Mit den Mitteln der Feindschaft

AUSNAHMEZUSTAND   -   Die Entregelung staatlicher Gewalt in Verbindung mit den immer perfekteren Kontrolltechnologien könnte in einem autoritären Alptraum münden. Eine Warnung
Von Raul Zelik

reichstag-panzer.jpgAls Giorgio Agamben 2003 schrieb, dass sich der Ausnahmezustand mit dem War on Terror in “das herrschende Paradigma des Regierens” verwandele, wurde er von Kritikern belächelt. Von einer “Unbestimmtheit zwischen Demokratie und Absolutismus”, wie sie der italienische Philosoph auszumachen glaubte, sei die westliche Gesellschaft noch Lichtjahre entfernt.
Mittlerweile lässt sich kaum noch leugnen, dass die staatliche Gewalt in den vergangenen Jahren systematisch enthegt worden ist. Die US-Regierung hat in Guantánamo und an anderen, geheimen Orten Räume des Ausnahmezustands errichtet, in denen - zumindest bislang - weder nationales Recht noch internationale Kriegskonventionen gelten. Folter ist von führenden Repräsentanten der USA als “robuste Verhörmethode” verharmlost und damit legitimiert worden. Ein Tabubruch, der vom “Folterverbot”, den das Weiße Haus vor wenigen Wochen verkündete, nicht rückgängig gemacht wird. Gleichzeitig wird die Kriegführung immer stärker an so genannte “Private Militärdienstleister” (PMC´s) outgesourcet und damit der öffentlichen Kritik systematisch entzogen. Im Irak stellen die PMC´s mit mehreren zehntausend Mann mittlerweile das zweitgrößte Besatzungskontingent nach der US-Armee. (mehr…)

Wer ist al-Kaida?

Fälschungen vermeintlicher al-Kaida-Videos nachgewiesen
Zeit-Fragen.ch

osama-bert-tv.jpgkm. Berichte über einen Vortrag des amerikanischen Computerexperten Neal Krawetz auf der «BlackHat-Konferenz» für Computersicherheit in Las Vegas am 3. August (pdf) machen derzeit in ein paar wenigen Printmedien und vor allem auf internationalen Webseiten die Runde. Krawetz hat Beweise dafür vorgelegt, dass sogenannte al-Kaida-Videos in der Regel digital manipuliert wurden. Die al-Kaida-Videos wurden vor ihrer Veröffentlichung von der US-Firma IntelCenter bearbeitet. Krawetz demonstrierte an einem Beispiel, wie das vermeintliche Logo des al-Kaida-Senders «As Sahab» genauso wie das Logo des IntelCenter dem Video im nachhinein technisch gleichartig beigefügt wurden. (mehr…)

Deutschlands Bürger und die Machtpolitik

Rubrik: ARTIKEL 20 Absatz 4 - Widerstandsrecht von admin am 16. Aug. 2007

Zivilgesellschaftliches Engagement kann ein Gegengewicht und Quelle direkter Demokratie sein

Von Karl Müller

der-srturmer-bagdad.jpgHatte sich schon der schuldig gemacht, der vor dem 30. Januar 1933 nicht alles daran gesetzt hatte, eine Machtübernahme der Nationalsozialisten zu verhindern? Hatte sich der schuldig gemacht, der in Deutschland blieb und keinen aktiven Widerstand leistete? Oder war nur der schuld, der sich aktiv an den Verbrechen des Regimes beteiligt hatte? Und wie steht es mit den Kräften, die sich zwar selbst die Hände nicht schmutzig machten, aber ein grosses Interesse daran hatten und auch einiges dafür getan haben, dass die Nationalsozialisten die Macht erringen und ihr Programm der Zerstörung umsetzen konnten?
Oder ist es sinnvoller, nicht die Schuldfrage ins Zentrum zu rücken, sondern die Suche nach den mitmenschlichen Kräften im Menschen, auch wenn sie sich schuldig gemacht haben? Der deutsche Schriftsteller Carl Zuckmayer hat das getan. Seine Berichte über die Deutschen und Deutschland, die er im Auftrag der US-Regierung während und nach dem Krieg anfertigen musste und die erst vor ein paar Jahren einer grösseren Öffentlichkeit zugänglich wurden (Geheimreport, 2002, ISBN 3-89244-599-0; Deutschlandbericht, 2004, ISBN 3-89244-771-3), lagen quer zur nach dem Krieg verbreiteten Sicht.
Aber man muss auch bedenken: Welche Gefahren bestehen, wenn man sich auf das «Gute im Menschen» konzentriert und Teile der Wirklichkeit ausblendet? Vor allem dann, wenn die «Schuldigen» ihre Schuld nicht sehen oder nicht sehen wollen. (mehr…)

