Europa und die Bootflüchtlinge
Drei Tage lang wurden aufgrund des Zuständigkeitsstreits zwischen Malta und Libyen illegale Einwanderer aus Afrika im Boot und dann festgeklammert an ein Netz herumgeschleppt, ohne sie an Bord zu lassen und sie mit Essen und Trinken zu versorgen
Ein besonders dramatischer Vorfall (1) beleuchtet den Umgang mit Menschen aus Afrika, die über das Mittelmeer in die Festung Europa gelangen wollen. An deren südlichen Meeresgrenzen mehren sich die Katastrophen und die Toten. Das Fischerboot Budafel aus Malta “rettete” am Mittwoch 27 afrikanische Schiffsbrüchige und zog die an die Käfige des Thunfischnetzes geklammerten Flüchtlinge drei Tage mit, ohne sie jedoch an Bord zu nehmen oder mit Wasser zu versorgen. Malta und Libyen, von wo die Flüchtlinge aus Ghana, Nigeria und Kamerun gestartet sind, weigerten sich, ihnen zu Hilfe zu kommen, und stritten um die Zuständigkeit. Nach drei Tagen wurden die Männer schließlich 60 Meilen vor der libyschen Küste von der italienischen Marine aufgenommen und in ein Auffanglager auf die Insel Lampedusa verbracht. Eigentlich wäre Libyen für die Rettung zuständig gewesen. Der Kapitän der Budafel rief die maltesischen Behörden an, nachdem er die Flüchtlinge “gerettet” hat. Malta wandte sich an Libyen, da das Land für die Rettung zuständig gewesen wäre. Libyen sagte zu, einen Hubschrauber zu schicken und den Flüchtlingen ein Rettungsboot abzuwerfen. Die maltesische Regierung lehnte dies aber ab und verlangte, dass Libyen die Flüchtlinge aufnehmen müsse. Irgendwann kam dann ein Fax, das eine Rettungsaktion ankündigte, woraufhin aber nichts geschah. (mehr…)
Gewaltoperationen optimiert
BERLIN/DÃœSSELDORF
german-foreign-policy
Anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit sichert der Bundeswehr den Nachwuchs für deutsche Militäroperationen im Ausland. Mehr als ein Drittel aller im Auslandseinsatz befindlichen Soldaten wurde in den ostdeutschen Ländern mit der höchsten Arbeitslosenquote der Bundesrepublik rekrutiert, bestätigt das Berliner Verteidigungsministerium. Auch in Westdeutschland sind bis zu einem Drittel der neuen Soldaten Freiwillige, die in . . .
Molli, Macht und Meer
Der G8-Gipfel als Höhepunkt von Politik-Inszenierung
Rudolf Stumberger
“Münster, Molli, Moor & Meer”, so lautet der touristische Slogan des Seebads Heiligendamm. Mit “Molli” ist allerdings nicht der bekannte Molotow-Cocktail gemeint, sondern eine dampfbetriebene Schmalspurbahn. Für sie gibt es auch ein Loch im 15 Kilometer langen Sicherheitszaun, der die G8-Gipfelteilnehmer vor ihren Bürgern schützt. Und der Metallzaun ist wohl auch der Grund, warum das Treffen der Regierungschefs nicht im Veranstaltungskalender des Seebades unter der Rubrik “Höhepunkte” eingetragen ist - dort steht nur ein Hinweis auf das am 2. Juni beginnende “Aqua Nostra” - das “Wasserfest” (was im übrigen nichts mit dem Einsatz von Wasserwerfern zu tun hat). Dabei ließe sich “G8″ - sprachlich dem einst von dem deutschen Gynäkologen Ernst Grafenberg entdeckt “G-Punkt” der Sexualität ähnelnd - durchaus als Höhepunkt deuten: Dem der Bedeutungsaufladung der beteiligten Politiker und der ökonomischen Mobilisierung von Politik als Event.
“Narzissmus ist eine Charaktereigenschaft, die sich durch ein geringes Selbstwertgefühl bei gleichzeitig übertriebener Einschätzung der eigenen Wichtigkeit und dem großen Wunsch nach Bewunderung auszeichnet”, sagt uns Wikipedia. Ãœber den Zusammenhang von Politik und Narzissmus geben Studien wie die des Psychotherapeuten Hans-Jürgen Wirth (”Narzißmus und Macht”) Auskunft. Ãœber den Zusammenhang von Macht und einem Aufwand, der in bislang unbekannte Dimensionen vorstößt, scheint uns der G8-Gipfel zu lehren. Man muss sich das so vorstellen: Es treffen sich acht Regierungschefs eineinhalb Tage zu Besprechungen. Wenn sie auf das Meer hinaussehen, sehen sie amerikanische Kriegsschiffe. Wenn sie in das Landesinnere sehen, sehen sie einen Metallzaun (Kosten: rund 12 Millionen Euro). (mehr…)
Die „Bertelsmannisierung“ der Bürgergesellschaft
Im Zusammenspiel mit dem einflussreichen Medienkonzern ignoriert bzw. unterläuft die Bertelsmann-Stiftung demokratische Prozesse der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung.
