Willkür der deutschen Betreuungsmaschinerie

Von Susanne Härpfer

Alles reine Formsache. Denunziation genügt. Jeder kann jeden beim Gericht als angeblichen Betreuungsfall anzeigen


zwangsjacke.jpgMissliebige Nachbarn, mobbende Arbeitskollegen, Krankenhauspersonal, Verwandte, die an eine Erbschaft wollen, die Bank, bei der man sein Girokonto überzogen hat, oder schlicht der Briefträger – sie alle können beim Amtsgericht “anregen”, jemanden unter Betreuung stellen. Treffen kann es jeden. Wer dann nicht sofort einen kundigen Anwalt findet und einschaltet, kann zwangsbetreut werden. Ein Betreuer kann dann sämtliche Entscheidungen treffen. Er kann entscheiden, dass Sie nicht mehr über Geld verfügen dürfen, nicht mehr telefonieren, nicht mehr Ihre Post entgegen nehmen dürfen. Sie können alles verlieren: Ihr Haus, Ihre Familie, Ihr Leben. Klingt nach einem Horrorfilm? Nach Hollywood? Oder Kafkas Roman “Der Prozeß”? Kaum zu glauben, aber juristisch ist all dies möglich. Mitten in Deutschland. Zu jeder Zeit. Denn die juristische Struktur macht dies möglich.
Aus diesem Grund hat der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck gerade ein Gutachten geschrieben. Darin kommt er zu dem Schluss: Das gängige Betreuungsrecht in Deutschland verstößt gegen die UN-Konvention über die Rechte nicht nur behinderter Menschen (1). Wolfgang Kaleck ist berühmt geworden durch seine Strafanzeigen gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen und gegen DaimlerChrysler wegen Beihilfe zur Ermordung eines argentinischen Gewerkschafters. Jetzt könnte sein Gutachten dazu führen, dass mit der Willkür Schluss gemacht wird. Denn ein wichtiger Schritt zum Schutz des Bürgers vor der Zwangsbetreuung ist die Umsetzung der UN-Konvention. Diese wurde zwar von Deutschland paraphiert, aber noch nicht unterschrieben. Der Gesetzgeber ist aber verpflichtet, der Konvention zu folgen und deutschen Gesetzen anzupassen. Dann aber darf es keine Zwangsbehandlung “gegen den bekundeten Willen mehr geben”, lautet die Expertise von Wolfgang Kaleck. (mehr…)

Der gekaufte Staat

Von Albrecht Müller, NachDenkSeiten

gekaufter-staat.jpgDie Fernseh-Journalisten Sascha Adamek und Kim Otto (Monitor) haben gerade ein neues Buch herausgebracht. Es geht um die von den Großkonzernen und Industrieverbänden bezahlten eigenen Mitarbeiter, die in Ministerien bei der Gesetzgebung und Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben des Staates “behilflich” sind. Das ist ein brisantes Thema. Diese Art von in die Ministerien verpflanzter Lobbyarbeit betrifft nahezu alle Fachbereiche, zum Beispiel: Strom und Gas, die Tätigkeit der Heuschrecken, die Gesundheitspolitik, die Tätigkeit der Bauindustrie als privater Partner der Kommunen im Rahmen von ÖPP-Projekten, die Verteidigungspolitik, die Technologieförderung, den Luftverkehr und vieles mehr.
Die Lobby hat sich in den Bundesministerien, in den Landesministerium und in Brüssel eingenistet. Die Ausleihe von Verbandsvertretern, Rechtsanwälten und Beratern an die Ministerien ist auch eine Folge der systematischen Verarmung der öffentlichen Hände. Damit hat man in den Ministerien Bedarf für die interne Beratung durch Dritte geschaffen. (mehr…)

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