Mohammed und die Brandstifter

Sehenden Auges: Die amerikanischen Rüstungspläne für den Nahen und Mittleren Osten sind so rational wie irrsinnig

Von Mohssen Massarrat

kissinger.jpgDie US-Regierung tritt im Irak auf der Stelle, und die Zahl der Amerikaner, die der Irak-Politik ihres Präsidenten eine Absage erteilen, wächst von Tag zu Tag. Da überrascht das Weiße Haus mit der Schreckensnachricht, Saudi-Arabien, die Golfstaaten und Ägypten - allesamt sunnitisch-arabische Länder - mit Waffen im Wert von 34 Milliarden Dollar ausstatten zu wollen. Kein Waffenexporteur, sondern die Bush-Regierung höchstselbst verkündet ungeniert den neuen Aufrüstungsplan, als würde es sich bei den Abnehmern um eigene Bundesstaaten handeln. Damit Bedenken gegen die Aufrüstung seiner Widersacher gar nicht erst aufkommen, soll Israel in etwa gleichem Umfang Rüstungsgüter erhalten.
Die politische Rechtfertigung für dieses Geschäft liegt auf der Hand. Es geht um Iran, richtiger: das Feindbild Islamische Republik als dem Kernstaat des schiitischen Islam, das die CIA-PR-Agenturen in den vergangenen Jahren so erfolgreich aufgebaut und kolportiert haben. Es wird immer offensichtlicher: Der militärindustrielle Komplex der USA hat einen in sich konsistenten Langzeitplan für den Mittleren und Nahen Osten - Wettrüsten, Wettrüsten und noch einmal Wettrüsten. (mehr…)

Privatisierung des Wohlfahrtsstaates gefährdet Demokratie

Der Neoliberalismus will alles privatisieren, egal ob Bildungsinstitutionen, Stadtwerke oder Gefängnisse. Ein Gespräch dazu mit dem Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge

Von Michael Klarmann

butterwegge_gr.jpgDer Neoliberalismus gefährdet die Demokratie und das Gemeinwesen, sagt Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln. Der 56-Jährige ist Mitautor des Mitte August erscheinenden Buches “Kritik des Neoliberalismus”, in dem Butterwegge zusammen mit einer Sozialwissenschaftlerin und einem Ökonomen Grundlagen, Theorien und geschichtliche Hintergründe des “Marktradikalismus” analysiert. Dabei werden auch unterschiedliche Denkschulen und die Widersprüche einer Wirtschaftsform der “Umverteilung von unten nach oben” dargestellt. (mehr…)

Angriff aufs Grundgesetz

Von Daniel Behruzi

aasgeier-db.jpgDer für Donnerstag geplante Streikauftakt bei der Bahn findet vorerst nicht statt. Das Nürnberger Arbeitsgericht verbot der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Mittwoch per einstweiliger Verfügung, zu Arbeitsniederlegungen im Fern- und Güterverkehr aufzurufen. Vor allem die Begründung des Urteils, in der u.a. auf drohende volkswirtschaftliche Schäden durch den Streik verwiesen wird, sorgt bei Juristen und Gewerkschaftern für Empörung. Die Fahrpersonalgewerkschaft, die sofort Widerspruch gegen das Verbot einlegte, will sich an die Entscheidung halten, solange diese Bestand hat. Zugleich kündigte GDL-Chef Manfred Schell am Mittwoch in Frankfurt am Main an, bei Arbeitskampfmaßnahmen im Personenverkehr künftig keine Vorwarnungen mehr zu geben.
Bis zum 30. September sind Arbeitsniederlegungen der Gerichtsentscheidung zufolge bundesweit verboten. Mit dem Widerspruch der GDL wollen sich die Nürnberger Richter erst am Freitag befassen. Sollte dieser und die dann folgende Berufung beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg bleiben, will die GDL vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. (mehr…)

