verlag erschienenen, von Peter Bathke und Susanne Spindler herausgegeben Buches. Seine Autoren werden der Themenstellung, der Bestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Erscheinungen auf sehr unterschiedliche Weise gerecht – manche überhaupt nicht. Am deutlichsten wird die Wesensverwandtschaft von Neoliberalismus und Rechtsextremismus von Herbert Schui – auch in der überraschenden Präsentation Hitlers als »Ultraliberalen« und Hayeks als »Völkischen« – herausgearbeitet. In seinem Beitrag »Rechtsextremismus und totaler Markt« hält er fest: »Entscheidend für den Zusammenhang dieser neoliberalen Entwicklungsvorstellung mit dem Rechtsextremismus ist die Idee der Aussiebung und Auslese.« (mehr…)

TORNADOS NACH AFGHANISTAN?Drei Viertel der Bundesbürger sind dagegen

Horst-Eberhard Richter

Vor dem Irak-Krieg gingen am 15. Februar 2003 Millionen auf die Straße, weil sie den Krieg ablehnten. Umfragen bestätigten den Mehrheitswillen gegen den Krieg. Dass Kanzler Schröder dem Votum der Bevölkerung folgte und von den Deutschen mit seiner Wiederwahl belohnt wurde, verübelte ihm seinerzeit die Opposition, als wäre es unschicklich gewesen, dem Volk statt Bush zu folgen.

Nun ist eine ähnliche Situation entstanden. Erneut wollen die Amerikaner einen deutschen Militäreinsatz, nämlich mit Tornados und Soldaten im Süden Afghanistans. Wieder signalisiert das Volk Ablehnung. Bereits im Oktober 2006 wünschten sich fast drei Viertel eine Reduzierung militärischer Auslandseinsätze. Im November wurde es ganz klar: 72 Prozent sprachen sich laut FORSA entschieden gegen einen militärischen Beistand für die NATO in Südafghanistan aus. Alle Beteuerungen von Regierungsseite, die den geplanten Einsatz von deutschen Tornados als bloße unkriegerische Aufklärungshilfe zu relativieren suchten, überzeugten nicht. Im Gegenteil: Anfang Februar sind es nunmehr sogar 77 Prozent der Deutschen, die nicht wollen, dass unsere Regierung die NATO-Bitte um Tornado-Hilfe im afghanischen Süden erfüllt. (mehr…)

Hey, ihr da unten!

Rubrik: ARTIKEL 5 - Freiheit von Meinung, Presse, Information von admin am 17. Feb. 2007

Heute erscheint sie also: die deutsche “Vanity Fair”. Hat sich Chefredakteur Ulf Poschardt endlich ein Zentralorgan seines neokonservativen Bobospießertums gebastelt?

VON ROBERT MISIK

Im neueren deutschen Spießertum haben sich in den vergangenen Jahren zwei paradigmatische Phänotypen herausgebildet: der pausbäckig-altväterliche “Mehr-Anstand-mehr-Kinder-mehr-Sittlichkeit”-Typus vom Udo-di-Fabio-Eva-Herman-Schlag und das hippe, zeitgeistige Bobospießertum, das seine Trägerschichten in verweichlichten Mittelstands-Bubis gefunden hat, die früher Pop gehört und Müll getrennt haben und nun, weil sie sich im bundesrepublikanischen Sozialstaat langweilen, mehr Härte ins Leben bringen wollen. Wohlgemerkt: mehr Härte ins Leben der Anderen.

Letztere sind eindeutig interessanter, erstens, weil es sich bei ihnen um die lässigeren - und damit die gefährlicheren - Typen handelt, und zweitens, weil das, was sie sagen, nicht völlig vertrottelt ist. Sie liegen nie ganz daneben - nur immer ein bisschen. Die bemerkenswerteste Figur dieser neokonservativen Parallelgesellschaft ist Ulf Poschardt, Ex-Tempo-Redakteur, Ex-SZ-Magazin-Macher und nunmehr Leithammel der Vanity Fair, die ab heute der neue Stern am deutschen Lifestyle-Magazin-Himmel sein will. (mehr…)

Deutsche Tornados: Statt Rügen nun Afghanistan?

Bundesregierung will politischen Entscheid für den Weg in den grossen Krieg

von Karl Müller, Deutschland

Deutsche Tornados suchten Anfang 2006 tote Schwäne auf der Insel Rügen. Zumindest wurde das behauptet. Geglaubt hat es kaum einer. Was die Tornados über der Insel Rügen wirklich suchten, ist bis heute ungeklärt. Aber ganz offensichtlich ging es um politische Ziele.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Deutsche Bundestag am 1. Februar am späten Abend mit den Stimmen aller Fraktionen ausser der Linkspartei beschlossen, den USA weiterhin uneingeschränkte Ãœberflug- und Nutzungsrechte in Deutschland zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juni 2005 ausführlich begründet, warum deutsche Unterstützungsleistungen bei völkerrechtswidrigen Kriegen in Form von Ãœberflug- und Transitrechten selbst völkerrechtswidrig sind. Die Mehrheit des Bundestages hat sich offensichtlich darüber hinweggesetzt und der «Bündnissolidarität» Vorrang vor dem Recht eingeräumt, obwohl auch die Abgeordneten wissen, dass die USA, so salopp verharmlosend der CSU-Abgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg in der Debatte, «gelegentlich» auf Mittel zurückgriffen, «die unserem Rechtsverständnis fremd sind». (mehr…)

Kriegsverbrechen

MÃœNCHEN/TEHERAN/KABUL

Vor dem Hintergrund eskalierender Spannungen am Persischen Golf und begleitet von schweren Protesten beginnt am morgigen Freitag die 43. Münchner Sicherheitskonferenz. Sie gilt als zentraler Ort globaler Kriegs- und Rüstungsplanungen und wird in diesem Jahr auf die Debatte um einen möglichen Überfall auf den Iran konzentriert. Der Sekretär des Teheraner Sicherheitsrats, Ali Laridschani, halte sich am Rande der Tagung zu einem persönlichen Treffen mit der deutschen Kanzlerin bereit, heißt es in Berlin. Zu Abstimmungen für den Fall eines weiteren Krieges im Mittleren Osten hat Bundeskanzlerin Merkel gerade mehrere arabische Staaten besucht, die vor wenigen Wochen erklärt hatten, die US-Kriegsstrategie im Irak unterstützen zu wollen.