In der jüngeren Vergangenheit hat die Bertelsmann- Stiftung (BS) eine Reihe neu geprägter Begriffe wie z. B. „Bürgergesellschaft“ und „Zivilgesellschaft“ oder „bürgerschaftliches Engagement“ adaptiert.Auf diese Weise hat die Stiftung auch ihrerseits auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs Einfluss genommen. Sie nutzte den Begriff und das Konzept der Bürgergesellschaft für die Anliegen der neoliberalen Ökonomisierung und der damit verbundenen politischen Reformen – naheliegender Weise auch zur Beförderung der wirtschaftlichen Interessen der Bertelsmann AG. Im Zusammenspiel mit dem einflussreichen Medienkonzern ignoriert bzw. unterläuft die BS demokratische Prozesse der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung. In diesem Sinne ist hier deshalb von einer „Bertelsmannisierung“ der Bürgergesellschaft die Rede.
Um diese These zu begründen, berichtet der folgende Beitrag über die Motive des Stifters und die Zielmarken der Stiftungstätigkeit. In einem weiteren Schritt werden institutionelle Aspekte, sprich: die Organisations-, Aktionsund Präsentationsformen der Stiftung beschrieben. Hierbei lässt sich verdeutlichen, dass die Stiftung ihren eigenen bürgergesellschaftlichen Ansprüchen in keiner Weise genügt. Anschließend thematisiert der Beitrag das „wirtschaftsfreundliche“ Networking der Bertelsmann- Stiftung im Zusammenspiel mit den Medien- Unternehmen der Bertelsmann AG einerseits und wichtigen Akteuren aus Politik und Wirtschaft andererseits. Zunächst jedoch folgen einige Basisinformationen zur Stiftung, ihren organisatorischen Grundzügen und Aufgaben . (mehr…)
Eine falsche Politik wird allein durch «Kommunikation» nicht besser
EU-Europas «grüne Adolfs» werden keinen Frieden schaffen
von Karl Müller, Deutschland
Sehr viele deutsche Politiker und vor allem auch deutsche Medien tun derzeit so, als wenn Russland eigentlich grundlos, wie aus heiterem Himmel, eine scharfe Konfrontation mit dem Westen begonnen hätte. Allenfalls wird zugestanden, dass man die «russische Seele», die russischen «Wahrnehmungen», Russlands «Gefühle» falsch eingeschätzt habe. Politische Konflikte werden auf die Ebene der Öffentlichkeitsarbeit, der PR, transportiert, so, als wenn alles nur ein Kommunikationsproblem wäre.
Insbesondere die deutsche Kanzlerin und derzeitige EU-Ratspräsidentin Angela Merkel will sich nun als «grosser Kommunikator» betätigen. Ist es mehr als PR-Propaganda für die Öffentlichkeit in EU-Europa und im eigenen Land, wenn die Kanzlerin vor dem EU-Russland-Gipfel verlauten lässt, sie wolle sich «für eine Verbesserung der Beziehungen einsetzen» und «zu einer Politik des gegenseitigen Vertrauens zurückfinden»?
Tatsache ist: Eine Konfrontation mit Russ land wiegt für Deutschland besonders schwer. Nicht nur wegen der russischen Energielieferungen. In Russland haben deutsche Unternehmen und deutsche Grossbanken, zum Teil gegen US-Interessen, Milliardenbeträge investiert. Russisches Kapital strömt im grossen Umfang nach Deutschland. Deutschland strebte mit Russland einen «Deal» an, nicht zuletzt, um die eigene Machtposition in Europa und der Welt auszubauen. Das war das Konzept des Kanzlers Schröder, und auch Angela Merkel hatte dem zuerst zumindest nicht ausdrücklich widersprochen. Grosse Teile der SPD stehen bis heute dafür. (mehr…)
Medienkriege – Die Rolle der PR-Agenturen in den Kriegen der Gegenwart
Von Jean Toschi Marazzani Visconti «Il Corridoio»* (Auszug)
Mit dem Fall der Berliner Mauer verloren die westlichen Länder, insbesondere die USA, ihren «grossen Feind», den Ostblock, auf den sich alle Befürchtungen der öffentlichen Meinung des Westens konzentrierten. Es bedurfte der Schaffung anderer Feinde, um die kommenden Kriegsereignisse zu rechtfertigen und den – alles andere als idealistischen – Grund für die neuen Konflikte zu verdecken, die hauptsächlich auf wirtschaftlich-geopolitischen Interessen beruhen: Militärbasen, territorial-geschäftliche Vorherrschaft, Öl, Pipelines.