Geiseln der Privatisierung

Die Gewerkschaften müssen über neue Kampfmethoden nachdenken

KOMMENTAR VON OSKAR LAFONTAINE

generalstreik.jpgDie Realeinkommen der Bahn-Beschäftigten befinden sich seit 2005 im freien Fall. Vor allem aufgrund von Arbeitszeitverlängerungen sind sie im letzten Jahr um rund zehn Prozent gefallen. Und auf die letzten drei Jahre bezogen, weist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sogar einen Reallohnverlust von fast dreißig Prozent aus. Vor diesem Hintergrund wirkt die Forderung von Lohnsteigerungen bis zu 31 Prozent keineswegs schrill. Zum Vergleich: Laut dem DB-Geschäftsbericht sind die Gesamtbezüge des achtköpfigen Bahn-Vorstands allein 2006 um 62,5 Prozent auf über 20 Millionen Euro gestiegen. Der Aufsichtsrat, der dies genehmigte, verdreifachte sogar fast seine Bezüge auf 875.000 Euro. Komme es zu Bahn-Streiks, so schade das der Wirtschaft und dem Ansehen Deutschlands, ließ Bundeswirtschaftsminister Glos in der Bild am Sonntag verlauten. Die parteiischen Töne des Bundeswirtschaftsministers zeigen, auf welcher Seite er steht. Ein neutralerer Beobachter hätte ja auch darauf verweisen können, dass es ja vielleicht sogar dem Ansehen Deutschlands schade, dass ein deutscher Lokführer weniger als die Hälfte am Ende eines Monats nach Hause trägt als sein Schweizer Kollege - oder rund tausend Euro weniger als ein spanischer und französischer Kollege! (mehr…)

Das Gesicht und das Gehirn des Krieges

Und trotzdem kommt es auf jeden einzelnen an

Von Karl Müller, Deutschland

deserteur.jpgJoshua Key ist ein Deserteur aus der US-amerikanischen Armee. Er konnte Hilfe finden und mit seiner Familie, seiner Frau und vier Kindern nach Kanada fliehen. Dort hofft er auf politisches Asyl. Joshua Key kommt nicht aus der amerikanischen Friedensbewegung, ist kein politisch aktiver Mensch im traditionellen Sinne. Er wuchs in ärmlichen, schwierigen Verhältnissen auf. Aber von seinem Grossvater bekam er die Wurzeln für ein Gefühl für Recht und Unrecht mit, so dass das eigene Gewissen – trotz aller eingestandenen eigenen Verrohung – nicht ganz verstummen konnte.
Joshua Key war von April bis November 2003 Soldat, Gefreiter der US-Armee im Irak. Ãœber seinen Weg dorthin, seine Zeit im Irak und seine Entscheidung zu desertieren hat er ein Buch geschrieben, das dieses Jahr auch in deutscher Sprache erschienen ist: «Ich bin ein Deserteur. Mein Leben als Soldat im Irak-Krieg und meine Flucht aus der Armee». Die Schilderungen des Soldaten Key gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Es sind sehr konkrete Schilderungen, kaum Abstraktionen, die so fragwürdig sind, wenn sie das Grauen vernebeln. Joshua Key schildert, wie ihm schon in der Rekrutenausbildung jede Regung von Mitmenschlichkeit ausgetrieben und er gedrillt wurde, bedingungslos zu gehorchen und menschenverachtend zu handeln. (mehr…)

Der Bologna-Prozess für einen „Europäischen Hochschulraum“ – oder wie ein europäischer Traum an der Wettbewerbsideologie zerplatzte