In Vorbereitung auf die Konferenz beschloss das Bundeskabinett am gestrigen Mittwoch, deutsche Aufklärungsflugzeuge in das afghanische Kriegsgebiet zu entsenden. Soldaten der Luftwaffe werden sich dort im Rahmen der westlichen Aufstandsbekämpfung an der militärischen Zielerfassung beteiligen und mutmaßlich in Kriegsverbrechen verwickelt werden, urteilen Kritiker. An der Planung des Einsatzes sind deutsche Militärs seit Monaten beteiligt. (mehr…)

Repräsentativer Verfassungsfeind

Trubel zur Sicherheitskonferenz


“In Diktaturen würde so etwas nicht passieren”


Wirbel um Horst Teltschik: Der ehemalige Berater von Helmut Kohl und Organisator der Sicherheitskonferenz in München nennt es im Interview tragisch, “dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf”. Die Politik ist empört.

Von Bernd Kastner

Eine Äußerung von Horst Teltschik, Organisator der Sicherheitskonferenz, stößt parteiübergreifend auf Empörung und Unverständnis. Teltschik sagte am Mittwoch in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die Frage, ob ihn die Demonstrationen gegen die Tagung störten:

“Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.‘‘ (mehr…)

Verfassungsfeindliche Umtriebe auf deutschen Volkswirtschaftslehrstühlen

Anhänger des Marktradikalismus bekämpfen die in Artikel 38 Grundgesetz verankerte allgemeine, unmittelbare, freie und vor allem die gleiche Wahl: Die „Leistungselite“ müsse vor der Mehrheit geschützt werden.
In einem „ordnungspolitischen Blog ´Wirtschaftliche Freiheit`“ stellt der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, Roland Vaubel, das schon 1787 in der amerikanischen und mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts seit 1918 in den deutschen Verfassungen verankerte gleiche Wahlrecht zugunsten eines Schutzes der „Leistungselite“ in Frage.

Noch mehr Schutz als eine Änderung des Wahlrechts im Grundgesetz biete allerdings der „Standortwettbewerb“ zwischen den Staaten. Deshalb liege in der Globalisierung eine große Chance: sie zwinge die Politiker jenseits aller Wahlergebnisse um die Gunst der „Leistungseliten“ zu konkurrieren. (mehr…)

Profite im Treibhaus

Rubrik: ARTIKEL 20a - Umweltschutz von admin am 9. Feb. 2007

Klimaschutzbericht der Vereinten Nationen geht von dramatischer Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten aus. Verursacher machen Rekordgewinne


Von Wolfgang Pomrehn

Wer noch eine Bestätigung gebraucht hat, bekam sie am Freitag. In Paris stellten Wissenschaftler den ersten Teil eines neuen Klimaberichts der Vereinten Nationen vor. Demnach wird in den kommenden Jahrzehnten das Fieberthermometer des Planeten weiter nach oben klettern. Die entscheidende Frage ist allerdings, wie stark der Klimawandel ausfallen wird.

Kann das Steuer noch herumgerissen und der Treibhausgas-Ausstoß drastisch reduziert werden, dann läßt sich der Anstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf ein bis 2,7 Grad beschränken. Schon das kann jedoch jenseits dessen sein, was für Landwirtschaft, Fischerei und Küstenbewohner gerade noch erträglich ist. Ganz dick wird es aber kommen, wenn einfach so weiter wie bisher gewirtschaftet wird. Für den Business-as-usual-Fall gehen die Prognosen auf Grundlage der verschiedenen Computersimulationen von 2,4 bis 6,3 Grad Anstieg in den kommenden 90 Jahren aus. (mehr…)

Notfalls gegen das Gesetz

UNGLAUBLICHE PRAKTIKEN

Steinmeier und Schily offenbaren im “Fall Kurnaz” ein schwer degeneriertes Rechtsverständnis

von Rudolf Walther

Ackermann von der Deutschen Bank, Pierer von Siemens und Hartz von VW - das sind die Normalfälle. Die Justiz hat dafür die mit dem Neoliberalismus verträgliche Rechtsform des Deals beziehungsweise Kuhhandels vorgesehen - die Betroffenen ihre Portokassen. Darüber kann man sich aufregen, muss man aber nicht. Nicht um Peanuts, sondern ums Ganze geht es im Falle von Murat Kurnaz, des Bremers türkischer Herkunft. Die Vorgänge, die jetzt ans Licht kommen, zeigen den Zustand von Demokratie und Rechtsstaat.

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellten die Regierungsparteien CDU/ CSU und SPD keine eigenen Beweisanträge und stimmten diejenigen der Opposition einfach nieder. Der Regierungsapparat sorgte mit restriktiven Aussagegenehmigungen dafür, dass alles unter der Decke blieb - bis das ganze Ausmaß des Skandals dank einer Indiskretion durchsickerte. Das heißt, ein wichtiges Instrument demokratischer Kontrolle - der Untersuchungsausschuss - wurde im Zusammenspiel von Regierung und Regierungsparteien monatelang kaltschnäuzig lahmgelegt. (mehr…)

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