Die ausserordentliche Entwicklung der Telekommunikation in den letzten Jahren hat ein Informationssystem hervorgebracht, das so schnell ist, dass jedes Ereignis Tausende Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt live auf dem Bildschirm gezeigt werden kann. Die Kontrolle und der Einsatz von Bildern ist von grösster Bedeutung.
Manipulation durch Medien
Unsere moderne Lebensweise, die um Arbeit und Wettbewerb kreist, hat den grössten Teil der westlichen Bevölkerung vom Fernsehen abhängig gemacht. Die Menschen kommen von der Arbeit nach Hause, drehen sofort den Fernseher an und lassen, ohne zu denken, Bilder vorüberfliessen. Diese Art des Lebens hat ein Sammelbecken von Konsumenten geschaffen, die für die Kommunikation besonders ergiebig und empfänglich sind.
In seinem Essay «Die notwendige Illusion» erklärt der amerikanische Linguist Noam Chomsky, dass es in demokratischen Regierungssystemen unerlässlich ist, die Öffentlichkeit glauben zu machen, alle Handlungen seien richtig und gerechtfertigt. Um diese «Illusion» zu schaffen, ist daher ein raffinierter Einsatz von Bildern und Kommunikation ausserordentlich wichtig.
Dies ist zweifellos die wichtigste Lehre aus all den seit 1989 produzierten Medienereignissen – nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der UdSSR, der den USA die Führung der Welt anheimstellte. (mehr…)
Das Komasaufen der Beschnüffelbaren zum G8-Gipfel
Ein Plädoyer für Menschlichkeit statt Kapitalismushörigkeit
Von Yavuz Özoguz, Freace
Um die 20.000 Jugendliche sollen sich im letzten Jahr derart betrunken haben, daß sie mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht wurden - und es waren nicht nur die sozial verarmten Schichten, die betroffen sind. Wie aber sieht der Eisberg unter der Spitze aus, was steckt dahinter und was hat das mit dem G8-Gipfel zu tun?
Einige Meinungsforschungsinstitute und Soziologieprofessoren dürften sich insgeheim über die Saufwut mancher Jugendlicher in Deutschland gefreut haben, eröffnet es ihnen doch weitere Forschungsaufträge um die Ursachen zu analysieren. Dabei muß man wirklich nicht Professor sein, um diese Entwicklung zu verstehen. 20.000 derart sturzbetrunkene Jugendliche, daß sie nicht einmal mehr von ihren Freunden ins Krankenhaus gefahren werden konnten, sind nur die Spitze eines Eisberges eines kollektiven Massenwahns am Ersäufen der eigenen Gedanken, am regelrechten Ertränken des Verstandes und Flucht vor der Realität. Die Statistik erfaßt nicht diejenigen, die zwar völlig betrunken waren, aber es noch irgendwie in irgendein Bett geschafft haben, um sich dort zu übergeben. Sie erfaßt nicht Ältere, die sich zuweilen auch volldröhnen, und sie erfaßt auch nicht jene, die andere Wege als Alkohol einschlagen. Jetzt “warnen” zwar einige aufgeschreckte Politiker und die Medien haben einige Tage etwas zu berichten, aber spätestens nach dem nächsten Auftrag eines großen Bierkonzerns zur ganzseitigen Werbung wird die Aufregung genau so schnell verpuffen, wie sie gekommen ist. (mehr…)
Meinungsterror
Lafontaine im Kreuzfeuer
Von Werner Pirker
Terror sei durch die rechtswidrige Anwendung von Gewalt definiert, sagte Oskar Lafontaine bei »Christiansen«. Bush und Blair müßten deshalb als Terroristen bezeichnet werden. Denn was im Irak in großem Umfang stattfinde, sei rechtswidrige Gewaltanwendung. Und weil das auch für die gewaltsame Besetzung Afghanistans zutreffe, sei die Bundeswehr mit ihren Tornado-Einsätzen mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt. Die aggressive Abwehr dieser Meinungsäußerung hält sich mit der Frage nach deren Stichhaltigkeit erst gar nicht auf. Allein auf den Gedanken zu kommen, die Beteiligung von deutschen Soldaten an den Kriegshandlungen in Afghanistan als Beihilfe zu terroristischer Gewalt zu bezeichnen, wird als »rechtswidrig« verworfen. Der Meinungsterror ist zur alltäglichen Gewalt geworden.