Von Wolfgang Lieb, NachDenkSeiten

hyaene.jpgLernen im Gleichschritt“ hat mich in meiner Kritik bestätigt, die ich seit längerer Zeit am Hochschulreformprozess hin zur „unternehmerischen“ Hochschule übe. Lemke endet mit dem Satz „Schade, dass der Name Bologna nun auch zum Symbol für das Begräbnis der Europäischen Universität geworden ist!“ So sehe ich das auch.
Die Bologna-Erklärung für einen „Europäischen Hochschulraum“ ist 1999 von 31 europäischen Bildungsministern unterzeichnet wurde. Ich war bis zum Jahre 2000 Staatssekretär im Nordrhein-Westfälischen Wissenschaftsministerium und habe deshalb die Diskussion um diese Erklärung mitverfolgt, ja sogar mitbegleitet. Aus heutiger Sicht muss ich enttäuscht feststellen, dass die Visionen und Hoffnungen, die ich zu Beginn damit verbunden habe, im Verlauf des Bologna-Prozesses geradezu pervertiert worden sind. (mehr…)

Deutsche Intellektuelle 1914/1999

 Von Otto Köhler (Ossietzky)

Ein Jahr nach dem dritten deutschen Krieg im 20. Jahrhundert bedauert die Mitgliederversammlung des PEN-Zentrums Deutschland, daß Schriftsteller dazu bereit waren, sich hinter die Friedenspolitik der deutschen Bundesregierung zu stellen, die eine Politik des Krieges war.

art20abs4.jpgHeute, nach den Untersuchungen des ehemaligen Brigadegenerals und Leiters des Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr, Heinz Loquai, scheint dies festzustehen: Das »Massaker von Racak«, mit dem wir kriegsbereit gemacht werden sollten, war mit hoher Sicherheit eine (leider normale) Schießerei zwischen Bürgerkriegsgegnern. Und der »Hufeisenplan« zur Vertreibung aller Kosovoalbaner, mit dem Verteidigungsminister Scharping die Bombardierung Jugoslawiens rechtfertigte, war eine Erfindung des Bundesverteidigungsministeriums, um die erst nach der NATO-Bombardierung einsetzenden großen Flüchtlingsströme zu begründen.
Wir wissen heute, daß es 1999 entgegen der Behauptung von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping in der Kosovohauptstadt Pristina kein serbisches KZ gab. Wohl aber gab es 1944 an diesem Ort ein deutsches KZ, in dem mit Hilfe von kosovoalbanischen SS-Leuten Juden, Serben und Roma ermordet wurden.

Wir wissen, daß im jugoslawischen Bürgerkrieg von allen Seiten schwere Verbrechen begangen wurden, Verbrechen, die es aber nicht rechtfertigen, mit der Parole »Nie wieder Auschwitz« (Außenminister Joseph Fischer) zugunsten einer Seite einzugreifen, die schon im Zweiten Weltkrieg auf der Seite Großdeutschlands stand.

Schon im Ersten Weltkrieg haben berühmte deutsche Schriftsteller und Professoren sich in gemeinsamen Erklärungen und Aufrufen hinter ihre Regierung gestellt und die deutsche Propaganda unterstützt. Wir warnen vor Fortsetzung in einer Zeit, in der die Bundeswehr als Krisenreaktionsstreitmacht fähig gemacht werden soll, jederzeit und an jedem Punkt der Welt militärisch einzugreifen. Die – entschieden selektive – Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen in den Staaten, die wir zu Recht oder zu Unrecht als Schurkenstaaten betrachten, kann keine Rechtfertigung dafür sein, daß von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht. Wir fordern Mißtrauen gegenüber allen deutschen Regierungen, die sich so leichtfertig wie das gegenwärtige Kabinett zu kriegerischen Einsätzen bereit finden.

Wir fordern die deutschen Medien auf, sich nach dem Vorbild der französischen Presse bei ihren Lesern, Hörern und Zuschauern für die Fehlinformationen zu entschuldigen, die ungewollt erfolgten, da man der Desinformation und Propaganda der Regierung geglaubt hatte.  (mehr…)

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