»Wer die Hilfe der Bundeswehr in Afghanistan als terroristische Aktion bezeichnet, hat sich endgültig aus der Reihe verantwortlicher Politiker verabschiedet«, glaubt der frühere Verteidigungsminister Peter Struck ein Berufsverbot über seinen Ex-Parteivorsitzenden aussprechen zu dürfen. Genau der Struck, der die verfassungswidrige Doktrin entwarf, daß Deutschlands Verteidigung am Hindukusch beginne. Was seit der deutschen Teilnahme am Bombenterror gegen Jugoslawien 1999 ohnedies bereits Praxis war, formulierte der SPD-Politiker auch noch als sicherheitspolitischen Grundsatz: Imperialistische Weltordnungskriege seien die beste Vaterlandsverteidigung und deshalb müßten deutsche Verteidigungspositionen rund um den Erdball bezogen werden. (mehr…)
Was haben sie geglaubt?
Moral in Zeiten des Krieges
Freace
Am Samstag wurden drei deutsche Soldaten bei einem Bombenangriff in der nordafghanischen Stadt Kunduz getötet und fünf weitere verletzt, davon zwei so schwer, daß sie zwischenzeitlich nach Deutschland ausgeflogen und in ein künstliches Koma versetzt wurden.
Zumindest die in den Medien “sichtbaren” Reaktionen hierauf sind ebenso vorhersehbar wie heuchlerisch. Sie schwanken allein zwischen “wir müssen die Soldaten nach Hause holen” und “wir dürfen uns nicht beirren lassen und müssen unsere tapferen Soldaten unterstützen” - letzteres entspricht nur zu genau den Aussagen von US-Regierungspolitikern nach drastischeren Verlustmeldungen aus dem Irak.
Zweifellos ist der Tod der drei Soldaten wie auch die teilweise schwere Verwundung der anderen fünf für deren Angehörige eine schwere Prüfung. Hierbei sollte allerdings nicht vergessen werden, daß sie alle sich für diesen Einsatz freiwillig gemeldet hatten - sei es nun aus finanziellen oder ideologischen Gründen. Daß dies bei einem Krieg geschah, dessen völkerrechtliche Grundlage zumindest fragwürdig erscheint, sei hier nur am Rande erwähnt. (mehr…)
Robuste Rohstoffsicherung
Auf die weltweit wachsende Nachfrage nach Werkstoffen reagiert die deutsche Industrie immer aggressiver. Ihre Lobby fordert von der Bundesregierung eine zunehmend militärisch ausgelegte Entwicklungs- und Energiepolitik        Von David Meienreis
Die deutsche G-8- und EU-Ratspräsidentschaft verschaffen außenpolitischen Themen einen Aufschwung. Die Regierungsparteien und das Unternehmerlager nutzen den Anlaß, um eine Reihe von Initiativen anzustoßen, die die deutsche Außenpolitik an neuen Zielen ausrichten sollen und langfristige Auswirkungen auf diese haben könnten. In strategischen Kreisen ist wieder die Rede von einem deutschen nationalen Interesse, das es in den internationalen Beziehungen offener und offensiver zu vertreten gelte. Im Zentrum dieses Interesses stehen der ungehinderte Zugriff auf wichtige auswärtige Märkte und auf Quellen strategischer Rohstoffe.
Die deutsche Außenpolitik muß sich dabei in einem seit dem Ende des Kalten Krieges grundlegend veränderten internationalen Umfeld positionieren. Die neue Multipolarität der Welt macht sich in wirtschaftlichen Entwicklungen bemerkbar, die das deutsche Kapital in den vergangenen Jahren recht unvorbereitet angetroffen haben. Eine der wichtigsten in den Augen der deutschen Konzernspitzen ist, daß der ökonomische Aufstieg Chinas nicht nur Chancen zum Kapitalexport und stattliche neue Profitquellen bietet, sondern auch zu einem erheblichen wirtschaftlichen und zunehmend politischen Bedeutungszuwachs des größten Schwellenlandes geführt hat. Dies schlägt sich einerseits in enorm steigenden Rohstoffpreisen an den internationalen Märkten nieder, zum anderen aber auch in einem wachsenden Einfluß Chinas an der Peripherie des globalen Kapitalismus. (mehr…)